Fakt ist, Russland hat einen Krieg begonnen, mordet, vergewaltigt und zerstört in der Ukraine. Männer, Frauen, Kinder sterben oder werden an Leib und Seele verletzt. Dafür trägt Russlands Regierung allein die Verantwortung. Dass ich Wladimir Putin, der 1989 als KGB-Agent in Dresden saß, immer abgelehnt habe, belegen alle meine Texte. Ich hielt und halte es für verhängnisvoll, dass er an die Spitze des russischen Staates gelangte. Die Schmierenkomödie der Rochade zwischen ihm und Dimitrij Medwedjew als Präsident und Ministerpräsident führte allen vor Augen, dass Putin die Demokratie verachtet. Die Illusionen der SPD über einen Wandel durch Annäherung habe ich nie geteilt. Schröders Wort vom „lupenreinen Demokraten“ bedeutete schon zur Stunde, als es geäußert wurde, einen tiefen Fall der einstmals stolzen Partei. Putins Wort von der „gelenkten Demokratie“ klang schon damals in meinen Ohren nach der gehängten Demokratie.
Gerade mit Blick auf die Tyrannei in Russland hatte der Sozialdemokrat August Bebel 1913 geäußert, dass er, wenn es gegen die russische Despotie ginge, selbst noch die Schrotflinte in die Hand nehmen würde. An August Bebel erinnerte sich weder Gerhard Schröder, noch Frank-Walter Steinmeier – und Manuela Schwesig dachte stattdessen vielleicht an russisches Konfekt und schwelgte in seeligen Kindheitserinnerungen –, als sie sich allzu tief mit Putin einließen. Eine Aufarbeitung der Russland-Politik der SPD, der personellen Verbindungen, des Grades der Einflussnahme der Russen auf deutsche Innenpolitik, der wirtschaftlichen und auch finanziellen Verquickungen hat dringend zu erfolgen. Sie ist weitgehender als man bisher ahnte. Doch eine wissenschaftliche Aufarbeitung ist kategorial etwas vollkommen anderes als die Pressekampagnen gegen die SPD, die sich in Framing und simplen Verurteilungen gefallen.
Notwendige Aufarbeitung wird dann zum Hohn, zu einer neuen Legende, wenn sie von CDU-Politikern, die mit den Fingern auf die SPD zeigen, gefordert wird. Denn drei Finger zeigen dabei auf sie selbst zurück. Was die Russland-Politik betraf, befand sich die Union nämlich im wahrsten Sinne des Wortes mit der SPD in einer Koalition. Wenn sie nun „Haltet den Dieb“ ruft, erweist sich das als Posse, denn die Union der Merkel-Jahre war ein Profiteur der Russland-Politik der Sozialdemokraten.
Wirft man einen Blick auf die deutschen Medien, entsteht der Eindruck, dass es auch nicht um Aufarbeitung geht, sondern darum, Scholz zu stürzen, um eine Jamaika-Koalition ins Amt zu schreiben, die als erstes ein totales Erdgas-Embargo erlassen wird. Dass der Versuch von Olaf Scholz, eine von deutschen Wirtschaftsinteressen bestimmte Politik gegenüber dem Aggressor Russland durchzuhalten, dadurch beendet werden soll, dass die Medien zwischen der falschen, fragwürdigen und in Teilen vielleicht auch justiziablen Russlandpolitik der Vergangenheit und Scholzens besonnenem Agieren in der Gegenwart eine Verbindung herstellen, ist nicht im deutschen Interesse. Es hat den Anschein, dass wir eine schlechte Regierung verlieren sollen, um eine noch schlechtere zu bekommen.
Wieder einmal ist die Stimme der Vernunft leise. Wir sollen, wir wollen, wir müssen der Ukraine helfen. Russlands Aggression darf nicht von Erfolg gekrönt sein. Sie wäre es aber auch dann, wenn sich Deutschland wirtschaftlich und damit auch politisch und kulturell selbst zerstört. Zwischen der Hilfe für die Ukraine, der Notwendigkeit, Putin Grenzen aufzuzeigen, und einer erfolgreichen deutschen Wirtschaft als Grundlage unserer Gesellschaft und übrigens auch der Fähigkeit, den Ukrainern helfen zu können, hat die deutsche Regierungspolitik einen Spagat zu machen.
Eine generelle Aufarbeitung, die wirkliche alle Fakten und die Rolle aller verantwortlicher Politiker in allen politischen Parteien zur Kenntnis nimmt, ist daher vonnöten.