Stellen wir uns vor, es brennt in der Stadt, schwarzer Rauch verdeckt die Sonne, die Flammen sind das hellste Licht. Die Einwohner laufen mit Eimern bewaffnet aus ihren Häusern, um vom Fluss schnell Wasser zu holen, um zu löschen, was zu löschen ist. Die Chancen stehen schlecht, doch es geht um die Heimat, ums Zuhause, um Zukunft, und da wächst der Mensch, wenn er ein guter Mensch ist, über sich hinaus.
Doch, was sieht man denn da? Was ist das für eine Ungeheuerlichkeit! Die Retter erstarren, mit Wassereimern in der Hand, und sie können kaum ihren Augen glauben.
Am Rathaus stehen Bösewichte und werfen Stroh ins Feuer, feixend und lachend wie der Ziegenfuß selbst. Und dann: Andere Bösewichte laufen mit einer heiß brennenden Pechfackel umher und zünden die Bäckerei an, und die Ecke der Schule, und sie sind auf dem Weg, auch noch die Kirche anzuzünden.
Und dann sehen sie, wer es ist, der da zündelt. Es scheint ein guter Freund des Bürgermeisters zu sein. Und der Bürgermeister selbst will nächste Woche wieder zu eben diesem ernannt werden.
Die Flammen brennen weiter. Die Retter stehen mit Eimern voller Wasser in der Hand da, und sie fühlen sich doch hilflos – und Wut kocht in ihnen hoch.
»… für nützliche Arbeit eingesetzt«
Eine alte Redensart lehrt uns, man sollte das Bärenfell nicht zerteilen, bevor man den Bären zerlegt hat. (Die tschechische Variante, die mein Vater und Großvater mir beide einbläuten, lautet übrigens: »Neříkej hop, dokud nepřeskočíš!« – übersetzt etwa: »Sag nicht ›Hopp!‹, bevor du nicht rübergesprungen bist!«)
Eine Strategie, laut Duden, ist ein »genauer Plan des eigenen Vorgehens, der dazu dient, ein militärisches, politisches, psychologisches, wirtschaftliches o. ä. Ziel zu erreichen«. Die umbenannte SED hielt am Wochenende eine »Strategiekonferenz« ab. Laut derer eigenen Angaben, siehe die-linke.de, 6.10.2019, diskutierte man konkrete Fragen wie: »Wie setzen wir Veränderungen durch?«, oder auch, ganz träumerisch: »Was würdet ihr gern ausprobieren?«
Einer Dame am Mikrofon gelingt es, das – aus Perspektive der SED – »Träumerische« mit dem ganz Konkreten zu verbinden, und sie sagt:
Und, äh, ich wollt’ noch mal kurz sagen, Energiewende ist auch nötig nach `ner Revolution, und auch wenn wir dat ein Prozent der Reichen erschossen haben, dann ist es noch immer so, dass wir heizen wollen, wir wollen uns fortbewegen – na ja, ist so, wir müssen mal von dieser Meta-Ebene runterkommen, und wir diskutieren darüber, ob wir 2030 oder 2035 oder 2050, aber was bedeutet des? Beim Ausbau der regenerativen Energien, bei der Windenergie, bei der Photovoltaik?
(Genossin »Sandra« am Mikrofon bei der Strategiekonferenz der umbenannten SED, 1. März 2020, siehe u.a. Instagram von Ralf Schuler)
Die Genossin wird gebeten, mit ihrem Aufruf »zum Ende« zu kommen – keine Zurechtweisung von der Bühne aus, keine Distanzierung. Es ist durchaus nicht so, dass Sozialisten nichts dazugelernt hätten, bald sieben Jahrzehnte nach Stalins Tod. – Bernd Riexinger, Parteichef der umbenannten SED, schlägt Milde vor: »Wir erschießen sie nicht, wir setzen sie schon für nützliche Arbeit ein.« – Das Publikum johlt. – War es eine gute Idee der Genossin und ihres Parteichefs, öffentlich das Bärenfell sozialistisch zu zerteilen, bevor »der Reiche«, äh, der Bär zerlegt ist.
Alles hat Kontext – auch Mord- und Gulagphantasien aus der umbenannten SED. Auf den AfD-Chef Tino Chrupalla wurde ein Anschlag verübt – konkret auf sein Auto. Nachts, kurz vor Mitternacht, schlichen sich die Täter auf das private Grundstück und zündeten den VW-Caddy an. Beim Versuch, es zu löschen, erlitt der Malermeister und Bundestagsabgeordnete eine Rauchvergiftung, woraufhin er in eine Klinik gebracht wurde (bild.de, 2.3.2020).
Wie werden sich seine Kinder fühlen, wenn in Zukunft vor dem Haus auch nur eine Maus entlangläuft? Man müsse, »Positionen und Personal der Rechtspopulisten attackieren«, so sagte ein SPD-Vize noch 2016. Die SPD ist noch immer an der Regierung beteiligt (und indirekt an vielen Zeitungen).
»Nur eine Rauchvergiftung?«, könnte man aus der umbenannten SED tönen, »sei froh, dass wir dich (noch) nicht haben erschießen lassen!« – Wir ahnen es ja längst, dass »Reiche« ein Code ist für politische Gegner (es gibt zu viele Linke, die selbst gern Hummer essen und Porsche fahren, als dass man mit »Reiche« wirklich »Menschen mit viel Vermögen« meinen könnte).
Gründe dafür, Gründe dagegen
Es gibt gleich mehrere gute Gründe, warum es eine schlechte Idee ist, seine Pläne – und sei es »nur« im Scherz – zu früh bekannt zu geben – etwa dass man durch allzu große Vorfreude mögliche Gegner dazu bewegt, verhindern zu wollen, dass man seine Pläne und Hoffnungen umsetzt.
Es gibt natürlich nicht nur Gründe dagegen, seine Pläne und Absichten vorab kundzutun – es gibt auch gute Gründe dafür!
Wer seinen Anhängern lebendig ein Ziel vor Augen malt, das sie zum Kämpfen und Aushalten motiviert, der kann durch die Ankündigung die Wahrscheinlichkeit des Erfolgs vergrößern. Die Wahrscheinlichkeit, dass Piraten das fremde Schiff erfolgreich kapern oder das Dorf an der Küste erfolgreich überfallen und ausrauben, steigt dadurch, dass der Piratenchef ihnen vor Augen malt, wie sie Gold und edle Dinge rauben werden, wie sie die Frauen vergewaltigen, die Männer massakrieren und die Kinder zu ihren Sklaven machen werden – erst die Lust am Rauben, Morden und Brandschatzen stachelt sie an, eben dieses auch erfolgreich zu tun. Warum feixt und fantasiert man in der »neuen« SED darüber, wie man Gegner erschießen wird?
Nicht erst seit gestern brennen in Deutschland die Autos von Bürgern, als Zeichen der Einschüchterung, als Zeichen der Macht der Antifa-Schergen. Nicht erst seit gestern werden Büros der Opposition und in »Ungnade« gefallener Politiker von linken Banden angegriffen. Nicht erst seit gestern werden in Deutschland die Anhänger und Politiker der Opposition von Antifa-Schlägern bedroht. Nicht erst seit gestern wird in Deutschland versucht, Gegner, Andersdenkende und Anhänger der Opposition durch Boykotte wirtschaftlich zu ruinieren.
Deutschland brennt, metaphorisch gesprochen, aber auch immer öfter wörtlich, und in allen Parteien finden sich rhetorische Zündler (man denke an Figuren wie Stegner, Kuhle oder Tauber – und für manchen scheint das Zündeln der einfachste Weg, den Eindruck politischer Relevanz zu erwecken), doch im ideologischen Rausch, mit gefühlter und auch praktischer Rückendeckung, werden aus der SED gleich mehrere Stangen Sprengstoff in die Debatte geworfen. (Wäre »Sprengstoff von der Stasi« eine geeignete Metapher an dieser Stelle?)
Nach der Erfurter Prostration
Wenn ein kleines Kind sein Zimmer anzündet, wem geben wir die Schuld? Dem Kind oder den Eltern? Man wird mit dem Kind schimpfen, aber die Eltern verantwortlich machen.
Wie ist es mit Politikern? In Thüringen hat man, auf eine wenig demokratisch anmutende Anweisung der Kanzlerin hin, den demokratisch gewählten liberalen Ministerpräsidenten zum Rücktritt bewegt (flankiert von Attacken der Antifa) – und damit der umbenannten SED den Weg frei gemacht, den Ministerpräsidenten zu stellen. Es fehlen nur ganz wenige Stimmen für die Kommunisten aus der Partei eines Adenauers, eines Erhard, eines Kohl, und die werden sich gewiss finden – es ist immerhin die Partei, die eine Merkel an der Macht hält!)
Man sieht es, und man will es doch kaum glauben: Die CDU und die FDP wollen eher, dass einer aus der umbenannten SED an die Macht kommt, also aus jener Partei – jetzt »neu gegründet« – die Foltergefängnisse betrieb, Menschen bei der Flucht aus dem SED-Freiluftgefängnis erschießen ließ, und wo man heute noch darüber »scherzt«, den politischen Gegner zu erschießen – oder zumindest »nützliche Arbeit« verrichten zu lassen, wenn man gnädig ist.
Im Text »Kann Merkel-Deutschland sich ›Demokratie‹ nennen?« sagte ich über die FDP nach ihrer Erfurter Prostration vor der Kanzlerin, die Partei sei »überflüssig wie eine dritte Brustwarze« – und sie bemüht sich seitdem redlich, das zu bestätigen. Bei der Wahl am Mittwoch plant die FDP, geschlossen aus dem Parlament heraus zu gehen (laut tagesschau.de, 3.3.2020) – eine eindeutig symbolisch richtige Handlung, wenn sie denn draußen bleiben. (Ich nehme an, dass die Abgeordneten dennoch ihr Geld weiter kassieren. Es gibt angeblich einen »Fraktionsbeschluss« dazu – nicht, dass ein einzelner Liberaler sich noch allzu frei fühlt!) Die Wahl ist offiziell geheim (auch wenn man aus der umbenannten SED die Stimmen »dokumentieren« wollte/will). Der Mann von der umbenannten SED rechnet wohl damit, dass er aus der Partei der Genossin Merkel die notwendigen vier Stimmen erhält. (Alles andere wäre eine Überraschung, wenn auch eine positive.)
Oder, um in der Metapher vom Stadtbrand zu sprechen: Es brennt in der Stadt, die umbenannte SED schüttet Feuer hinein, CDU und FDP machen den Zündlern den Weg frei – und am Ende wird man der Opposition die Schuld am Feuer geben.
Wunsch und Geheiß
Dies ist Deutschland 2020. In der umbenannten SED feixt man über den Mord an »Reichen«, und wir ahnen/fürchten, dass auch das nur ein Code für politische Gegner ist, wie inzwischen »Nazi«, oder jeher im Fall der SED (und heute im gesamten politischen Establishments) »Faschist«. SPD und Grüne helfen den Sozialisten aktiv. CDU und FDP machen den Sozialisten den Weg frei, auf Wunsch und Geheiß der Ex-FDJ in Berlin.
Der deutsche Staatsfunk indes scheint sich recht genau festgelegt zu haben, wo seine Sympathien liegen. »Ramelow – und der Risikofaktor CDU« wird getitelt. (Wissen Sie, was heute auch noch als »Risikofaktor« gilt? Richtig: Das Coronavirus, siehe etwa handelsblatt.com, 3.3.2020, spiegel.de, 31.1.2020, reuters.com, 31.1.2020. Komische Sprache, die der Staatsfunk da wählt.)
Sozialistische Experimente haben die Eigenschaft, in sich zusammen zu fallen, nachdem sie viel Leid über die Menschen brachten.
Auch dieses sozialistische Experiment ist auf einem Haufen von Lügen und nichts als zynischem Machtwillen gebaut. Auch dieses sozialistische Experiment wird scheitern, nach dem Scheitern noch etwas weitermachen, und dann enden. Lassen Sie uns unser Bestes geben, lassen Sie uns mit Worten kämpfen, und mit dem, was von der Demokratie noch da ist, dieses sozialistische Experiment lieber früher als später zu beenden, bevor es scheitert, bevor es so »richtig losgeht«, bevor man sich dran macht, das Bärenfell dann auch wirklich zu zerteilen.
Noch herrscht die Erinnerung an Demokratie und Freiheit! (Ich weiß, manche von uns wiederholen an dieser Stelle nervös das erste Wort des vorherigen Satzes: »noch«.)
Dieser Beitrag erschien zuerst auf dushanwegner.com
Dushan Wegner (geb. 1974 in Tschechien, Mag. Philosophie 2008 in Köln) pendelt als Publizist zwischen Berlin, Bayern und den Kanaren. In seinem Buch „Relevante Strukturen“ erklärt Wegner, wie er ethische Vorhersagen trifft und warum Glück immer Ordnung braucht.