Migrationsdebatte: SPD-Generalsekretär Miersch attackiert Merz und Linnemann
Anna Diouf
Der neue Generalsekretär der SPD Matthias Miersch schießt im „Spiegel“ gegen die Union. Migration werde immer nur als Problem thematisiert, das sei Angstmache. Damit erweist sich die SPD wieder einmal als völlig realitätsresistent: Sie nimmt weder die Sorgen Einheimischer noch die Zugewanderter ernst.
„Die Union spricht von Migration immer nur im Zusammenhang mit Problemen“, so beschwert sich der neue SPD-Generalsekretär Matthias Miersch gegenüber dem „Spiegel“: „Was für ein Signal sendet das an die Menschen, die hier leben, hart arbeiten und eine Migrationsgeschichte haben.“
Nun, ein klares Signal: Wir nehmen eure Sorgen und Anliegen ernst. Denn Messer- und Machetenmänner machen keinen Unterschied zwischen Menschen „mit Migrationsgeschichte“ und solchen ohne. Auch Cem Özdemirs Tochter – ein Mädchen mit Migrationsgeschichte – fühlt sich von männlichen Zuwanderern zuweilen bedrängt, wie er kürzlich medienwirksam zugab. Auch für Menschen mit Migrationsgeschichte spielen sich Volksfeste und Weihnachtsmärkte seit geraumer Zeit zwischen Betonsperren ab; auch sie wollen nur ungern über illegale Routen eingereisten Terroristen zum Opfer fallen, würden sich hingegen darüber freuen, wenn sie sich im öffentlichen Raum sicher fühlen könnten. Nicht zu reden von jenen Flüchtlingen vor islamistischer Gewalt, wie Christen, Yeziden oder Exiliranern, die hier zum Teil ihren Peinigern begegnen müssen, und selbst in Asylunterkünften von denen bedrängt werden, vor denen sie geflohen sind.
All diese Menschen leiden unter den mit Migration einhergehenden Problemen, und sind ihnen nicht weniger ausgeliefert als Deutsche ohne Migrationshintergrund.
Zudem schadet das zunehmende Misstrauen in der Mehrheitsgesellschaft jenen Einwanderern, die sich in die Gesellschaft einbringen und integrieren wollen. Wer denkt bei „Afghanistan“ oder „Syrien“ mittlerweile nicht zuerst an jene Gewalttäter, die in der Kriminalstatistik so eindeutig überrepräsentiert sind, dass man das Phänomen nicht mehr als „anekdotische Evidenz“ oder gefühlte Wahrheit kleinreden kann. Und wie fühlt sich wohl ein rechtschaffener Afghane, wenn er aus verständlichen Gründen unter Generalverdacht gestellt wird? Kurz: Gerade jene hart arbeitenden Migranten, gerade Deutsche ausländischer Herkunft haben ein Interesse daran, dass die Probleme benannt und vor allem gelöst werden!
Anlass von Mierschs Klage ist eine Ankündigung Carsten Linnemanns, im Falle eines Wahlsieges die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts rückgängig machen zu wollen. Mit der Union werde es „keine Turboeinbürgerungen geben“, sagte Linnemann der „Welt am Sonntag“.
Eine gute Idee. Denn Deutschland schleppt den Ballast jahrzehntelanger Unterlassungen beim unangenehmen Thema Einwanderung mit sich: Ob „Gastarbeiter“ und ihre deutsch-türkischen Nachkommen oder Flüchtlingswellen – die Ursachen für die Versäumnisse in Sachen Integration sind vielfältig und lassen sich nicht einfach auf einen Nenner bringen. Man kann die Verantwortung dafür auch beileibe nicht allein integrationsunwilligen Ausländern anlasten – unflexible Bürokratie, Unwille oder Unfähigkeit, Fremde einzubinden, das Fehlen an positiver nationaler Identität, die sich ein Fremder überhaupt aneignen (wollen) kann, und vor allem die Weigerung, den Sachverhalt offen zu diskutieren: All das spielt ebenfalls eine gewichtige Rolle.
Aber gleich, wer wann und unter welchen Umständen etwas versäumt hat, die Versäumnisse sind nun einmal geschehen. Das neue Staatsbürgerschaftsrecht fügt dem Problemkomplex nun lediglich eine Dimension hinzu, indem man zu viele Menschen zu schnell einbürgert. Es ist ein Ausdruck der typischen Realitätsverweigerung linker und grüner Kreise: Wenn wir die Ausländer zu Deutschen machen, sind die Integrationsprobleme doch weg, oder?
Nein, sagt Carsten Linnemann, und genügend Zuwanderer werden ihm zustimmen. „Nein“, sagen auch jene Einheimischen, die mit ihrer Wahlentscheidung deutlich machen, dass die Probleme zu drängend und zu bedrohlich geworden sind, als dass man sie mit positiver Sprachregelung angehen könnte. Nicht die CDU-Politiker betreiben „Angstmache“, wie Miersch Richtung Friedrich Merz warnt. Viele Menschen haben Angst.
Das Grundproblem von Miersch und seiner SPD ist, die Realität als Konstruktion zu begreifen, die von Merz oder Linnemann kreiert würde, anstatt einzusehen, dass beide lediglich dazu bereit sind, die Realität wahrzunehmen, und existierende Ängste und Sorgen aufzugreifen – übrigens reichlich spät, möchte man sagen.
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