Ein Medikamentenskandal erschüttert Brandenburg, die linke Gesundheitsministerin Diana Golze wäscht ihre Hände in Unschuld. Sie und der Präsident des Landesamtes für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit“ (LAVG), Dr. Mohr sind sich darin einig, dass die gesamte Schuld für das eigene Versagen auf insgesamt drei bis vier einfache Mitarbeiter des Ministeriums bzw. LAVG abgewälzt wird. Das RBB-Politmagazin „Kontraste“ deckte am 12.07.2018 durch seine Berichterstattung den Medikamentenskandal auf.
Präpotente Ministerin
Die brandenburgische Firma „Lunapharm“ (drei Beschäftigte) soll demnach in Griechenland gestohlene und durch unsachgemäßen Transport und Lagerung unbrauchbare Krebsmedikamente an Apotheken in Deutschland verkauft haben.
Unmittelbar nach der Kontraste-Sendung „erklärte der Abteilungsleiter für Gesundheit im Ministerium, Thomas Barta, noch vor Pressevertretern, dass keine Gefahr für die Gesundheit der Patienten bestanden habe.“ Auch habe man „von nichts gewusst“, dass die fraglichen Medikamente aus einem Krankenhaus in Griechenland gestohlen wurden und über deutsche Apotheken in den Patientenumlauf gekommen sind. Auch die Ministerin selbst fertigt das Kontraste-Team mit den Worten ab: „Ich kann Ihnen nicht mehr sagen als Sie schriftlich haben, daran ändert auch ein Überfall nichts.“ Den Reporter ließ sie stehen als er bemerkte: „Es geht um Medikamentenhandel wo Patienten gefährdet sind.“ Erst als der öffentliche Druck zu groß wurde, erfolgte die Rolle rückwärts. Doch es ist bereits zu spät.
Polnische und griechische Behörden hatten nicht nur über den Verdacht, sondern über erwiesene Tatsachen Deutschland bereits 2016 informiert. Im April 2017 nahm die Staatsanwaltschaft in Brandenburg Ermittlungen wegen Hehlerei und Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz auf. Unternommen wurde im Gesundheitsministerium oder dem LAVG trotzdem nichts. Eine „Kontraste vorliegende E-Mail aus dem Ministerium beschreibt die dahinterliegende Motivation: „(…) würden wir einen Rückruf aller Medikamente verlangen, könnte das im Bankrott der Firma enden.“
Drei-Mann-Firma wird auffällig geschont – warum?
Die sich daraus für mich ergebende Frage lautet: Wiegen in diesem Ministerium Leben und Gesundheit weniger als die kaufmännische Aufrechterhaltung einer Drei-Mann-Firma, die im Verdacht steht, mit unbrauchbaren Krebsmedikamenten zu handeln?
Der Präsident des LVAG Mohr beklagte gar in der Sondersitzung des Gesundheitsausschusses, dass „jegliche Kommunikation in seiner Behörde zu diesem Fall an ihm vorbeigegangen“ wäre. Ein Aspekt der unfreiwilligen Selbstoffenbarung, der alles über die Qualität der Behördenführung in diesem Amt aussagen kann. Für viele ein klassisches Eigentor. Aber es geht noch schlimmer, so berichtet die Berliner Zeitung am 21.07.2018 über das Gesundheitsministerium von einer „eisigen Arbeitsatmosphäre“, steigendenden Krankenstand und einer Wagenburgmentalität der Genossin und ihres Umfeldes. Ist das Vertrauensverhältnis grundlegend gestört, funktionieren auch keine Informationswege mehr. Das Einmaleins der einfachen Führung.
Selbst wenn es stimmen sollte, dass die Ministerin angeblich „nichts gewusst“ habe, so erklären sich die internen verschlungenen Informationswege ins Nirwana, denn das hat immer etwas mit der eigenen vorhandenen oder nicht vorhandenen Führungskultur zu tun. Deshalb erschienen auch der grünen Landtagsabgeordneten Ursula Nonnemacher (selbst Ärztin) die Ausführungen der Verantwortlichen im Gesundheitsausschuss des Landtages wenig überzeugend, sie glaubt nicht daran, dass drei bis vier einfache Mitarbeiter für den Skandal verantwortlich gemacht werden können, weiter bemängelt sie, dass in der mehrstündigen Veranstaltung keine relevanten Fragen tatsächlich beantwortet wurden.
Inzwischen ist selbst der treue Koalitionspartner SPD auf Distanz gegangen. Bisher ging es bei der ganzen „Aufklärung“ weniger um die geschädigten oder bereits verstorbenen (?) Patienten. Nachdem der Tagesspiegel von einer betroffenen Krebskranken berichtete: „Ich bin erschüttert über die Ignoranz und Untätigkeit. Ich kämpfe jeden Monat um Lebensverlängerung“, wurde eine Informationshotline durch das Ministerium eingerichtet. Aber selbst dort fühlen sich Anrufende abgewimmelt. Eine Frau ist völlig fertig: Unzählige Telefonate und Emails über mehrere Tage sind notwendig, bis die Betroffene erfährt, ob sie unwirksame Krebsmedikamente für ihre Chemotherapie bekommen hat, die nötigen Unterlagen habe sie nicht erhalten. Letzten Endes fühle sich niemand mehr von dieser „Hotline“ zuständig.
Vertuschen des eigenen Versagens
Der Skandal zeigt ein Behördenversagen, ja Landesversagen auf der ganzen Linie. Die inzwischen öffentlich aufgezeigten Probleme stellen Informationswege dar, die nicht funktionieren, gescheiterte Beschwichtigungsversuche um keine „Menschen zu beunruhigen“, Berichte über eine eisige Arbeitsatmosphäre, politische Beschlüsse zur dezentralen Ansiedlung des LVAG im abgelegenen und unattraktiven Wünsdorf und ständige Behördenumstrukturierungen, daraus folgende Überforderungen der verbliebenen Mitarbeiter durch eine Stellenunterbesetzung, Missmanagement anstatt Aufklärung und eine unzureichende Führungsmentalität die an den Film „Rette sich wer kann“ (ab Min. 02:55) erinnert. Hinzukommen selbst ausgedachte gesetzliche Vorschriften für eine Mindestquote importierter Medikamente, die es Schwerkriminellen leicht machen, gestohlene und/oder gefälschte Medikamente in Deutschland zu vertreiben.
Man darf es ohne weiteres als unanständig empfinden, wenn gleichzeitig das mutmaßliche Versagen und die selbst erzeugten Probleme auf die kleinen Mitarbeiter abgewälzt werden. Selbst im rot-roten Brandenburg ein bisher einmaliger Vorgang.
Es ist nicht die erste Affäre, die die Ministerin durchzustehen hat. So soll 2009 ihr damaliges Bundestagsbüro sechs kostenlose Montblance-Füller im Wert von 2.900 € bestellt haben. Auch hierbei will sie nichts gewusst haben und machte die Mitarbeiter ihres Büros dafür verantwortlich.
Ob man daraus ein Führungsmuster erkennen kann, möchte ich nicht bewerten, die Mindesterkenntnisse aus beiden Fällen legen nahe, dass sie ihren Laden damals wie heute nur unzureichend im Griff hat.
Diana Golze ist gleichzeitig Vorsitzende der Brandenburger Linken. Eine Partei die sich gern als „sozial, tolerant und gerecht“ bezeichnet. Eine typische Papierlage. Es grüßt das Peter-Prinzip.
Steffen Meltzer, Autor von „Schlussakkord Deutschland – Wie die Politik unsere Sicherheit gefährdet und die Polizei im Stich lässt“