Tichys Einblick
Das System, das sie nutzt, war vor ihr da

Nach Merkel fängt die Arbeit erst an

Auch, wenn Merkel gehen wird: Die Probleme bleiben, und die Strukturen, die sie möglich machten, ebenso. Was werden Sie am Tag 1 nach Merkel unternehmen?

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Der forsche Volker Kauder war 13 Jahre lang Fraktionsvorsitzender der CDU-CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag. Er galt als Merkelianer jenseits der Grenze zur Selbstaufgabe.

Wenige trugen an den verheerendsten Entwicklungen der letzten Jahre so viel Schuld wie Kauder. Wenn man erklären wollte, warum Menschen sich von der Politik abwenden, müsste man nur Volker Kauder anführen. Wer ihn in Debatten erlebte, sah einen Menschen mit wenig Respekt vor dem demokratischen Gegner – oder der demokratischen Debatte an sich. Kauder setzte sich gegen ein Gesetz ein, das Korruption bei Abgeordneten verhindern sollte (sueddeutsche.de, 8.4.2013). In seinem Wahlkreis ist das Rüstungsunternehmen Heckler & Koch (tagesschau.de, 22.5.2018) und er wurde schon mal deren »Fürsprecher« genannt (zeit.de, 3.5.2007). Doch Kauder war treu, endlos treu, und wenn einer es wagte, Merkel zu kritisieren, warf Kauder ihm eben »parteischädigendes Verhalten« vor (spiegel.de, 17.2.2016). Man könnte die Liste fortführen.

Am Dienstag, den 25. September 2018 verlor Volker Kauder recht überraschend eine »Kampfabstimmung« zum Fraktionsvorsitzenden mit 125 zu 112 Stimmen. Es ist kein »Erdrutschsieg«, es ist eine eher knappe Wahl und fast ein Hinweis auf eine Spaltung in der Fraktion.

Volkers Abwahl, ob sie nun knapp war oder nicht, ist heute ein Zeichen der Hoffnung für viele Bürger. Ein Raunen geht durch Deutschland. Roland Tichy titelt: »Keine Ohrfeige für Merkel – ein knallhartes Misstrauensvotum«.

Der »Neue«, ist 50 Jahre alt, heißt Ralph Brinkhaus, und sagt manchmal ganz kluge Dinge, etwa: »Wir können die Gräben in der Gesellschaft nicht mit Haushaltsmitteln zuschütten.« (siehe z.B. zeit.de, 23.9.2018) – Das ist eine kluge Erkenntnis; »der große Graben« ist auch ein Thema, das mich viel beschäftigt, siehe etwa »Eine Brücke über den großen Graben« oder »Das Land zerbricht«.

Menschen schöpfen heute Hoffnung, und das ist schön. Erst gestern schrieb ich im Text »Zeige mir eine lügende Regierung und ich zeige dir ein ausgeraubtes Land« von der »Merkel-Abstrafung« durch Wahlen, und es ist ohne Zweifel ein sehr gutes Zeichen, dass eine solche Abstrafung durch die Abgeordneten selbst stattgefunden hat.

Einer muss es ja tun, also erlauben Sie mir, ein wenig Wasser in den Wein auch meiner eigenen Merkel-muss-weg-Euphorie zu gießen!

Ja, Merkel hat Leid über Deutschland gebracht und kaum ein deutschen Politiker der Nachkriegsgeschichte trägt so viel Schuld wie sie und ihre Helfer. Selbstverständlich wird es ein Festtag sein, wenn sie geht, doch wir sollten schon jetzt zwei Dinge bedenken:

  1. Die riesigen Probleme, die Merkel dem Land und dem Kontinent aufbürdete, sind ja noch immer da, wenn das System Merkel untergeht.
  2. Die Strukturen, psychologisch wie organisatorisch, die Merkel möglich machten, sind ebenfalls weiter da.

Der Acker, auf dem eine Merkel sich einpflanzen und so lange gedeihen konnte, ist ja weiterhin derselbe Acker, wenn sie geht.

»Merkel muss weg«, ruft es aus allen Ecken der Republik, auch von meiner Seite, doch wenn sie weg ist, dann sind ja noch immer die Mitläufer und Machtzutzler da, die Merkel erst möglich machten.

Merkel konnte sich an der Macht halten, weil sie Denkschwächen nutzte, welche die 68er dem Land beigebracht hatten. Bis zuletzt versuchte sie durch Appelle ans Gefühl die selbsterhaltende Ratio auszuschalten, bis zuletzt versuchten sie und ihre Helfer selbst die dümmsten Fehler, die zum Schaden von Land, Volk und Demokratie beschlossen (oder ad hoc entschieden) wurden, mit Moralin und Propaganda als »alternativlos« (wie auch immer man es formuliert) durchzudrücken.

Was nützt es, dass ein Merkeldiener in seiner Funktion als Fraktionschef abgewählt wurde, wenn all die anderen Willfährigen weiter in Amt, Würden und Redaktionssesseln sind? Und selbst wenn sie alle gingen, so sind in den Schulen weiterhin linksgrüne Lehrer installiert, welche die Kinder zu Gefühl statt zu Verstand erziehen, so sitzen in den Redaktionen weiterhin linksgrüne Medienprofis, welche die Verführbaren lehren, sich selbst zu hassen und die Ideologie zu lieben.

Merkel muss weg, doch Merkel ist noch nicht weg. Und wenn Merkel eines Tages endlich aus der Politik weg ist samt ihrer Helfer, dann fängt die Arbeit erst an.

Im Text »Trümmerfrauen nach dem Merkelsturz« schrieb ich:

Wenn es daran geht, die Ordnung wiederherzustellen, welche Werte werden uns leiten? Ja, Merkel muss weg. Der Himmel möge es geben, dass auf sie kein Merkel-Klon folgt. Doch wenn sie endlich weg ist, und wenn es daran geht, nach ihr aufzuräumen, welche Werte werden uns leiten?

Wenn ein Auto gegen die Wand fährt, dann ist natürlich die Wand das erste und entscheidende Problem. Doch nach dem Aufprall, falls man den Aufprall überlebt, hat man zwei andere Probleme: 1.: Wie lässt sich der Schaden an Mensch und Material beseitigen? Und 2.: Wir müssen feststellen, wie es zum Unfall kommen konnte und wie es in Zukunft zu vermeiden ist.

Wenn Merkel geht – es wird ein guter Tag für Sekthersteller sein! – dann sind zwei Fragen zu beantworten: 1.: Was soll und kann das Land tun, um die Schäden und Verwerfungen zugleich menschenfreundlich und wirksam zu beheben? Und 2.: Wie kann Deutschland verhindern, dass so bald eine zweite Merkel passiert?

Vergesst Merkel! Denkt darüber nach, was nach Merkel ist.

»Immer wieder geht die Sonne auf«, singt Udo Jürgens, »denn Dunkelheit für immer gibt es nicht.«

Wenn Merkel geht, werden Sie und ich und Millionen Menschen feiern. Was aber werden Sie am Tag nach dem Merkelsturz tun?

Deutschland sollte sich einen Plan für den Tag nach Merkel zurechtlegen. Deutschland sollte seine »relevanten Strukturen« kennen.

Macht euch einen Plan für Tag 1 nach Merkel, es könnte schneller gehen, als wir heute zu hoffen wagen!


Dieser Beitrag erschien zuerst auf dushanwegner.com.

Dushan Wegner (geb. 1974 in Tschechien, Mag. Philosophie 2008 in Köln) pendelt als Publizist zwischen Berlin, Bayern und den Kanaren. In seinem Buch „Relevante Strukturen“ erklärt Wegner, wie er ethische Vorhersagen trifft und warum Glück immer Ordnung braucht.

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