Es war klar, dass die Grünen in der Bundesregierung auch dieses Feld beackern würden. Es geht um Identitätspolitik und Agitation im Namen des vorgeblichen Vorgehens gegen Diskriminierung. Nachdem ihre Vorgängerin über unglückliche Verrenkungen um das „Wording“ der Ahrtal-Katastrophe stürzte, kommt diese Aufgabe nun der neuen grünen Familienministerin Lisa Paus zu. Zu vergeben hat sie das Amt einer Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung, zugleich Leiterin der Antidiskriminierungsstelle der Bundesregierung, das seit 2018 nicht mehr besetzt war. Zu Paus’ Ressort gehört das Amt, weil sie als Familienministerin auch für Frauen zuständig ist.
So hatte sich die Vorläuferin im Amt der Beauftragten von 2011 bis 2018, die hessische Pädagogin Christine Lüders, für Frauenquoten stark gemacht, nicht aber für Migrantenquoten, weil die Rechtsprechung zum Thema „Quoten für ethnische Minderheiten“ noch völlig unklar sei. Aber auch Lüders schob im Gespräch mit dem Tagesspiegel hinterher, dass sie nach einigen Jahren noch einmal schauen würde, ob der „Migrantenanteil“ in den sie interessierenden Bereichen gewachsen sei.
Eine weitere von Lüders’ Antworten schimmerte schon damals, vor mehr als zehn Jahren, zwischen bürgerlichem Konsens und gleichmacherischer Identitätspolitik: „In einer demokratischen Gesellschaft müssen die Chancen gerecht, also so gleich wie möglich verteilt sein. Und wir brauchen die Vielfalt von Alten, Jungen, verschiedenen Kulturen und Geschlechtern für die Gesellschaft. Es macht das Leben lebenswerter und die Wirtschaft gewinnt nebenbei Milliarden Euro dazu …“ Chancengerechtigkeit war das, wofür auch bürgerliche Parteien standen und stehen. Aber im nächsten Halbsatz geht es schon um die „gleiche Verteilung“ und dann um „wir brauchen Vielfalt“ für ein „lebenswerteres Leben“, und das erstaunt doch und zeigt, dass ein solches Amt seinen Träger immer auch deformiert.
Einige müssen dieses Stadium nicht mehr durchlaufen. Ihr „Bildungsweg“ hat sie bereits in idealer Weise auf das Amt vorbereitet. Genau das wurde von Ferda Ataman gesagt, die „nach Herkommen und Werdegang gründlich qualifiziert“ für ihr projektiertes Amt sei, so Andrea Dernbach in einem Artikel für den Tagesspiegel. Und so setzt sich die Aktivistin Ferda Ataman – anders als ihre eventuelle Vorgängerin – schon seit langem für Migrantenquoten ein (etwa hier in ihrer Spiegel-Kolumne).
Mauern beim leisesten Hauch von Kritik: Die grüne Echokammer
So fragt man sich in der Tat, woraus sich jene vermeintliche Qualifikation Atamans ergeben soll und wodurch dieser Prozess eigentlich bewirkt wurde. Ataman zeigte sich durchaus fähig zu einer gewissen Portion Heimatlyrik, wenn sie von ihrem Aufwachsen in Bayern sprach, das sie mit Horst Seehofer teile. Aber schon im nächsten Satz konnte Ataman dann wieder für eine „hybride und erwerbbare Heimat“ eintreten, also etwa den Heimatbegriff benutzen, den auch Nancy Faeser heute vorexerziert.
Allerdings müssen sich die Grünen auch klar sein, dass sie mit Personalvorschlägen wie Ferda Ataman eine breite Kritik auf sich ziehen. Diese Kritik ließ nicht auf sich warten und wird noch immer täglich breiter. Sogar in der Süddeutschen Zeitung ist man nachdenklich geworden und verleiht Ataman den zweifelhaften Namen der „umstrittenen Publizistin“, seit Union und FDP mehr oder weniger gewichtige Einwände geltend machen.
So sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei: „Mit ihren provozierenden und spalterischen Aussagen hat sich Frau Ataman für das Amt einer Antidiskriminierungsbeauftragten disqualifiziert.“ Deutsche sind für Ataman „Kartoffeln“, wahlweise auch „Ureinheimische“ oder „Germanennachfahren“, die durch die zunehmende Migration so und so in die Minderheit geraten werden. Auch Eric Gujer bleibt in der Neuen Zürcher Zeitung sprachlos, dass das Bundesfamilienministerium für diese Diskriminierung der Mehrheit der eigenen Staatsbürger offen ist.
Die breite Kritik an Ataman scheint ihren Verteidigern gerade recht zu kommen. Man versteht sie als Signal, sich gründlich in der eigenen Echokammer einzumauern. Die Journalistin und „Extremismusexpertin“ Heike Kleffner sprach in der taz umgehend von einer „orchestrierten Kampagne“, geführt von seltsam unpersönlichen „rechten Filterblasen“. In Kleffners Theorie folgt eine Armee von „Follower*innen, Fake-Accounts und Troll-Armeen“ öffentlichen Figuren wie dem ehemaligen Bild-Chef Julian Reichelt: „Gefährlicher Hass und Hetze“ zielten darauf ab, eine Person „nachhaltig zu beschädigen“. Am Ende stünden Ereignisse wie der Mord am CDU-Politiker Walter Lübcke, fügt Kleffner entgrenzend an. Kritik an den eigenen Leuten rückt man in der grünen Filterblase gerne in den Zusammenhang der Gewalt.
Sandra Kostner: Identitätspolitisches Signal der Ampel
Zu dieser „rechten Blase“ würden dann allerdings neben der Bild auch die Welt und sogar noch die FAZ gehören, die jeweils mit eindeutig kritischen Betrachtungen auf die Ataman-Benennung reagiert haben. Auch auf TE erschienen mehrere kritische Artikel zu der Personalie. Doch die Reihe der Kritiker ist damit noch nicht zu Ende: Ein Emma-Kommentar weist darauf hin, dass Ataman Begriffe wie Ehrenmord, politischer Islam oder „Integration“ als „rassistisch“ ablehne, für Islamkritiker nur Spott übrig habe und von deren Einladung zu Diskussionspodien abriet.
All das lässt sich im Netz nachprüfen. Es ist etwa auch Gegenstand eines offenen Briefs der Initiative „Migrantinnen für Säkularität und Selbstbestimmung“, der unter anderem von Necla Kelek, Anna Staroselski (Jüdische Studierendenunion Deutschland), Ali Ertan Toprak (Kurdische Gemeinde Deutschland) und Güner Balci, der Integrationsbeauftragten von Neukölln, unterzeichnet wurde. Auch die Sprecherin der AG „Säkuläre Grüne“ Krystyna Grendus oder die Ex-MdB Lale Akgün (SPD) unterschrieben den Brief. Darin wird Ataman vor allem ein „Schwarz-Weiß-Denken“ vorgeworfen, das Spaltung, Ressentiments und letztlich auch Diskriminierung legitimiere – positive Diskriminierung von Migranten und negative Diskriminierung von Deutschen. Inzwischen ist die Diskussion um Ataman im heute-journal angekommen.
Sandra Kostner, Migrationsforscherin an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd und Mitbegründerin des „Netzwerks Wissenschaftsfreiheit“, sieht in der Benennung Atamans ein „identitätspolitisches Signal“ der Ampel. Eine Migrantenquote wäre Kostner zufolge ein „krasser Verstoß gegen Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes, dem zufolge niemand wegen seiner Herkunft oder seiner Rasse benachteiligt werden darf“. Jeder Quote gehe die „Zweiteilung der Gesellschaft in Privilegierte und Nicht-Privilegierte“ voraus. Das würde arme weiße Kinder sinnwidrig zu „Privilegierten“ machen, die Kinder von wohlhabenden Migranten aber zu „Unterprivilegierten“.
Kleffner: Kritik geht von „unheiliger Koalition“ aus
Was sich hier entbirgt, ist kurz gesagt ein neuer Rassismus der Angekommenen und sich doch immer zu kurz gekommen Fühlenden. So verewigt Ataman zum einen eine angeblich gemachte Erfahrung von Diskriminierung, um dasselbe Schwert dann unbesehen gegen ihre eigenen Gegner zu führen. Denkt einer nicht so wie sie und „ihre Leute“, dann gehört er ins gegnerische Lager, das nach Herzens Lust diskriminiert werden darf. Daraus folgt, dass Ataman öffentlich erkennbare Stimmen (und vielleicht Menschen überhaupt) stets als Repräsentanten eines Kollektivs versteht – in diesem Fall sollen Menschen mit solchem Hintergrund zu Exponenten eines rein „migrantischen“, nicht-deutschen und letztlich anti-deutschen Gegenkollektivs werden. „Angehörige von Minderheiten können in diesem absolutistischen Schema nur das Opfer dieses Rassismus sein und werden als homogene Opfergruppe wahrgenommen, die vor den bösen Weißen geschützt werden müsste“, so kommentierte Ahmad Mansour das auf Focus online.
Ataman zeigt sich so letztlich als Konformistin ihres Milieus, von dem nicht klar ist, wie weit es mit türkischem Nationalismus und politischem Islam verknüpft ist. Und das drückt sich auch und vor allem in ihrem Beharren auf dem Wort „Kartoffel“ aus. Man könnte es übrigens für noch schlimmer halten, dass Teile der deutschen Haltungs-Elite Ferda Ataman genau wegen ihrer diskriminierenden Haltung gegenüber den Deutschen insgesamt für die richtige Wahl halten. So twitterte es der Büroleiter des grünen Bundestagsabgeordneten Sven Lehmann, welcher daneben „Queer-Beauftragter der Bundesregierung“ ist (was auch immer dieses Amt wieder ist und bewirken soll).
Ihre Verteidigerin Kleffner hält jede Kritik an der Journalistin-Aktivistin Ataman für unberechtigt. Ataman sei eine „profilierte und fachkundige Frau im Umfeld der neuen Bundesregierung“, und die werden angeblich besonders hart angegangen. „Im Umfeld“ stimmt auch insofern, als Ataman bereits Referentin der Bundesstelle für Antidiskriminierung ist oder war. Kleffner denkt daneben auch an Nancy Faeser, die von derselben, so wörtlich, „unheiligen Koalition“ kritisiert werde. Kurios bleibt eines: Kleffner sieht in Faeser offenbar eine Bundesbeauftragte „im Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus und Rechtsterrorismus“ – ein Feld, das Bundesinnenminister Horst Seehofer und die Union in 16 Jahren sehr vernachlässigt hätten. Aber ein solcher „Kampf“ gehört eben nicht zu den primären Aufgaben eines Innenministers, der vor allem für innere Sicherheit, Grenzschutz und Heimat zuständig ist.
Schließlich meldeten sich auch Desorientierungsspezialisten wie Matthias Meisner, einstiger Tagesspiegel-Redakteur, heute als freier Autor zwischen Zeit, taz und der Migrations-NGO „Mission Lifeline“ tätig. Meisner versuchte, Ahmad Mansour wegen früherer offener Worte zu Parallelgesellschaften als Rassist zu diffamieren.
Die „Neuen deutschen Medienmacher*innen“ und ihre Partikularinteressen
Wenn Ferda Ataman trotz all dieser schlimmen „rechten“ Widerstände, die tatsächlich aus der ganzen Breite der Gesellschaft stammen, doch noch Antidiskriminierungsbeauftragte der Bundesregierung werden sollte – und vieles spricht dafür –, dann wäre das vor allem auch ein Triumph für den eingetragenen Verein „Neue deutsche Medienmacher*innen“, in dessen Vorstand sie sitzt und der es sich zum Ziel gesetzt hat, eine „rassismusfreie Medienbranche“ zu begründen.
Das ist aber insgesamt weniger ein Engagement für universelle Werte als vielmehr ein partikulares Eintreten für die eigenen Interessen. Diversität als Ziel soll herkömmliche Besetzungskriterien wie fachliche Eignung übertrumpfen. Seyran Ateş hält Ferda Ataman aufgrund ihres Aktivismus, der natürlich auch in ihren journalistischen Breitseiten zum Ausdruck kam, für untragbar als Bundesbeauftragte. Ateş sieht Ataman nicht in der Lage, verschiedene Seiten „versöhnlich zusammenzubringen“ – vor allem nicht nach ihren eigenen diskriminierenden Äußerungen.
FDP leistet Verzögerungswiderstand, SPD duckt sich weg
Ihre Verteidiger sehen Atamans Benennung und die erhoffte Amtsübernahme dagegen als Häutungsprozess, in dem sie noch die letzten Reste diskriminierenden Verhaltens, die sich an ihr finden lassen – gegen Deutsche oder auch gegen Kurden und Aleviten – abstoßen soll. So sagt Heike Kleffner wiederum in der taz, Ataman solle „keine Hierarchien zwischen unterschiedlichen Diskriminierungserfahrungen“ aufmachen, sondern „deren Mehrdimensionalität mutig adressieren“. Das ist schon an sich ein merkwürdiges Deutsch. Denn was „adressieren“ konkret bedeuten soll, weiß vermutlich kaum einer, der das Wort heute benutzt.
Übrigens kann man aus dem Kleffner-Interview immerhin lernen, dass sich das Amt der „Unabhängigen Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung“ einem Gesetz aus dem Jahr 2006 verdankt, das wiederum nur aufgrund einer entsprechenden EU-Vorgabe im Deutschen Bundestag verabschiedet wurde. So geht es wiederum um eine Bundesstelle, die sich der Intervention des Staatenbunds verdankt und so eine von demokratischen Vorgaben „unabhängige“ Wahrnehmung von Sonderrechten installiert hat. Dass man den entsprechenden Schutz vor Diskriminierung durch Schule, Polizei oder Ausländerbehörde nicht auf nationaler Ebene regeln hätte können, kann als Begründung nicht überzeugen.
Die Ernennung von Ferda Ataman würde die Personalpolitik der Grünen in der Ampelkoalition fortsetzen, die durch Wahlen errungene Macht an die Vertreter von NGOs und anderen Interessengruppen weitergeben. So geschehen etwa im Fall der einstigen Greenpeace-Chefin und also Umweltaktivistin Jennifer Morgan, die heute als Staatssekretärin im Auswärtigen Amt tätig ist. Natürlich, nichts kann Grünen in Regierungsverantwortung logischer erscheinen als die Vergabe von Staatsämtern an die Interessenvertreter und Aktivisten aus derjenigen „Zivilgesellschaft“, die sie (die Grünen-Politiker) auf ihrem Weg nach oben treu begleitet haben. Auch Ferda Ataman ist so ein Fall mit ihrer aggressiven Parteinahme zugunsten des identitäts- und diversitätspolitischen Paradigmas.
Die FDP scheint derzeit einen reinen Verzögerungswiderstand gegen die Benennung zu leisten und wird am Ende, ähnlich wie bei anderen Themen, jeder identitätspolitischen Volte der Grünen folgen. Die Befragung Atamans in der FDP-Bundestagsfraktion verlief, trotz einiger kritischer Stimmen, insgesamt offenbar harmonisch. Die SPD-Bundestagsfraktion duckt sich gleich ganz weg und mag nicht zu den umstrittenen „Kartoffel“-Äußerungen Atamans Stellung nehmen.