Tichys Einblick
Kumpanei statt Kompetenz

München: Vetternwirtschaft in Grün

Was nicht passt, wird passend gemacht: Ein Münchner Ober-Grüner will Kulturreferent werden, doch dafür fehlen ihm schlicht die juristisch vorgeschriebenen Qualifikationen. Also senken SPD und Grüne im Rathaus kurzerhand die seit Jahrzehnten geltenden Mindestanforderungen. Kein Einzelfall.

picture alliance / Wagner | Ulrich Wagner

Wer nichts wird, wird Wirt. So hieß das früher mal. Doch bekanntlich verdient man in der Gastronomie recht schlecht, auch muss man meist viel und zu gottlosen Zeiten arbeiten. Wenn die Kumpels einen trinken gehen, steht man im ungünstigsten Fall gerade selbst hinter dem Tresen und füllt eben jenen Kumpels die Gläser auf.

Seit es die Grünen gibt, steht Menschen mit mangelhafter oder auch gar keiner Qualifikation ein alternativer Karriereweg offen: Berufspolitiker.

Ricarda Lang und Omid Nouripour, beide ohne Studium oder Berufsausbildung, kungelten sich im grünen Kosmos zum Parteivorsitz und in den Bundestag. Auch Emilia Fester, ohne Studium oder Berufsausbildung oder irgendeine Arbeitserfahrung in der Wertschöpfung, verdankt ihren anstrengungslosen Wohlstand und ihr höchst lukratives Abgeordnetenmandat der grünen Partei.

Nun konnte man in jeder politischen Richtung schon immer (und kann es bis heute) mithilfe eines korrekt gefärbten Parteibuchs in Positionen gelangen, in die man sonst sicher nicht gelangt wäre. Aber dass auch Personen einen Job bekommen, für den diesen Personen komplett sämtliche irgendwie zumindest entfernt brauchbaren Fähigkeiten und Erfahrungen fehlen:

Das machen nur die Grünen.

Wenn der Begriff „Spezln-Wirtschaft“ fällt, denkt man in München schon sehr lange nicht mehr an die CSU. Denn die Grünen in Bayerns Landeshauptstadt haben das Verschieben von fachlich völlig ungeeigneten Parteifreunden auf lukrative Ämter gewissermaßen auf eine neue Ebene gehoben.

Jüngstes Beispiel: Florian Roth.

Der 57-Jährige hat, wie Robert Habeck, mal Philosophie studiert. Allerdings schreibt er keine Kinderbücher. Seine Brötchen hat er vor allem als langjährige Teilzeitkraft bei einer städtischen Bildungsberatung verdient. Politisch ging es für Roth schneller voran: Er stieg bei den Grünen auf, wurde in den Stadtrat gewählt und war dort zehn Jahre lang Fraktionsvorsitzender seiner Partei. 2022 setzten die Grünen dann auf jüngeres Personal und wählten sich eine neue Führung.

Als Fraktionsvorsitzender verdiente Roth über 5.000 Euro pro Monat, davon kann man schon ein paar Mal warm essen gehen. Als einfacher Stadtrat in München bekommt er allerdings nur noch knapp 3.000 Euro (was immer noch überrascht angesichts des Umstands, dass die Stadträte formal „ehrenamtlich“ tätig sind – aber das ist eine andere Geschichte).

Die Rückstufung im Einkommen und in der Wichtigkeit will Roth nun nicht einfach hinnehmen. Deshalb hat er an ein paar Strippen gezogen (die er als ehemaliger Fraktionsvorsitzender natürlich bestens kennt): auf dass seine Grünen ihn zu ihrem Kandidaten für den demnächst freiwerdenden Posten des Münchner Kulturreferenten machen. Die Wahlperiode des jetzigen parteilosen Amtsinhabers Anton Biebl endet nämlich im kommenden Sommer. Im Koalitionsvertrag, mit dem SPD und Grüne ihre Zusammenarbeit im Münchner Rathaus besiegelt hatten, wird den Grünen das Vorschlagsrecht für die Referentenposition zugestanden. So weit, so gut. Doch jetzt stellt sich heraus, dass Florian Roth nach geltendem Recht nicht Kulturreferent werden darf.

Denn – wie sagt man das jetzt, ohne die Gefühle von jemandem zu verletzen? – dem Grünen fehlt schlicht die Qualifikation für das Amt.

Die Münchner Stadtverfassung legt fest, dass Referent nur werden kann, wer von der Stadtratsmehrheit gewählt wird UND wer beide juristische Staatsexamen abgelegt oder zumindest mehrere Jahre in einer Führungsposition gearbeitet hat. Ein Fraktionsvorsitz gilt da juristisch nicht. Da drohen die schönen Lebens- und Einkommenspläne des Florian Roth also an schnöden Gesetzen zu zerschellen. Doch was ein echter Grüner ist, der lässt sich von so etwas wie dem geltenden Recht nicht aufhalten.

Am Mittwoch haben Grüne und SPD nun in einer – wohl nicht zufällig nicht-öffentlichen – Sitzung beschlossen, Roth trotzdem zur Wahl zuzulassen. Dafür machen sie den rechtlichen Ausnahmefall eines sogenannten “dienstlichen Bedürfnisses” geltend: Denn nur in diesem Fall darf ein fachlich ansonsten nicht ausreichend qualifizierter Bewerber zugelassen werden.

Wohlmeinend kann man hier nur von einer maximalen Dehnung der Vorschriften sprechen. Die Opposition im Rathaus ist da bayerisch derber und nennt den Vorgang schlicht Rechtsbeugung. Denn ein „dienstliches Bedürfnis“ liegt regelmäßig nicht vor, wenn genug andere qualifizierte Bewerber die Stelle haben wollen. Und hier gibt es qualifizierte Bewerber im Überfluss. Insgesamt 35 Interessenten hatten sich beworben, allein acht von ihnen erfüllen alle rechtlichen Voraussetzungen an die Qualifikation. Darunter ist auch der amtierende Kulturreferent Anton Biebl. Es gibt also überhaupt kein „dienstliches Bedürfnis“, minder qualifizierte Bewerber – wie Florian Roth – auch noch zuzulassen.

Doch die grün-rote Koalition im Münchner Rathaus tut es trotzdem.

Natürlich sind Referentenposten schon immer nach Parteibuch, oder zumindest nach Gesinnung, besetzt worden. Dass ein Kandidat aber noch nicht einmal den gesetzlichen Anforderungen genügt – das ist neu. „Es kam bislang noch nie vor, dass ein Referent diese formalen Qualifikationen nicht erfüllen musste und man ein ‚dienstliches Bedürfnis‘ hinkonstruiert“, klagt die CSU-Stadtratsfraktion.

Zumindest hinter vorgehaltener Hand verteidigen die Grünen den Rechtsbruch sogar offensiv: Man wolle eben nicht nur Juristen und Beamte zulassen, heißt es da. Gerade für das Amt des Kulturreferenten seien doch andere Qualifikationen wichtiger als ein juristisches Staatsexamen. Die Münchner Grünen sehen die Stadtverfassung offenbar als eine Art unverbindliches Angebot, das man bei Bedarf auch einfach ablehnen kann.

Es ist nicht das erste Mal. Anna Hanusch – wie Florian Roth eine ehemalige Grünen-Fraktionsvorsitzende – wollte Baureferentin werden. Letztlich musste sie ihre Bewerbung zurückziehen, weil die oberbayerische Bezirksregierung feststellte, dass die Stadt die Stelle hätte ausschreiben müssen.

Unvergessen bleibt auch die Posse um Laura Dornheim. Münchens Grüne wollten ihre Parteifreundin um jeden Preis auf den mit etwa 10.000 Euro monatlich üppig dotierten Posten des IT-Referenten der Stadt unterbringen. Als Berufserfahrung konnte die 38-Jährige gerade mal die Leitung eines 30-Mann-Teams bei einem Start-up vorweisen. Auch ein gewisser Harald Hoefler bewarb sich auf den Posten. Er hatte im Vorstand von Siemens die Verantwortung für die IT, baute erfolgreich die Informationstechnik des Weltkonzerns um, verantwortete 900 Millionen Euro Budget und war Chef von mehr als 2.200 Mitarbeitern.

Jetzt raten Sie mal, wer die Stelle bekam? Spoiler: Es war nicht der Mann aus der Wirtschaft.

Kurz nach ihrem Amtsantritt wies Dornheim dann gleich mal ihre Befähigung nach: In eine Beschlussvorlage für den Stadtrat kopierte sie einen Text direkt von der Internetseite ihrer grünen Partei. Das wollte sie dadurch verschleiern, dass sie die Formulierungen noch etwas umschreiben lassen wollte – was sie dann aber schlicht vergaß. Und so stand als Fußnote in der offiziellen Beschlussvorlage: „Direkt von der Website der Grünen abgeschrieben, noch ändern.“

Genauso stellt man sich IT-Kompetenz vor.

Münchens sozialdemokratischer Oberbürgermeister Dieter Reiter lässt das alles geschehen. Es ist zwar eindeutig zum Nachteil seiner Stadt – aber so sichert er seine eigene Position. Denn er braucht die Grünen im Rathaus für so ziemlich alles. Also dürfen auch grüne Ungeeignete wie Laura Dornheim und demnächst Florian Roth Referenten werden, solange es dem Koalitionsfrieden dient.

Dass das grüne Biotop als Lebensraum offenbar besonders viele Minderqualifizierte anzieht, zeigt sich auf Bundesebene besonders krass im Auswärtigen Amt. Dort hat Annalena Baerbock schon vor längerem das Auswahlverfahren für deutsche Diplomaten ändern lassen: Die Anforderungen wurden drastisch gesenkt.

Der Zweck der Übung ist klar: Die Grüne will Personen ins Amt befördern können, die in ihrem Sinne handeln – egal, ob diese Personen für den Job ausreichend ausgebildet sind oder nicht. Bei ihrem Amtsantritt hatte die 41-Jährige erklärt, künftig eine „feministische Außenpolitik“ machen zu wollen. In den Auswahlverfahren entfallen künftig zwei wichtige Tests, die seit Jahrzehnten fester Bestandteil bei der Personalsuche des AA waren: der Allgemeinwissenstest sowie der Psychotest.

Geradezu lustig ist ein angeblicher Grund, den ein Mitarbeiter des Ministeriums anonym in einem Zeitungsinterview äußerte: Demnach wurde der psychologische Test gestrichen, weil da besonders viele weibliche Kandidaten aus dem grünen Spektrum durchgefallen seien.

Man weiß nicht, ob das wirklich stimmt. Besonders wundern würde es einen eher nicht.

Unabhängig davon ist die vor kurzem gewählte neue Co-Vorsitzende der grünen Stadtratsfraktion in München, Monika Fuchs, erst 37 und hat bisher nur in der grünen Blase gearbeitet. Ihr Kollege an der Fraktionsspitze, Dominik Krause, ist 31 und hat bisher gar keine Berufserfahrung außerhalb der Politik.

Die Absenkung der Qualifikationsanforderungen an Münchner Stadtreferenten ist in jedem Fall eine Investition in die grüne Zukunft – sozusagen eine Maßnahme der alternativen Altersvorsorge.

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