Während in zahlreichen EU-Mitgliedsstaaten, wie etwa Österreich, Mitte-Rechts-Bündnisse entweder schon einmal regiert haben oder in einigen dieser Länder, wie Italien, Schweden und Finnland, gerade regieren, erleben wir in Deutschland neuerdings staatlich inszenierte Massenproteste gegen eine vermeintliche Wiederkehr des Nazi-Regimes, weil die rechnerischen Mehrheiten für solche Bündnisse auch hier stetig größer werden. Mit ihnen beschwört eine breite, aus Parteien, Medien, Kirchen, Verbänden und der sogenannten Zivilgesellschaft gebildete Allianz eine „Brandmauer gegen Rechts“, die Mitte-Rechts-Bündnisse auch in Deutschland auf alle Zeit verhindern soll.
Gleichzeitig gewinnt laut Umfragen auch die Union wieder an Zuspruch bei den Wählern, seit sich die CDU unter ihrem neuen Vorsitzenden Friedrich Merz wieder etwas konservativer positioniert und sich so vom Linkskurs ihrer früheren Vorsitzenden Angela Merkel vorsichtig abwendet. Auch von den laut aktuellen Umfragen bundesweit rund 30 Prozent CDU/CSU-Wählern wünschen sich viele nicht nur in den ostdeutschen Bundesländern eine Koalition mit der AfD anstelle etwaiger Koalitionen mit der SPD, den Grünen oder beiden zusammen. Der von Merz bekundete Flirt mit solchen Koalitionen dürfte die CDU sogar die Stimmen all derjenigen ihrer Wähler kosten, die nicht wollen, dass bei den anstehenden Wahlen in diesem und im nächsten Jahr die SPD und/oder die Grünen mit Hilfe der CDU in Regierungsverantwortung bleiben oder kommen.
Zugleich sind viele der abtrünnigen Unionswähler angesichts einer Alternative, bei der es sich laut deren Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland um einen „gärigen Haufen“ handelt, durchaus bereit, wieder CDU zu wählen, sofern sie sich im bestehenden Parteienspektrum wieder glaubhaft weiter rechts positioniert und sich so gleichzeitig für eine Zusammenarbeit mit der AfD öffnet. Das wissen auch die Wahlstrategen der beiden Unionsparteien, die deswegen derzeit den rechtskonservativen Wählern nicht nur auf dem Gebiet der Asyl- und Migrationspolitik entsprechende Rückkehr- respektive Bleibe-Angebote unterbreiten.
Je größer die rechnerischen Mehrheiten von Union und AfD werden und je mehr sie sich, wie derzeit schon in den meisten ostdeutschen Bundesländern, auch in den westdeutschen Bundesländern und damit bundesweit der 50-Prozent-Marke nähern und diese sogar übersteigen, desto mehr wird der Druck innerhalb der beiden Unionsparteien zunehmen, dass dieser Weg endlich eingeschlagen wird. Schon heute werden daher vor allem in den ostdeutschen Landesverbänden der CDU die Stimmen immer lauter, die angesichts zu erwartender Wahlergebnisse eine Zusammenarbeit mit der AfD einer Allparteien-Koalition gegen sie vorziehen wollen. Friedrich Merz und Carsten Linnemann haben daher immer mehr Mühe, ihr Verbot aller Zusammenarbeit mit der AfD innerparteilich aufrechtzuerhalten, nachdem inzwischen ein wachsender Teil der Unionswähler eine solche Zusammenarbeit will.
In seinem im letzten Jahr veröffentlichten Manifest mit dem Titel „Politik von rechts“ präsentiert sich Krah seinen Lesern als einer der strategischen Vordenker seiner Partei. Als solcher knüpft er an die Vertreter eines ebenso modernisierungskritischen wie demokratiefeindlichen Rechts-Konservativismus des frühen zwanzigsten Jahrhunderts an, allen voran an einen ihrer wichtigsten Theoretiker, Carl Schmitt. Unter Rückgriff auf dessen Theorie des Politischen erklärt er die heutigen „linksliberalen Eliten“ und deren parteipolitischen Repräsentanten zu Feinden, mit denen keinerlei Interessenausgleich möglich sei.
Damit lässt es Krah aber nicht bewenden. Denn „wer zur Entscheidung unfähig ist und sich der Konsequenz der Feindzuschreibung dadurch entziehen will, indem er auf andere, weitere Feinde verweist und damit aus der letztlich manichäischen Freund-Feind-Scheidung eine große Wolke des Ungefähren macht, ist politikunfähig“. Gemünzt ist dieser Vorwurf auf die „Mainstream-Konservativen“, die sich angesichts von Anfeindungen des woken Linksliberalismus durch das autoritär regierte Russland oder das kommunistisch regierte China nicht trauen, dieser „Autoimmunkrankheit, durch die der Westen sich selbst zerstört“, den innenpolitischen Krieg zu erklären.
Wie einflussreich diese Haltung innerhalb der AfD ist, wird man spätestens sehen, wenn sich bei den kommenden Landtagswahlen in Ostdeutschland tatsächlich rechnerische Mehrheiten für stabile Mitte-Rechts-Koalitionen ergeben sollten, die entweder von der CDU oder der AfD als jeweils stärkste Fraktion angeführt werden müssten. Der CDU dürfte es dann äußerst schwerfallen, ihren Wählern eine Allparteien-Koalition zu verkaufen, die diese mehrheitlich nicht wollen. Und die AfD müsste sich gleichermaßen entscheiden, ob sie Krahs fundamentalistischem Verdikt gegen die „Mainstream-Konservativen“ folgt und eine Koalition unter Führung der CDU gegen den erklärten Willen ihrer Wähler ablehnt.
Folgt sie Krah nicht, dann hätte sie zum ersten Mal in ihrer inzwischen mehr als zehnjährigen Geschichte den praktischen Beweis anzutreten, dass sie mehr kann als nur gegen die linksliberale (woke) Politik Widerstand zu leisten. Ob sie beim Regieren bei den Wählern dann weiterhin reüssiert, würde sich wie derzeit bei den im Bund nach langer Zeit wieder regierenden Grünen zeigen, denen inzwischen bei den Europawahlen eine Halbierung droht. Dafür haben wir ja die Demokratie.