Tichys Einblick
Michael Müller

Corona-Aufarbeitung: Von Amnestien und Entschuldigungen

Michael Müller, einst Regierender Bürgermeister von Berlin in Corona-Zeiten, stellt gönnerhaft Amnestien für Corona-Sünder in den Raum. Die Hoffnung ist offenbar, selbst eine Amnestie zu erheischen, denn eine „Entschuldigung als Ganzes“ werde es nicht geben.

IMAGO / Metodi Popow

Michael Müller (SPD) ist heute nur noch gewöhnlicher Bundestagsabgeordneter. Doch in der Corona-Zeit hatte er als Regierender Bürgermeister nicht nur Verantwortung für das Land Berlin. Als Mitglied der Konferenz aus Kanzlerin und Ministerpräsidenten gehörte er de facto einem Direktorium an, das Deutschland im Corona-Ausnahmezustand regierte. Allein verfassungsrechtlich gehörte wenigstens im Nachhinein infragegestellt, welche Kompetenzen dieses Gremium eigentlich hatte.

Aber dabei hört es nicht auf. Seitdem die RKI-Protokolle an die Öffentlichkeit gelangten, stellt sich täglich die Frage nach Aufarbeitung, nach Verantwortlichkeit und nicht nur dem Sinn der Maßnahmen – sondern auch deren Vollzug. Vollzug heißt dabei auch: Vollzug gegenüber den Bürgern, die sich dagegen wehrten. Der Tagesspiegel führt im Gespräch mit Müller an, dass erst kürzlich ein 21-Jähriger einen Bußgeldbescheid erhalten hatte. Weil er im Lockdown mit sechs Leuten insgesamt auf der Straße war. Statt fünf.

Müller dazu: „Das sind Kuriositäten unseres Rechtsstaates. Ich setze in dieser Frage auf den gesunden Menschenverstand und Ermessensspielraum der Behörden, gerade in so einem Fall.“ Heißt das in dem Zusammenhang, dass damals etwa kein gesunder Menschenverstand waltete? Denn wenn die Maßnahme nach heutiger Sicht überzogen war, dann war sie es auch gestern.

An anderer Stelle geht es ums Prinzipielle: „Wir wissen aus heutiger Sicht, dass manche Maßnahmen nicht so zwingend waren, wie wir damals dachten.“ Und: „Deshalb kann man, finde ich, auch über eine Amnestie nachdenken.“ Wie gönnerhaft. Nun kann man großzügig Amnestien verteilen. Nachdem man einen Stephan Kohn in die Existenzangst prügelte, einen Friedrich Pürner versuchte, zu isolieren und zu diffamieren. Nachdem man im Stadtpark Menschengruppen mit dem Polizeiauto verfolgte und Familien beim Rodeln abführte.

Müller weiß offenbar genau, was derzeit passiert. Was noch vor zweieinhalb Jahren drakonisch durchgezogen wurde, kann man nunmehr relativieren. Wer damals relativierte, der galt als verdächtig. Müller: „Allerdings darf man diese Zeit nicht nur schwarzmalen. Wir haben als Gesellschaft in der Pandemie auch viel gelernt.“ Bei der Energiewende und der Massenzuwanderung wird es allerdings eines Tages auch nicht helfen, zu sagen, man habe dazu gelernt, und die Gegner von damals hätten nur aus Zufall ein Korn gefunden.

Denn das Riff heißt RKI. Man wusste offenbar, dass es auch eine andere Deutung gab. Nun spricht man von einem langsamen Erkenntnisprozess. Man will Zeit gewinnen. Wie Karl Lauterbach. Der hatte angekündigt, Ende März die RKI-Studie offenzulegen, welche die Politik der Bundesregierung lobt, aber bisher nicht die Basis offenlegte, auf der diese Einschätzung beruht. Man hat heute, Stand 8. April, wenig dazu gehört oder gelesen.

Amnestien will Müller nicht nur den gepiesackten Bürgern erteilen. Die Hoffnung, dass der Amnestieerteilende selber Amnestien genießt, ist offenbar die Strategie. Denn Müller folgert: „Aber eine Entschuldigung für die Corona-Zeit als Ganzes wäre nicht angebracht.“ Der Ex-Bürgermeister tönt dabei in dasselbe Horn wie Lauterbach. Der wurde vom DLF gefragt, worum er persönlich um Verzeihung bitten würde. Eine Antwort hat er darauf nie gegeben.

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