Tichys Einblick
Der Niedergang der Linken

Eine Rache aus dem Nebel der nicht aufgeklärten Pandemie

Analysen zum Niedergang der Linken hat es viele gegeben, nachdem Janine Wissler und Martin Schirdewan angekündigt haben, im Oktober von Bord gehen zu wollen. Die Pandemie kam in diesen Analysen nicht vor. Doch genau in der ist die Ursache für den Niedergang der Linken zu finden.

picture alliance / Chris Emil Janßen | Chris Emil Janssen

In John Carpenters Filmklassiker „The Fog“ zieht der Nebel durchs Land und fordert Opfer. Wer da tötet, ist nur selten zu sehen. Es sind Gespenster, die Missetaten aus der Vergangenheit rächen. Durch Deutschlands politische Landschaft zieht statt „The Fog“ das Gespenst der Pandemie. Wie ein Nebel. Die Verantwortlichen verweigern jede Aufklärung ihrer Taten während der Pandemie? Kein Problem. Dann zieht halt statt der Aufklärung ein „Nebel des Grauens“ durchs Land und holt sich seine Opfer nach und nach.

Warum der Nebel der Pandemie sich seine Opfer holt, ist mal einfach zu verstehen. Zum Beispiel im Fall Tobias Hans (CDU). Der damalige saarländische Ministerpräsident feixte im Staatsfernsehen, weil er sich freute, wie ausgeschlossen aus der Gesellschaft jetzt Ungeimpfte seien. Er selbst verpasste seinem Land eines der härtesten Corona-Regime in Deutschland – und fuhr dann selbst in Urlaub. Alle Saarländer sind gleich, nur Tobias Hans ist gleicher. Warum sein Volk ihn bei der ersten Gelegenheit vom Hof jagte, ist mit einem Absatz mehr als ausführlich genug erklärt.

Die Linken sind das nächste Opfer, das sich die nicht aufgeklärte Pandemiepolitik aus dem Nebel zieht. Warum sie der unaufgeklärten Pandemie zum Opfer fallen, ist schon schwerer zu verstehen. Die Gesichter der Corona-Politik waren schließlich andere: Angela Merkel und Jens Spahn (beide CDU), Horst Seehofer und Markus Söder (beide CSU) oder Stephan Weil und Malu Dreyer (beide SPD). Letztere wollte Ungeimpften sogar das Feiern von Weihnachten verbieten. Doch die Linken sind es, die schneller vom Nebel der fehlenden Aufklärung eingefangen werden als die Genannten. Denn die Linken haben sich stärker in Widersprüche verfangen als andere.

Zum Beispiel Markus Söder. Unseriös? Ein Fähnchen im Wind? Zu allem bereit? Sicher, sicher, sicher. Alles wahr. Aber Söder ist der Chef der CSU. Würde die bayerische Volkspartei in Bayern einen kaputten Staubsauger aufstellen, käme sie immer noch locker über 45 Prozent. Und sogar mit Söder reicht es noch für 37 Prozent. Die Bayern wählen das Erbe von Franz Josef Strauß und nehmen Söder als Defekt an einem an sich guten Regierungsapparat in Kauf.

Doch die Linken haben es nicht so einfach. Sie müssen sich ihre Wählerschaft erarbeiten. Sie haben kein Monopol wie die CSU in Bayern. Sie streiten sich mit mindestens zwei starken (mehr oder weniger) linken Mitbewerbern. Trotzdem wären ihre Chancen in diesem Wettbewerb gar nicht mal so schlecht. Wenn die Linken nicht verraten hätten, was früher mal „ihre Stärke“ war: „die Solidarität“. Gerade in der Pandemie haben die Linken die Solidarität aufgegeben.

Zum Beispiel im Spätsommer 2022. Zu der Zeit haben SPD und Grüne mit ihrer Energiepolitik die Preise in astronomische Höhen getrieben. Nicht nur die für Strom, sondern auch die für Brot und Wasser. Der grüne „Wirtschaftsminister“ Robert Habeck wollte mit der „Gasumlage“ noch einen drauflegen. Die Linken kündigten dagegen Protest an. Eine an sich gute Idee. Sie wollten zur Sammlungsbewegung für diesen Protest werden. Auch nicht schlecht.

Doch was machten sie daraus? Die Sammlungsbewegung sollte mit einer Kundgebung vor der Bundesgeschäftsstelle der Grünen nahe der Invalidenstraße werden. Dazu kamen im Spätsommer 2022 auch gut 1000 Demonstranten. Das Feld war offen für die Linken. Doch zu dem Protest kam auch eine Gruppe, die sich selbst ausdrücklich als links definierte, deren Mitglieder die seinerzeit geltenden Corona-Maßnahmen aber nicht mittragen wollten. Anders als die Partei gleichen Namens. Die stand voll und ganz hinter den Maßnahmen. Jeder, der sich widersetzte, galt als rechts.

Jeden, der sich widersetzte, bekämpften die Linken. So wie die Handvoll Maßnahmen-Gegner, die vor die Bundesgeschäftsstelle der Grünen gekommen war, um sich der Sammlungsbewegung gegen die Energiepolitik der Ampel anzuschließen. Eine Art Schwarzer Block stellte sich gegen sie auf und vertrieb sie vom Gelände in der Luisenstraße. Linke als Staatsfeind der Linken, weil sie im Zug keine Maske mehr tragen wollten.

In dieser einen Szene steckt der gesamte Irrsinn der Linken während der Pandemie. Zu der Zeit ruderten schon Journalisten wie Nikolaus Blome zurück. Zur Hochzeit der Pandemie war er unter den Treibern bei der Hetzjagd auf Ungeimpfte dabei, zu dem Zeitpunkt der besagten Demo argumentierte er, die Maskenpflicht müsse in den Zügen noch für einige Zeit aufrechterhalten werden, damit Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sein Gesicht nicht verliere: Linke bekämpfen Linke, damit ein Sozialdemokrat nicht zugeben muss, dass er Mist gebaut hat. Anarchisten bekämpfen Linke, weil die eine Ordnungswidrigkeit begehen. Keine Partei hat sich während der Pandemie derart in Widersprüche verwickelt wie die Linken.

Eine Sammlungsbewegung wollten die Linken vor der Bundesgeschäftsstelle der Grünen starten. Doch ihre Reden handelten davon, wen sie alles nicht dabei haben wollen. Ungeimpfte. Gegner der Maskenpflicht. Kritiker von Bevollmächtigungen der Regierungen auf Kosten der Parlamente. Warner vor den Nebenfolgen von Impfungen. Jeden, der Milliarden teure Bestellungen von Impfstoffen hinterfragte. Die Linken als Interessenvertreter von Pfizer? Keine andere Partei hat sich selbst dermaßen verraten während der Pandemie wie die Linken.

Und warum? Weil die Partei einen einzigen Platz am Tisch der Mächtigen besetzen durfte. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow gehörte zur Ministerpräsidentenkonferenz. Jenes Gremium, das nicht in der Verfassung vorgesehen ist, aber das Kanzlerin Angela Merkel (CDU) instrumentalisierte, um die Bürgerrechte aushebeln zu können. Statt die Interessen der Arbeiter oder Arbeitnehmer zu vertreten, gefielen sich die Linken in ihrer Rolle am Kindertisch der Macht. Keiner hat sich selbst – und seine Anhänger – so sehr verraten wie die Linken während der Pandemie.

Was hat denn Bodo Ramelow an diesem Tisch herausgeholt? Für die Arbeiter? Oder für die Arbeitnehmer? Nichts. Geschlossene Kitas und Schulen, Kontaktverbote, Ausgangssperren, abgesperrte Spielplätze, Aushebelung des Demonstrationsrechtes oder gestürmte Kindergeburtstage. Alles Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz, alles mitgetragen von Bodo Ramelow. Arbeitnehmer durften nicht mehr im gleichen Auto zur Arbeit fahren, aber zusammen arbeiten, das durften sie. Die Räder müssen rollen.

Was hat Ramelow selbst während dieser Konferenzen gemacht? Die Öffentlichkeit weiß es. Er hat es selbst erzählt und war noch stolz darauf: Er hat Candy Crush gespielt. Die Grundrechte ausgehebelt? Den Arbeitnehmern die Freizeit komplett reglementiert, damit sie weiter zur Arbeit fahren können? Belästigt den linken Ministerpräsidenten damit nicht, er hat gerade fünf Bananen in einer Reihe gesammelt. Seit Gustav Noske ist kein linker Politiker seinen potenziellen Anhängern mehr derart in den Rücken gefallen wie Bodo Ramelow während der Pandemie.

Trotzdem wollten die Linken 2022 eine Sammlungsbewegung gründen. Dabei formulierten sie aber mehr Ausschlussgründe, als der weißeste Countryclub in Connecticut es je getan hat. Mit Erfolg. Weit über 80 Millionen Bürger blieben von der Sammlungsbewegung ausgeschlossen. Stattdessen drängte die Führung um Janine Wissler und Martin Schirdewan so viele Abweichler aus der alten Partei, dass diese im Bündnis Sahra Wagenknecht eine neue Partei gründeten. Eine, die heute in den Umfragen drei bis vier Mal so stark ist wie die eigentliche Linke. Die hat ihr Versagen in der Pandemie nicht aufgeklärt? Dann kommt halt aus dem Nebel die Rache der Gespenster. Wer die besiegen will, muss die Pandemiezeit aufklären. Doch dazu sind die Schuldigen jener Tage nicht bereit.

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