Tichys Einblick
Schröder als Putins Laufbursche

Nawalny und die schwärende Wunde der SPD

Der gerade knapp einem Mordanschlag des russischen Geheimdienstes entgangene prominente Putin-Gegner Alexei Nawalny hat den Finger in eine nicht heilen wollende Wunde der SPD gelegt: Gerhard Schröders Rolle in Putins Reich.

Gerhard Schröder und Wladimir Putin

imago images / ITAR-TASS

Manchmal ist es notwendig, von außen auf üble Zustände im eigenen Haus hingewiesen zu werden. Man wusste zwar vorher schon, dass es in einem Teil der Wohnung eine übelriechende Ecke gibt, aber man machte darum, wann immer es ging, einen großen Bogen. Jedesmal, wenn Besuch kam, aber auch engste Freunde, ja Mitbewohner, die die Nase rümpften, war man froh, dass Stillschweigen und Darüberhinwegsehen obsiegte.

Etwa so muss es schon seit längerer Zeit der einst so stolzen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) gehen. Mit Wucht hat jetzt der gerade knapp einem Mordanschlag des russischen Geheimdienstes entgangene prominente Putin-Gegner Alexei Nawalny den Finger in eine wohl niemals heilende Wunde am Körper der Genossen gelegt. Wie weh muss es aufrechten Sozialdemokraten alter Schule tun, von denen es freilich nur noch wenige gibt, wie sehr muss es schmerzen, wenn ihr einst so populärer Kanzler, Gerhard Schröder, als Laufbursche des russischen Neozaren Wladimir Putin bezeichnet wird.

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Nicht erst im Fall Nawalny hat Schröder gezeigt, wie weit er sich von den Idealen seiner Partei entfernt hat. Schon früher hat er seinen Freund Putin „als lupenreinen Demokraten“ bezeichnet und während er mehrfach für alle sichtbar gefälschte Wahlen als frei und offen lobte, jeden Kritiker der Putin-Oligarchie verächtlich und herablassend gedemüdigt. Menschlich mag man das ja verstehen. Jeder hat bekanntlich seine eigenen Maßstäbe für Anstand, Charakterstärke, Aufrichtigkeit und Prinzipien. Nur mit dem Selbstverständnis, das die SPD bis heute immer wieder zelebriert, hat das nichts zu tun. Schröder selbst ist vom vaterlos groß gewordenen Arbeiterkind an die Spitze der Machtpyramide aufgestiegen – mit enormen, für die meisten Menschen gar nicht vorstellbaren Privilegien inmitten einer Welt des Elends. Doch der Preis dafür ist hoch. Nicht wenige an der SPD-Basis wissen das und rümpfen verschämt die Nase. Der Mut aber zu Wahrheit und Bekenntnis fehlt auch ihnen.

Dem Ganzen die Krone setzten jetzt Schröders Einlassungen zum Mordanschlag auf Nawalny auf. Völlig unbekümmert nahm er die Lügen des Kreml auf, bestritt jede Art der Mittäterschaft Russlands und unterstellte damit die abenteuerliche Behauptung des Kreml, Nawalny sei wohl erst in Deutschland vergiftet worden – übrigens in trauter Gemeinsamkeit mit AfD und Linkspartei. Ein größerer Verrat eines ehemaligen Bundeskanzlers der Bundesrepublik an seinem eigenen Land ist kaum vorstellbar. Doch die SPD-Führung und auch das öffentliche Deutschland schweigen. Wie erbärmlich und bedenklich.

Für den Kreml besteht die eigentliche unbezahlbare Leistung Schröders in der zu seiner Regierungszeit und von ihm vorangetriebenen Einfädelung des Gas-Deals mit Russland, der Deutschland abhängig machte, im Ergebnis in Europa isoliert und von den USA entfremdet hat.

Wie banal nehmen sich im Vergleich dazu die Thesen des aus der SPD ausgeschlossenen ehemaligen Berliner Finanzsenators Thilo Sarrazin aus. Man mag seine Ansichten teilen oder auch nicht. Am Erbgut der SPD aber hat er sich nicht versündigt. Immer hatte diese einst so große Partei kritische Geister in ihren eigenen Reihen und durchlebte erbitterte Auseinandersetzungen – man gehe zurück zu Bernstein und Kautsky in den Gründerjahren der Partei. Auch unter Kurt Schumacher oder Willi Brandt hätte es so etwas nicht gegeben. Freilich hatten es diese auch noch nicht mit Schröder‘schen Verhaltensweisen zu tun. Scholz und Genossen sollten dem russischen Freiheitskämpfer Nawalny dankbar sein. Die Hoffnung auf Einsicht ist aber wohl nicht gegeben.

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