SPD-Chefin Saskia Esken will den Berliner Koalitionsausschuss anrufen, um „diese MP-Wahl“ in Thüringen zu „korrigieren“. Ganz nebenbei: wollte sie nicht vor kurzem gerade diese Koalition, die sie jetzt mobilisieren will, beenden?
CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer erklärt zur Ministerpräsidentenwahl eines FDP-Politikers in Thüringen mit Stimmen der AfD und der CDU, die Thüringer CDU-Abgeordneten in Thüringen hätten „ausdrücklich gegen die Empfehlungen, Forderungen und Bitten der Bundespartei“ gehandelt. Und fordert Neuwahlen in Thüringen. Sie meinte am heutigen Mittwoch, „dass man darüber reden muss, ob neue Wahlen nicht der sauberste Weg aus dieser Situation sind.“ Aus der Situation, dass es in Thüringen jetzt einen Ministerpräsidenten gibt, der von einer Parlamentsmehrheit gewählt wurde?
Die Überlegungen der beiden Parteivorsitzenden lauten, zusammengefasst, so: verhalten sich die Abgeordneten nicht wie von den Parteiführungen gewünscht, dann muss eben das gesamte Parlament gewissermaßen unter dem gerade ins Amt gekommenen Ministerpräsidenten weggezogen werden. Ob Kramp-Karrenbauer überlegt hat, dass es auch eine Mehrheit für die Auflösung des Thüringer Landtags braucht? Und warum sollten die Wähler dieses mal CDU und SPD reichlicher und die AfD mit weniger Stimmen bedenken?
Ein Blick in die Verfassung würde Kramp-Karrenbauer und Esken weiterhelfen. Abgeordnete sind keinen Forderungen der Bundespartei unterworfen. Parlamentsentscheidungen in Bundesländern sind kein Fall für den Koalitionsausschuss in Berlin. Apropos: von einem Koalitionsausschuss steht gar nichts im Grundgesetz.
Aber wenn schon Neuwahlen: warum dann in Thüringen? Wäre es nicht passender, gleich im Bund wählen zu lassen? Eine Parteichefin, deren Autorität nicht von Berlin nach Erfurt reicht, eine Kanzlerin, die mit all ihrem Strippenziehen via Daniel Günther und anderen das genau Gegenteil von dem erreicht hat, was sie wollte, eine Parteichefin des Koalitionspartners, die kaum verhüllt die Koalitionsfrage stellt: es wäre an der Zeit, einen Strich darunter zu ziehen.
Dann nämlich könnten die Wähler bundesweit ihre Empfehlungen, Forderungen und Bitten an die Parteien loswerden. Es hat sich einiges angesammelt. Genau diesen Wirkungsweg – von den Wählern zum Parlament – sieht das Grundgesetz in Artikel 20 vor. Und nicht von den Parteizentralen via Parlament zu den Wählern mit dem Auftrag, doch bitte so lange anzukreuzen, bis es den Parteizentralen passt.