Wenn der Slogan des NDR über sich selbst – Das Beste am Norden – stimmt, muss man sich wirklich Sorgen um den NDR machen. Bereits am 25. August hat TE über die Missstände beim NDR berichtet. Doch schon in früheren Befragungen wurde der „robuste Führungsstil von oben herab“, ein „radikal machtstrategisches Kommandoverhalten, fehlende Kritikfähigkeit, Selbstgerechtigkeit und Irrationalität“ bemängelt. Ein unangemessener Ton habe „viele Mitarbeiter verunsichert, eingeschüchtert, verletzt und das innerbetriebliche Klima vergiftet“.
Schon im August 2022 drangen Vorwürfe aus dem Sender, dass politische Filter existierten, dass Autoren von Recherchen und Beiträgen abgezogen werden würden, wenn sie zu genau nachfragten, besonders wenn es um so eifrige Verfechter des Zwangsgebührensystems wie Schleswig-Holsteins grünen Ministerpräsidenten mit dem schwarzen Parteibuch, Daniel Günther, geht. Von einem Klima der Angst war die Rede.
In dieser Situation dachte sich wahrscheinlich Joachim Knuth, dass es zur Beruhigung der Gemüter eine gute Idee wäre, Transparenz zu simulieren. Er beauftragte den Theologen und ehemaligen Rundfunkrat Stephan Reimers mit einem Gutachten – und hoffte wohl auch, dass der Theologe mit evangelischer Barmherzigkeit die Zustände beim Sender unter der Decke lassen würde. Reimers und seine Leute führten 620 Einzel- und Gruppengespräche und sprachen dabei mit über tausend Mitarbeitern. Auch mit den Mitgliedern der Aufsichtsgremien.
Ob Reimers hat Milde walten lassen, oder nicht, und wenn ja, wie viel, ist nicht bekannt. Das Bild, das sich ergibt, ist jedenfalls verheerend. So heißt es zum Beispiel über die Art und Weise, wie gut dotierte Führungspositionen besetzt werden: „Die Besetzung erfolgt in den allermeisten Fällen hinter verschlossenen Türen nach individuellen Präferenzen und machtstrategischen Logiken.“ Denn in der Regel erfolge die Besetzung „nach keinem transparenten Verfahren“, nach „keiner einheitlichen Ausschreibungspraxis“.
Da der Fisch nach einem Sprichwort immer am Kopf zu stinken beginnt, liegt es vielleicht daran, dass die Führung, wie der „Klimabericht“ belegt, abgehoben agiert. „Viele Mitarbeitende haben kein Vertrauen in die Geschäftsleitung“, heißt es da, und: „Die Führungsschicht ist abgekoppelt und lebt in ihrer eigenen Welt.“ Das Management kommuniziere häufig „empathielos und glatt“. „Die Intendanz meint zwar, sie würde zuhören, weil sie in Schulungen gelernt hat, wie wichtig das ist. Aber das ist nicht echt. Rhetorisch brillant, aber nicht echt.“
Der wichtigste Satz, den ein Mitarbeiter äußerte, lautet: „Ich traue es dieser Führungsriege nicht zu, dass sie das hier in den Griff kriegen.“ Das Arbeitsklima sei „stellenweise deutlich von gegenseitigem Misstrauen und Konflikten geprägt“. Denn im Sender existiere eine „Zwei-Klassen-Gesellschaft“. Im NDR gebe es zwar „kein generelles Klima der Angst“, aber „Tendenzen der Folgsamkeit, der gefühlten Unmündigkeit bis hin zu Grundformen der Angst“.
Die einzig denkbare Reform besteht darin, das Gebührensystem auf ein Streamingmodell umzustellen. Soll für das Programm bezahlen, wer will. Und wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk wirklich so gut ist, wie seine Hierarchen behaupten, so „quicklebendig“, wie der Theologe Reimers erkannt haben will, dann dürfte ja mehr Geld über ein freiwilliges Streaming-, als über ein Zwangsabgabemodell in die Sendeanstalten fließen. So hat es jedenfalls den Anschein, dass sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk nur noch durch den äußersten Zwang aufrechterhalten lässt.
Mag auch Intendant Knuth sich schneller als jedes Rad im Wind drehen, um einen Kulturwandel nach dem anderen auszurufen. Es hilft nichts, denn auch Windräder drehen sich nur im Kreise.