Wie das Land, so der Fußball. Wirklichkeitsverweigerung, Agieren in Traumwelten und das Walten weltfremder Funktionäre machen wenig Hoffnung, dass die Krise der deutschen Nationalmannschaft rasch überwunden werden kann. DFB-Präsident Reinhard Grindel besitzt laut SPIEGEL „keinen Draht zur sportlichen Leitung, zu Spielern“, wie auch Angela Merkel nur noch Kontakt zu ihrer Entourage und zu Jean-Claude Juncker zu unterhalten scheint, den sie als Präsidenten der Europäischen Kommission möglicherweise beerben möchte – anders ließ es sich nicht erklären, weshalb sie Jens Weidmann als Nachfolger von „Super Mario“ Draghi faktisch verhindert. Der Vorteil bestünde für sie darin, der deutschen Misere zu entkommen, für die sie maßgeblich Verantwortung trägt.
Wenn für die Medien ein Treffen der Bundeskanzlerin mit Bürgern stattfindet, so sind es ausschließlich handverlesen „ausgesuchte“ Bürger, mit denen die Bundekanzlerin diskutiert. Das erinnert mich daran, dass in meiner Kindheit einmal der Staatsratsvorsitzende durch unsere Stadt mit ihren bröckelnden und grauen Fassaden fahren sollte, ein Anblick, der dem mächtigsten Mann im Staat nicht zuzumuten war. Also beschloss man, den Fassaden einen Anstrich zu gönnen, allerdings auf Kostengründen nur den ersten beiden Etagen, denn mehr konnte der greise Staatschef im Vorbeifahren, wenn sein Blick doch einmal aus dem Fenster des Autos fallen sollte, nicht sehen. Die oberen Etagen blieben in ihrem traurigen grauen Zustand. Dass der Staats- und Parteichef einen anderen Eindruck von meiner Heimatstadt hatte als ihre Bewohner, ist evident.
Die Mauer in der Mannschaft
Welche Sicht hat Angela Merkel auf das Land, hat der ehemalige CDU-Bundestagsgeordnete Reinhard Grindel auf den DFB und auf „Die Mannschaft“?
Wie andere auch, schrieb ich, dass ich zur WM im Sommer auf dem Fußballfeld keine Mannschaft, schon gar nicht „Die Mannschaft“ gesehen habe, von einer Nationalelf ganz zu schweigen. Nun unterfüttert der SPIEGEL den Eindruck mit Fakten. In einer Reportage, wie sie im einstigen Nachrichtenmagazin inzwischen zur Seltenheit geworden ist, enthüllt das Magazin, dass in der „Mannschaft“ eine „große Trennlinie“ existiere. Auf der einen Seite stünden Spieler mit Migrationshintergrund, die sich selbst als „Ausländer“ und „Kanaken“ bezeichnen und nicht etwa von Deutschen ohne Migrationshintergrund als solche rassistisch bezeichnet werden, die aber andere, nämlich die deutschen Spieler als „Kartoffeln“ verspotten. Auf der einen Seite stünden also Spieler wie Mesut Özil, Jérome Boateng, Ilkay Gündogan, Leroy Sané, Antonio Rüdiger und Julian Draxler, der sich gern dieser Gruppe anschlösse und dafür auch verspottet werden würde wie in einem Instagram-Kommentar von Boatengs Halbbruder George, als „Dieser eine Deutsche, der immer mit Ausländern abhängt“.
Nimmt man das ernst, dann entsteht der Anschein, dass diese Spieler sich nicht mit Deutschland identifizieren, denn wieso bezeichnen sich deutsche Staatsangehörige, die übrigens Deutschland ihr Millionenvermögen verdanken, oder genauer jedem deutschen Steuerzahler, auch denen, die in zwei Jobs rackern und dennoch kaum über dem Hartz-IV-Satz liegen, als „Ausländer“, als „Kanaken“? Im Aussagekontext wird der „Ausländer“, der „Kanake“ zu demjenigen, der weit über jeder „Kartoffel“, weit über jedem „Deutschen“ steht, weit über deutschen Spielern ohne Migrationshintergrund, die sich nicht in die Pose des Aushilfsrappers werfen, nicht mit schweren Goldketten herumlaufen und nicht unbedingt schnelle und teure Autos sammeln. Der Einwand, dass nicht der deutsche Bürger, obwohl er über Gebühren für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und über Steuern – man denke nur an Merkels Geldgeschenke – seinen Teil dazu beiträgt, allein den Reichtum der Spieler ermöglicht, weil sie in ausländischen Klubs spielen, trifft nicht vollumfänglich zu, denn über die Target-2-Salden finanzieren die Deutschen auch die wahnwitzigen Ablösesummen und bspw. die bankrotten spanischen Vereine mit. Das wäre im Übrigen eine eigene Studie wert.
Der Mannschaft den Stecker gezogen
In allen Ländern dürften Nationalspieler, die nur zu sportlichen Wettkämpfen, in denen Staaten gegeneinander antreten, zusammenkommen und ansonsten international in Profi-Klubs spielen, „Ich-AGs“ sein. Das gehört zum Fußballgeschäft, wie es inzwischen ist, weit mehr Geschäft als Fußball.
Umso mehr benötigt eine kurzeitige Gemeinschaft wie eine Fußball-Nationalelf etwas Verbindendes, etwas Integrierendes, einen Motor, der alle gleichstark antreibt. Nimmt man die Recherche-Ergebnisse des SPIEGELs ernst, die eine solide Erklärung für das WM-Desaster bieten, dann wird deutlich, dass die Umbenennung der deutschen Elf von Nationalmannschaft in „Die Mannschaft“ im Grunde nur den Ist-Zustand wiedergibt. Unvergessen ist die Szene auf der Siegesfeier der CDU nach der Bundestagswahl 2013, in der eine sichtlich angewiderte deutsche Bundeskanzlerin dem damaligen Generalsekretär der CDU ein Deutschland-Fähnchen aus der Hand riss und es von der Bühne entsorgte. Wenn bereits die deutsche Regierungschefin eine so große Abneigung gegen die deutsche Flagge verspürt, deren Farben übrigens die Tradition der deutschen Demokratie versinnbildlichen, dann kann man den Spielern der Mannschaft nicht ein mangelndes Bewusstsein, für eben jene Demokratie anzutreten, vorwerfen. Was sollte dann aber, weitergefragt, die selbsternannten „Ausländer“ und „Kanaken“ und die von ihnen so bezeichneten „Kartoffeln“ verbinden? Was sollte sie vereinen? Wofür sollen sie gemeinsam kämpfen? Was ist das Integrierende?
Die Mannschaft als Musterbeispiel misslungener Integration
Immer wieder wurden als Paradebeispiele für gelungene Integration der Fußball und insbesondere „Die Mannschaft“ herausgestellt. Nach all dem, was nun ans Licht kommt, scheint „Die Mannschaft“ im Gegenteil das Musterbeispiel misslungener Integration zu liefern, einer misslungenen Integration, wie man sie überall in Deutschland ähnlich und weitaus drastischer in der Kriminalität libanesischer Clans sieht, im zunehmenden arabischen Antisemitismus, im täglichen Mobbing und der Bedrohung von Schülern, von Kindern, auf Schulhöfen und in Klassenzimmern, weil sie „Kartoffeln“, weil sie christlichen oder jüdischen Glaubens sind oder weil sie trotz türkischen oder arabischen Migrationshintergrund die muslimischen Regeln bis hin zum Kopftuchtragen nicht einhalten.
Mesut Özil, dessen Präsident Tayyip Recep Erdogan ist und der sich weigert, die deutsche Nationalhymne zu singen, schmettert die Kritik an seiner sportlichen Leistung ab, indem er den Kritikern Rassismus vorwirft. Dass dieser Vorwurf von Politikern der Grünen und der SPD, bis hin zur Justizministerin kritiklos aufgenommen wurde, lässt vermuten, dass die Definition von Rassismus inzwischen um folgendem Passus erweitert wurde: „Rassismus kann nur von Deutschen ohne Migrationshintergrund ausgehen, niemals jedoch von Deutschen mit Migrationshintergrund.“ Wie man sieht, führt der inflationäre Gebrauch des Rassismusvorwurfs zur Entwertung des Begriffs, was ein seriöses Problem darstellt, denn gegen wirklichen Rassismus ist in der Tat jederzeit Stellung zu beziehen, nicht aber in seiner Instrumentalisierung als Mittel in der Verteidigungsstrategie eines Fußballers, um von seinen fußballerischen Minderleistungen abzulenken.
Wenn sich schon Fragen beim Musterbeispiel für gelungene Integration stellen, wie sieht es dann erst mit der Integration von Migranten aus, die seit 2015 in großer Zahl nach Deutschland einwandern? Es wird Zeit, drängende Frage zu beantworten: in welchem Deutschland wollen wir leben, wen wollen wir integrieren und worein? Wo liegen die Grenzen in der Integrationsmöglichkeit und –fähigkeit?
Was ist die Mannschaft, was die Nation?
Im russischen Kasan wurde Multikulti vom Fußballplatz gefegt. Zurück blieb der traurige Anblick einer zerrissenen und gespaltenen Mannschaft. So wie auf die Mannschaft wollen wir nicht eines Tages auf Deutschland schauen müssen. Wenn die Grünen in ihrer Hybris, nun auch den Begriff der Nation für sich zu reklamieren suchen und ihnen dazu nur einfällt: „Die Grenze zwischen demokratischem Streit um Mehrheiten und undemokratischer Hetze verläuft da, wo Grundrechte missachtet werden, wo Würde, Freiheit, Gleichheit nicht mehr gelten, wo der Grund und Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung verlassen wird“, reden sie am Thema vorbei, dann zeigen sie, wie fremd und verhasst ihnen dieser Begriff in Wahrheit ist, wie taktisch motiviert ihr Interesse. Dass sie unter „Nation“ nur eine Propagandahülse verstehen, offenbaren sie, wenn sie „Volk“ als nicht unschuldigen Begriff bezeichnen. So reden nur Zensoren, nur Beamte eines Wahrheitsministeriums, denn Menschen werden schuldig, nicht aber Begriffe. Die Grünen und die mit ihnen einige Bundeskanzlerin müssten einmal erklären, was eine Nation ohne Volk sein soll. Eine Strafkolonie? Eine Besserungsanstalt? Mit Insassen oder Zöglingen? Die Grünen berufen sich auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung und auf das Grundgesetz. Missachten sie es nicht, wenn sie Volk als einen nicht unschuldigen Begriff schmähen? Sie müssten erklären, weshalb sich unser Grundgesetz, wie jeder in der Präambel nachlesen kann, von einem „nicht unschuldigen“, also schuldigen Begriff wie Volk, schlimmer noch von dem in Versalien gedruckten „Deutschen Volk“ herleitet, wie das Grundgesetz und die freiheitlich-demokratische Grundordnung eben von jenem Deutschen Volk seine Legitimität beziehen kann.
Die eigentliche Frage lautet doch, was verstehen wir heute und in Zukunft unter dem deutschen Volk. Zur Voraussetzung der Beantwortung dieser Frage gehört es, Farbe zu bekennen. Die Mannschaft, soviel ist sicher, hilft uns derzeit nicht dabei, denn dem Wunder von Bern steht das Fiasko von Kasan entgegen.