Mit 300 Millionen Euro für afrikanische Staaten will Angela Merkel „Fluchtursachen beseitigen“. Die deutsche Zusage soll die anderen G20-Staaten dazu animieren, ebenfalls ihre Entwicklungshilfe zu verstärken. „Die gute Entwicklung der Welt wird nicht funktionieren, wenn nicht alle Kontinente der Welt daran teilnehmen“, sagte Merkel am Montag beim Gipfeltreffen in Berlin mit afrikanischen Staats- und Regierungschefs. Sie erklärte, dass wirtschaftliche Entwicklung in Afrika Fluchtursachen beseitigen werde. Die Konferenz mit afrikanischen Staaten in Berlin bereitet den G20-Gipfel vor, zu dem Merkel für den 7. und 8. Juli nach Hamburg eingeladen hat. Daran nehmen die Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Wirtschaftsmächte aller Kontinente teil. Afrika wird auf Wunsch von Merkel das Schwerpunktthema des G20-Gipfels sein.
Merkel nun auch für Afrika zuständig
Merkel meinte schon vor einigen Monaten in einem Interview mit der Wochenzeitung DIE ZEIT, sie sei „überzeugt, dass unsere Sicherheit, unser Leben in Frieden und unsere nachhaltige Entwicklung mit der Lebenssituation von Menschen, die weit weg von uns wohnen, zusammenhängen“. Ihr Amtseid beziehe sich auf das Wohl Deutschlands, dieses sei aber heute „allein mit der Konzentration auf Deutschland selbst dauerhaft nicht zu erreichen“. „Wenn ich als deutsche Bundeskanzlerin dafür sorgen will, dass es uns Deutschen gut geht, dass die Europäische Union zusammenhält, muss ich mich auch darum kümmern, dass es in Europas Nachbarschaft so zugeht, dass Menschen dort Heimat auch als Heimat empfinden können. Konkret heißt das in unserer Zeit, dass wir uns in neuer Weise mit Afrika befassen müssen.” Durch Entwicklungshilfe soll die Situation der Bewohner Afrikas so weit verbessert werden, dass sie keinen Grund mehr haben, sich auf den Weg nach Europa zu machen, so Merkel.
Entwicklungshilfe gescheitert
In den vergangenen Jahrzehnten haben mindestens ein Dutzend Schwellenländer (überwiegend in Asien) ein enormes Wirtschaftswachstum erlebt und Hunderte Millionen sind aus der Armut in die Mittelschicht aufgestiegen. Grund dafür waren jedoch nicht Entwicklungshilfe-Maßnahmen der Industrieländer, sondern der Wechsel von der Plan- zur Marktwirtschaft. China ist dafür ein schönes Beispiel: Die Chinesen haben kaum Entwicklungshilfe bekommen, aber dort sind Hunderte Millionen, die in der kommunistischen Zeit unter Hunger litten, dem Elend entkommen, weil auch die Chinesen erkannten, dass Marktwirtschaft besser funktioniert als Planwirtschaft. In Ländern, die bei der Planwirtschaft geblieben sind, leiden die Menschen weiter Hunger – der Vergleich zwischen dem kommunistischen Nordkorea und dem marktwirtschaftlichen Südkorea spricht Bände.
Aber im selben Zeitraum, in dem sich in vielen asiatischen Ländern ein einzigartiger Wirtschaftsboom entfaltete, ist es etwa 30 Entwicklungsländern, vor allem im subsaharischen Afrika, nicht gelungen, ein beständiges Wirtschaftswachstum zu erzeugen. Trotz aller Hilfen haben sich manche sogar zurückentwickelt. Dabei wurde in den letzten 50 Jahren im Rahmen der Entwicklungshilfe eine Billion Dollar (!) Hilfsleistungen von den reichen Ländern nach Afrika überwiesen. In ihrem Buch „Dead Aid“ schreibt die Afrikanerin Dambisa Moyo: „Doch geht es den Afrikanern durch die mehr als eine Billion Dollar, die in den letzten Jahrzehnten gezahlt wurden, tatsächlich besser? Nein, im Gegenteil: Den Empfängern der Hilfsleistungen geht es wesentlich schlechter. Entwicklungshilfe hat dazu beigetragen, dass die Armen noch ärmer wurden und dass sich das Wachstum verlangsamte … Die Vorstellung, Entwicklungshilfe könne systematische Armut mindern und habe dies bereits getan, ist ein Mythos. Millionen Afrikaner sind heute ärmer – nicht trotz, sondern aufgrund der Entwicklungshilfe.“ Merkel glaubt nun, was mit einer Billion Dollar nicht erreicht wurde, werde sie durch 300 Mio. Euro erreichen – ein weiteres Beispiel maßloser Selbstüberschätzung und Realitätsferne.
Eine Studie der Weltbank belegt, dass mehr als 85 Prozent der Fördergelder für andere Zwecke verwendet wurden als ursprünglich vorgesehen, oft umgeleitet in unproduktive oder gar groteske Projekte. Obwohl die Auflagen ignoriert und unverblümt missachtet worden seien, wurde weiterhin Entwicklungshilfe geleistet. Oft genug also spielten Konditionalitäten, obwohl ein zentraler Teil der Entwicklungshilfevereinbarungen, in der Praxis kaum eine Rolle. Warum soll das diesmal anders sein?
Afrikaner könnten sich nur selbst helfen
Die Afrikaner könnten sich nur selbst helfen, so wie es viele asiatische Staaten getan haben. Demokratie kann ebenso wenig exportiert werden wie Marktwirtschaft – die vergeblichen Versuche der USA, die in Ländern wie dem Irak oder Lybien interveniert haben, haben gezeigt, dass Demokratie eben nicht exportiert werden kann. Und auch die Entwicklungshilfe hat, wie Moyo in ihrem Buch eindrücklich belegt, mehr geschadet als genutzt. Ja, es gibt die Gefahr, dass Abermillionen Menschen aus Afrika aufbrechen, um nach Europa zu kommen. Aber Merkels Strategie „Fluchtursachen zu beseitigen“, wird scheitern. Solange es in Afrika an Marktwirtschaft, Rechtsstaat und Demokratie mangelt, wird sich die Situation dort nicht bessern, egal ob Merkel 300 Millionen Euro überweist oder nicht. Und solange sich die Situation nicht ändert, wird uns nichts anderes übrig bleiben, als das zu tun, was Europa bislang nicht willens war zu tun, nämlich unsere Grenzen gegen unkontrollierte Zuwanderung wirksam zu sichern. Diese unkontrollierte Zuwanderung schadet übrigens nicht nur uns, sondern auch den afrikanischen Ländern: Denn es sind ja keineswegs die Ärmsten der Armen, die Tausende Dollar für Schlepper bezahlen können, sondern es ist eine Minderheit von Afrikanern, die gerade in Afrika selbst dringend gebraucht würden, um dort etwas zu verändern.
Über den Autor Rainer Zitelmann und sein neuestes Buch.