Tichys Einblick
"Ultimative techno-autoritäre Fantasie"

Elon Musk – Beherrscher der Welt

ÖRR, Spiegel und auch der US-amerikanische Atlantic überschlagen sich mit Polemiken, demnach Donald Trump von Elon Musk nur ausgenutzt werde, um als eine Art „König der Welt“ die liberale Demokratie zu zerstören. Er ist das eigentliche Feindbild der Massenmedien geworden. Dabei bewegt Musk etwas ganz anderes.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Matt Rourke

Elon Musk hat sich nicht erst mit der Übernahme von X zum eigentlichen Antagonisten der Medienwelt gemausert. Als Big-Tech-Vertreter wird er auch als eigentlicher Feind der Demokratie dargestellt – so von der Stiftung Mercator und den ihr anhängenden NGOs. Nicht mehr Donald Trump, sondern der vermeintliche Königsmacher steht im Vordergrund. Während Trump nach seiner zweiten Amtszeit aus dem Tagesgeschäft schwinden dürfte, bleibt Musk mit seinem ökonomischen und medialen Imperium bestehen.

Auch das dürfte ein Grund sein, warum Musk so viel gefährlicher erscheint und nunmehr gar als Gefahr für die Demokratie gehandelt wird. Das Narrativ wird zelebriert: Die Meinungsfreiheit bedroht die Meinungsfreiheit. Sie muss reguliert werden. Deshalb ist X eine Gefahr. Es ist der Ruf der Gatekeeper, die ihren medialen Einfluss schwinden sehen, weil nun auch andere Vertreter Falschmeldungen, Fehleinschätzungen oder gar Verschwörungsphantasien in die Welt blasen dürfen.

Die Art und Weise, in der diese Angriffe erfolgen, sind jedoch neu. Der Spiegel zeigt eine Two-Face-Collage mit Trump und Musk unter der Überschrift „Der Staatsfeind Nummer zwei“ – eine mindestens irritierende Schlagzeile, erscheint doch Musk als deutlich gefährlicher als Trump. Das macht schon der Vorspann deutlich: „Elon Musk gehören mächtige Firmen, Raketen, Satelliten, das Netzwerk X. Nun nimmt er gemeinsam mit Donald Trump sein größtes Projekt ins Visier: die Zersetzung der liberalen Demokratie.“

Auch das ZDF treibt die Elon-Musk-Festspiele an. Dort dürfen gleich mehrere Experten sprechen, deren Psychogramme kein Superlativ aussparen. „Musk trägt dazu bei, rassistische Verschwörungstheorien zu verbreiten und dabei vor allem weiße Männer anzusprechen“, sagt Sophie Bjork-James von der Vanderbilt University, sein Einfluss gründe sich auf Geld. Noch weiter geht Mark Hass von der Arizona State University: Ein Hightech-Unternehmer mit unermesslichem Reichtum, großem medialen Einfluss und autoritären Tendenzen sei auf den Plan getreten, um „König der Welt“ zu werden.

Unter der Weltherrschaft macht es Elon Musk also nicht. Auch auf der anderen Seite des Atlantiks entwickelt sich ein ähnliches Narrativ. Musk, der bisher als Trumpfkarte der Republikaner galt, soll nunmehr so schlechtgeredet werden, dass er offenbar Mühlstein im Wahlkampf werden soll. The Atlantic nennt Donald Trump gar sein Trojanisches Pferd, um seine Pläne durchsetzen zu können. Die bestünden in einer Privatisierung der Verwaltung, de facto eine Auflösung der Bundesregierung. Kurz gesagt: eine libertäre Umgestaltung der USA, um seine „ultimative techno-autoritäre Fantasie“ durchzusetzen.

Die Deutung ist allerdings ein Narrativ, das Musk selbst spielt: Musk gegen den Staat. Die Grundfrage läuft darauf hinaus, ob der Unternehmer oder der Staat der benevolente „Mitspieler“ ist. In der Frage sind auch die Massenmedien nicht einheitlich in ihrer Erzählung. Denn freilich wäre vielleicht ein von US-Democrats oder SPD und Grünen geführter Staat benevolent, nicht aber etwa der von Giorgia Meloni geführte italienische Staat oder das ungarische Pendant von Viktor Orbán. Auf der anderen Seite ist die Kritik an Mega-Milliardären wie Bill Gates eher verhalten, seine Aktionen stets dem Allgemeinwohl dienlich wie jene von George Soros.

Längst ist es nicht mehr Meinung, sondern Wahrheit, dass etwa, wer Gates oder Soros kritisiert, in den Aktenschrank der Verschwörungstheorien gehört, zugleich zu den autoritären Verfassungsfeinden zählt, der etwa das italienisch-ungarische gegenüber dem amerikanisch-deutschen Modell bevorzugt; aus welchen Gründen auch immer. Eine weitaus größere Herausforderung hat bisher darin bestanden, den a priori anti-autoritären Libertarismus zu einer autoritären Ideologie zu erklären, aber in dem Fall hat die schon aus Sokrates Zeiten bekannte, permanente Diffamierung ihre Früchte getragen.

Es steht außer Frage, dass ein libertärer Unternehmer wie Elon Musk oder ein libertärer Präsident wie Javier Milei autoritäres Gedankengut hegen können. Schwieriger ist es aber, einen libertär geformten Staat autoritär zu machen. Ein schlanker Staat hat nicht das Potenzial, so hart durchzugreifen wie ein von unzähligen Technokraten, Regularien und Verordnungen beherrschter Apparat, der das Leben jedes Einzelnen genau durchplanen und regeln will. Diejenigen, die aber am liebsten regulieren wollen, die Freiheiten beschränken und im Namen einer diffusen „Mehrheit“ für sich das Recht herausnehmen, wie das Zusammenleben funktioniert, sind aber nicht Musk oder Milei. Es sind jene, die behaupten, nur durch mehr Regulationen könnte man diesen Faschisten im Schafsgewand beikommen.

Das erschüttert das gewobene Narrativ massiv, dass die von beiden Seiten herbeigerufene Machtergreifung tatsächlich von Elon Musk und nicht eher denjenigen ausgeht, die ihn bekämpfen. Dazu kommen zahlreiche Paradoxa, die der Atlantic-Artikel richtig analysiert, aber falsch deutet. Der Kniff, dass Musk gegen den Staat angeht, ist deswegen für ihn so förderlich, weil es einige Probleme und Heucheleien überschattet. Denn Elon Musk braucht den Staat; und der Staat braucht Elon Musk.

Stichwort Tesla. International wäre der E-Auto-Hersteller so gut wie gar nicht existenzfähig, gäbe es keine CO2-Zertifikate; die wären ohne das historische Kyoto-Protokoll und die Konsequenzen gar nicht in dieser Form entstanden. 1,8 Milliarden Dollar nahm Tesla letztes Jahr über die Zertifikate ein. Dazu kommen weltweit Subventionen für E-Autos, ob nun direkt oder über Steuervergünstigungen, sowie Subventionen für den Ausbau von E-Stationen. Wären die Staaten der Welt tatsächlich so libertär wie Musk es sich vorstellt oder Medien es von ihm behaupten, dann würde Tesla in dieser Art und Weise kollabieren.

Nicht anders sieht es mit SpaceX aus, das mit Verträgen an die NASA gebunden ist und daher ebenfalls massiv von der vorhandenen staatlichen Infrastruktur sowie dem Staat als Geschäftspartner profitiert. Die ersten Aufträge erhielt SpaceX dabei 2008. Die Pionierphase fällt also in die Obama-Ära. Es ist nicht verwunderlich, dass Musk über sich selbst sagt, dass er in den 2000er Jahren den Demokraten nahe stand. Aber das tat der New Yorker Donald Trump in den 1980ern auch. Liegt es wirklich daran, dass sich Musk und Trump so sehr verändert haben?

Daraus folgt als Schluss nicht die Übermächtigkeit von Elon Musk, sondern eher eine gewisse Verletzlichkeit. Gleich zwei Stützbeine sind massiv an staatliche Unterstützung gebunden. Man kann daher die Einmischung in die Politik als „Expansion“ verstehen. Unter den Vorzeichen der globalen Anti-Musk-Bewegung können sie aber auch gleichfalls als Besitzstandwahrung ausgelegt werden.

Dadurch, dass die Republikaner etwa durch Musk auf einen freundlichen Kurs für Elektro-Autos gezwungen werden, dürfte es anschließend keine oppositionelle Kraft mehr geben, die Tesla gefährlich wird – die Demokraten sind qua Programm Anhänger des Klimaprojekts und werden sich kaum gegen E-Fahrzeuge stemmen. Das sah bei Trump und seinen Vorgängern früher anders aus.

Das alles spricht dafür, das Musk in erster Linie auch nur ein Spieler im Krieg der Milliardäre ist, mit dem Unterschied, dass er derzeit eher dem konservativen Lager nützlich ist. Warum andere Big-Tech-Vertreter wie Alphabet, Meta, Apple, Amazon und Microsoft nicht im Fadenkreuz stehen, kann man sich dann auch kaum anders erklären. Auf der einen Seite stehen geldgierige Größenwahnsinnige, auf der anderen noble Philanthropen. Milliardäre mit gigantischen Stiftungsprojekten und NGO-Anhang haben natürlich nur Interessen, die dem Gemeinwohl nützlich sind.

Um aber eine Persönlichkeit zu verstehen, muss man ihr eigentliches Motiv herausfinden. Dieses Motiv, diese Priorität, der Musk alles unterordnet, ist die Besiedlung des Mars. Das hat er immer und immer wiederholt. Das mag der eigentliche Größenwahn sein, der den Tech-Milliardär auszeichnet: dass jede Investition über Umwege dazu führen soll, dass die Menschheit eines Tages mehr als nur einen Planeten besiedelt.

Von seinen politischen Theorien haben wir dagegen bisher wenig gehört. Sie folgen offenbar pragmatisch seinen eigentlichen Ideen. Dabei gibt es deutlich beunruhigendere Felder, bei denen Musk frei ausgesprochen hat, was er vorhat – und die betreffen nicht eine imaginäre Aushöhlung der liberalen Demokratie, sondern einen mal latenten, mal offenen Transhumanismus, von dem sich Musk immer noch nicht komplett lossagen konnte.

Die Idee, Mensch und KI über einen Chip zu verbinden, sollte deutlich mehr aufhorchen lassen als kurzfristige Wahlankündigungen oder Regierungsbeteiligungen. Denn genau das hat Musk mit seiner Firma Neuralink vor. Bereits im Januar verkündete Musk, dass so ein Experiment funktioniert habe.

Die Idee, den Menschen dank neuester Technik aus seinen Grenzen zu reißen, ist nicht neu. Auch deswegen erinnert Musk immer wieder an die großen Visionäre und Tycoons des 19. Jahrhunderts, die mal direkt, mal indirekt die Politik ihrer Länder mitbestimmt haben. Das 19. Jahrhundert ist zugleich das Jahrhundert, das mit der Idee eines „Neuen Menschen“ in verschiedenen ideologischen Spielarten im 20. Jahrhundert massiven Schaden anrichtete.

Dem Streben Musks wohnt ein alteuropäischer, faustischer Kern inne, etwa wenn er zur Eroberung des Mars aufruft und damit Anleihen an die Eroberung der Neuen Welt nimmt; oder, wenn er die Technik zur Kaiserin der Welt macht. Im faustischen Ansatz steckt aber nicht selten der Pakt mit dem Teufel: Die mögliche Manipulation von Körper und Geist ist viel weitreichender als der Kauf einer Internetplattform oder der Sieg eines geächteten US-Präsidenten. Quis ut Deus?


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