Wie wärmeempfindlich Corona ist, ist noch nicht restlos geklärt – der Lockdown ist es aber zweifelsohne. Je mehr Parks zum Picknick und Freibäder zum Schwimmen einladen und die heimische Wolldecke ihren Charme verliert, desto mehr nimmt die Bereitschaft der Menschen ab, zuhause zu bleiben. Insofern sind die Zukunftsaussichten von NoCovid-Ideologen zunächst begrenzt. Lauterbach spricht gar vom „letzten Gefecht“, die Strategie: Alles auf eine Karte, jetzt, super hart, sofort. Die Corona-Politik ist eine Pokerrunde geworden.
Wenn man sich wirklich fragen würde, was sinnvoll wäre, um Menschenleben zu schützen, wäre die Diskussion eine ganz andere. Selbst die Radikalsten würden dann vielleicht fordern, die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts in den Ausbau von Intensivstationen zu stecken oder eine Milliarde weiter Impfdosen zu bestellen. Aber der Lockdown? In einem Jahr Corona wurde die ominöse Belastungsgrenze des Gesundheitssystems nie erreicht und außer Horrormeldungen von der mutierten Mega-Mutanten gibt es auch wenig was dafür spricht, dass eine Triage in absehbarer Zeit eintreten könnte. Das bestätigte jüngst auch der Präsident der deutschen Krankenhausgesellschaft.
Es geht nach wie vor nur um ein Szenario. Zwar war es bisher nie so schlimm, wie vorhergesagt wurde, aber wenn jetzt nichts unternommen wird, laufen wir in ein Inferno. Diesmal ganz sicher.
Wie lange soll diese ewige Drohung noch ziehen? Müssten wir nach einem Jahr Corona nicht langsam akzeptieren können, dass Corona einfach so ist, wie es ist: Kein Spaß aber auch kein Armageddon?
Die Zahlen
Obwohl Deutschland sich an der Inzidenz gemessen in der siebten Woche der dritten Welle befindet, sinken die Todeszahlen kontinuierlich weiter – obwohl sie den Infektionszahlen eigentlich in einem Abstand von etwa drei Wochen folgen müssten.
Ganz offensichtlich ist die Zahl der Corona-Toten von der Zahl der Infektionen entkoppelt. Wie sollte es auch anders sein: Ein Drittel der über 70-Jährigen ist geimpft, Altersheime werden durch Schnelltests geschützt,
Behandlungsmöglichkeiten haben sich verbessert. Die Infektionen unter Alten und sehr Alten sind weiterhin auf einem sehr niedrigen Niveau, dramatisch hohe Todeszahlen sind daher nicht absehbar. Die Zahl der intensivmedizinisch behandelten Corona-Patienten steigt, ist aber immer noch auf einem mehr als beherrschbaren Niveau.
Doch anstatt sich diesen deutlich relevanteren Zahlen zu stellen, sprechen wir weiterhin ausschließlich über die bundeseigene Zahl der Inzidenz. Was diese Zahl so recht bedeutet, weiß keiner. Das RKI mixt sie irgendwie zusammen, alle Meldungen die man so reinkriegt, werden durch den Fleischwolf gedreht – „Die Differenz zum Vortag bezieht sich auf das Eingangsdatum am RKI; aufgrund des Übermittlungsverzugs können Fälle aus vorangegangenen Tagen darunter sein.“, heißt es. Die können nicht nur darunter sein, die sind verlässlich immer darunter. Munter passt das RKI seine Zahlen teilweise Monate rückwirkend an und verkauft einem wochenalte Infektionen als neu.
Jetzt über Ostern kommt ein ganz besonderes Spektakel dazu: Denn auf einmal fällt die Inzidenz wie von Geisterhand – weil über Ostern nicht gemeldet wird. Den gleichen Effekt hatten wir über Weihnachten. Kurz danach kommen die ganzen Nachmeldungen hinein und die Inzidenz schießt durch die Decke. In den nächsten Tagen dürfte die Inzidenz genau wie nach Weihnachten nach oben schießen – ohne dass es dafür einen äußerlichen Grund gibt. Ein reines Produkt unseres Gesundheitssystems. Dieser Anstieg kommt dann allerdings passend zu Merkels Versuch, den ganz harten Bundeslockdown durchzusetzen.
Wenn man sich die Kurve der vergangenen Wochen anschaut, spricht einiges dafür, dass wir uns dem Zenit der Welle ohnehin nähern – die Kurve scheint einen Wendepunkt genommen zu haben und sich ihrem Scheitelpunkt zu nähern. Die Steigung in den letzten 10 Tagen ist weniger als halb so groß, wie die Steigung im Vergleichszeitraum der zweiten Welle. Zieht man den Anstieg der Temperaturen, die fortschreitende Impfung und die Immunität in der Bevölkerung hinzu, ist es gut möglich, dass die Infektionszahlen in zwei bis drei Wochen fallen. Der Bundeslockdown ist also auch in der Hinsicht ideal terminiert – auch wenn er nicht wirkt, stehen die Chancen gut, dass es so aussieht, als ob er wirken würde.
Für Merkel sieht es daher gut aus. Ihr Kontrahent Armin Laschet wurde bereits weichgeschossen – er will jetzt einen „Brückenlockdown“ nach Ostern. Eine Brücke, die potentiell aber natürlich ins offene Meer hinaus geht, Seebrückenlockdown wäre wohl der passendere Begriff. Immerhin der an sich treue Daniel Günther wagt sich aus der Deckung, er möchte zunächst keine Ausgangssperren. Zuvor war auch Saarlands MP Tobias Hans von der Fahne gewichen.
Denn Merkel pokert nur noch – und sie gewinnt zunächst, weil sie mit maximalem Einsatz spielt und nichts zu verlieren hat. Langfristig gewinnt aber immer die Bank – und die CDU darf ihr in den Abgrund folgen. Jüngere Politiker, die noch etwas vorhaben, können nicht mehr einfach so mitgehen. Es ist alles nur ein Spiel, ein Kampf um Macht und Ansehen – auf dem Rücken eines Landes, das kurz vor dem Kollaps steht.