Friedrich Merz ist ein Produkt der deutschen Politlandschaft: Seine Versprechen sind bedingt zuverlässig und seine Kompromisse mitunter faul. So hat Merz sich selbst der Partei einst als Nachfolger von Angela Merkel und Annegret Kramp-Karrenbauer angebiedert, indem er eine Frau auf dem Posten des Generalsekretärs versprochen hat. Geworden ist es Mario Czaja.
Soweit das gebrochene Versprechen, jetzt der faule Kompromiss: Die CDU schafft eine neue Stelle, die der „Stellvertretenden Generalsekretärin“. Dafür musste die Partei eigens ihre Satzung ändern. Die Wahl fiel dann auf Christina Stumpp aus Baden-Württemberg. Die 34-Jährige ist Bauerntochter und hat in der Verwaltung gearbeitet, sagt aber auch Politikersätze wie: „Unsere CDU lebt vom Miteinander“ oder „Wir meinen es ernst mit der Erneuerung“.
Merz hat Stumpp vorgeschlagen. Sie ist der einzige Kandidat für die Stelle, die geschaffen wurde, damit „in“ hintendran steht. Trotzdem erhält die Mutter und Bundestagsabgeordnete ein überschaubar gutes Ergebnis: 740 von 826 Stimmen, 89,5 Prozent. 175 der insgesamt 1.001 Delegierten haben das Amt keines Votums wert gefunden. Lau. Lauer ist an dem ersten Abend des Parteitags nur der pflichtschuldige Applaus für Czaja, der die eigentliche Stelle des Generalsekretärs bekommen hat – ohne stellvertretend und ohne „in“ hintendran.
Czaja wirkt wie die klischeebeladene Karikatur eines Verwaltungsbeamten. Dass auch er Politikersätze sagt wie: „Wir müssen uns ehrlich machen“? Geschenkt. Aber dass er die Kerndiskussion des Abends ankündigt als „fast eine Nichtigkeit“ zeugt von dem Gespür, das ihn zu dem farblosen Generalsekretär macht, den kaum einer kennt und der sein öffentliches Lob von der Konkurrenz erhält – etwa von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).
Dabei ist die Diskussion um die Frauenquote dann gut. Spannend. So spannend, dass ein Antrag zur Geschäftsordnung keine Mehrheit findet, die Diskussion vorzeitig zu beenden. 34 Redner haben sich gemeldet. Darunter nur vier Männer. Die Frauen bestimmen die Diskussion und das tut ihr gut. Männer wie der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst liefern Beiträge wie den Wüsts, dass er für die Frauenquote sei, weil er seine Mutter gut fand.
Trotz dieser angenehmen Diskussionen, auf welche die Frauen in der CDU durchaus stolz sein können, sind es am Ende die Männer, die die Debatte entscheiden. Zum einen der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther. Der bewirbt die Frauenquote damit, dass Friedrich Merz dafür sei. Mitnichten hat Günther seinen Frieden mit Merz gemacht, aber der grün-woke Inhalt verbunden mit den Restfans des Merz unter den Konservativen ergeben zusammen eine Mehrheit – und darum geht es in der Politik. Wer Mehrheiten organisieren will, dem dürfen Stolz und Redlichkeit nicht zu sehr im Weg stehen.
A propos Merz: Im Vorfeld stellt ein Kreisverband den Antrag, dass die Debatte verschoben und per Mitgliederbefragung entschieden wird. Das bügelt Merz ab: Man habe jetzt drei Jahre diskutiert, sodass man das Thema jetzt nicht in eine Mitgliederbefragung abschieben wolle: „Es gibt kein anderes Gremium als den Bundesparteitag.“ Das ist zum einen lustig. Denn genauso ist Merz CDU-Vorsitzender geworden. Drei Jahre lang hat Merkel ihn mit Zählkandidaten wie Kramp-Karrenbauer und Armin Laschet auf Parteitagen verhindert. Das geht, weil die Parteitage von Berufspolitikern dominiert werden. Erst eine Mitgliederbefragung machte ihn vom konservativen CDU-Rebellen zum CDU-Vorsitzenden.
Die Quote ist denn auch so ideounlogisch, wie Grünen ihre Regeln mögen: Ziel ist es, dass 50 Prozent der Führungspositionen von Frauen belegt werden. Die machen zurzeit 26 Prozent der Mitgliedschaft aus. Deswegen kommt die Quote stufenweise und steht unter dem Vorbehalt erst einmal nur für fünf Jahre zu gelten. Wenn sich die 26 Prozent Frauen, auf die 50 Prozent Plätze bewerben, aber nicht gewählt werden, bleiben die Stühle leer, wie es Merz formuliert. Vorausgesetzt die entsprechende Stufe der Quote ist schon erreicht. Von der Zeit, in der es um die Kompetenz der Kandidaten geht, werden CDU-Parteitage künftig etwas abknappen müssen für Satzungskunde. Aber so geht halt grüne Politik, die aber bei der CDU „erneuert“ heißen wird – oder „modern“.
Grün und ideounlogisch ist auch das Verfahren, mit dem die CDU künftig parteiinterne Kritiker verfolgen will. Äußert sich jemand in den sozialen Netzwerken negativ, gilt das als parteischädigend und er wird ausgeschlossen. Aber nur, wenn er es zu oft macht. Und auch nur, wenn er zu viel Resonanz dafür erhält. Wann ist zu oft und was ist zu viel Resonanz, will ein Kreisverband wissen? Man wolle praxistaugliche Lösungen und keine statischen Lösungen, antwortet ein Vertreter der Programmkommission. Auf Deutsch heißt das: willkürlich – wie es gerade passt. Damit erinnert die CDU an die Definition des Notstands im Infektionsschutzgesetz, auf den sich die Ampel geeinigt hat.