Tichys Einblick
Rainer Wendt kritisiert Doppelmoral

Nach Herzgeste auf Kasseler Demo: “Selbstverständlich wird mit zweierlei Maß gemessen”

Auf der Kasseler Demo soll eine Polizistin Sympathien für die Proteste bekundet haben. Nun verurteilt Rainer Wendt den Doppelstandard, den manche auf den Vorfall anlegen. Erwünscht sei nur ein Zeichen, wenn es dem politischen Mainstream entspreche, sagt der Polizei-Gewerkschaftschef. Von Elias Huber

IMAGO / Christian Ditsch

Am vergangenen Samstag soll eine Polizistin das Neutralitätsgebot verletzt haben. Ein Foto zeigt die Beamtin neben Demonstranten, wie sie mit ihren Händen ein Herz formt. Laut einem Bericht der Welt prüft die Polizei dienstrechtliche Konsequenzen.
Nun bezichtigt Rainer Wendt die Kritiker der Polizistin der Doppelmoral.

“Selbstverständlich wird mit zweierlei Maß gemessen”, sagt der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft gegenüber Tichys Einblick. Wendt fährt fort: “Ob es Polizeikräfte, Künstler oder sonstwer ist, jeder darf alle Zeichen setzen, gerne auch öffentlich, wenn sie nur dem politischen Mainstream entsprechen.” Alles andere werde rigoros bekämpft und verfolgt, notfalls werde den Betroffenen ohne jegliche Beweise unlauteres Verhalten unterstellt.

Der Gewerkschaftschef betont zudem, dass unklar sei, wem die Herzgeste gelte. Vielleicht habe die Polizistin ihre Freundin oder Schwester gesehen, sagt Wendt. “Jedenfalls hätte die Kollegin es leichter, wenn sie erklärt, dass es sich um den missglückten Versuch einer Raute handelte, mit dem sie ihre Solidarität mit der Kanzlerin ausdrücken wollte, dann würde sie vermutlich gefeiert werden”, meint Wendt. Leider sei es aus der Mode gekommen, Polizisten zu fragen, warum sie etwas tun – in den sozialen Netzwerken würden Aktivisten, Politik und manche Medien ruckzuck Urteile fällen. Zum Glück arbeite die Polizei nicht so, die nun mit der Beamtin spreche – gemäß dem Rechtsgrundsatz des Anspruchs auf Gehör, erklärt der vormalige Polizist.

Bodo Ramelow hatte auf Twitter von einem “verstörenden Foto” gesprochen. Die Polizistin “solidarisiert sich mit dieser Demonstrantin, die offensichtlich gegen die gerichtlichen Auflagen verstößt, die AHA-Regeln missachtet und den Schutz vor der Pandemie als Wahnsinn bezeichnet”, schrieb der Thüringer Ministerpräsident. Auch ein CDU-Lokalpolitiker urteilte auf Twitter: “Es ist widerlich, wenn sich Exekutive mit intellektueller Unterschicht verbrüdert. Da bekomme ich Angst um das demokratische und kultivierte Deutschland”.

Laut der Welt prüft die Polizei gerade, ob die Geste Konsequenzen haben wird. Das sagte Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) am Donnerstag im Innenausschuss des Wiesbadener Landtags. Die Beamtin aus Osthessen habe sich selbst gemeldet.
Bereits am Sonntag hatte der Querdenker-Anwalt Markus Haintz gegenüber Tichys Einblick ein Disziplinarverfahren befürchtet. “Offenbar messen Politik und Medien mit zweierlei Maß: Als sich bei den Black-Lives-Matter-Demos Polizisten aus Solidarität hinknieten, hat es meines Wissens – zu Recht – keinen medialen Aufschrei oder ein Disziplinarverfahren gegeben”, sagte der Maßnahmen-Kritiker.

Der Kniefall auf der BLM-Demo ereignete sich im vergangenen Juni in Köln. Laut einem Bericht von t-online leitete die dortige Polizei damals kein Disziplinarverfahren ein. Eine Sprecherin der Polizei sagte seinerzeit, mit den betreffenden Beamten der Bereitschaftspolizei werde nochmals gesprochen. “Weitere Folgen hat ihre Geste aber offenbar nicht”, schrieb t-online. Zudem sagte die Sprecherin, die Reaktion der Beamten sei sehr spontan und menschlich gewesen, und stellte fest: “Für die Polizei gilt aber bei allen Maßnahmen, nicht nur im Rahmen von Versammlungen, die Neutralitätspflicht.”

Auch Oliver von Dobrowolski, Bundesvorsitzender des Vereins Polizei Grün, äußerte damals Verständnis. “Es handelt sich um eine Geste des Mitgefühls und der Solidarität mit Werten, die berufsimmanent sein müssen.” Solche Gesten anlässlich einer themenbezogenen Veranstaltung und in einer ruhigen polizeilichen Lage seien durchaus geeignet, ein wichtiges und positives Signal zu setzen. Laut t-online sah Dombrowski keinen Konflikt mit dem Neutralitätsgebot.

Das Foto aus Kassel zeigt eine Beamtin mit Mund-Nasen-Schutz, die mit den Händen ein Herzsymbol formt und dabei in die Kamera lächelt. Neben der jungen Frau steht eine Demonstrantin ohne Maske, deren Hand auf dem Rücken der Polizistin liegt. Die Demonstrantin trägt ein Plakat mit der Aufschrift “Schützt unsere Kinder vor diesem Wahnsinn!”. Wie das Foto zustande gekommen ist, ist allerdings unklar.

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