Tichys Einblick
"Kreuz an der falschen Stelle"

Merkel erhält höchsten deutschen Orden – Für was eigentlich?

Die Ordensverleihung an die frühere Bundeskanzlerin sorgt nicht nur bei den üblichen Verdächtigen für Kritik - sondern auch aus der CDU heraus. Zu Recht: denn Merkel hat ein zweifelhaftes Erbe hinterlassen, das Deutschland auf Jahre prägen wird.

IMAGO / Eibner

Am Montag, 17. April, 18 Uhr, bekommt Ex-Kanzlerin Angela Merkel von Bundespräsident Steinmeier das „Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland in besonderer Ausführung“ ausgehändigt. Das ist die höchste, die achte Stufe des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, die bislang nur den Kanzlern Konrad Adenauer (1954) und Helmut Kohl (1998) zuteilwurde. Welche Anti-Klimax nun 2023! 1996 hatte Merkel übrigens bereits das Große Verdienstkreuz und 2008 das Großkreuz erhalten.

Kritik sogar aus der CDU

Man höre und staune: An dieser Verleihung gibt es doch tatsächlich Kritik, nicht nur von den üblichen Verdächtigen, sondern aus der CDU heraus. CDU-Urgestein Wolfgang Schäuble ist (noch?) nicht bereit, Merkel in die Reihe der großen Kanzler Adenauer, Brandt, Kohl einzufügen. Und der Vorsitzende der CDU-Grundwertekommission, der Mainzer Historiker Professor Andreas Rödder (55), hat diese Verleihung in einer Kolumne im Tagesspiegel vom 14. April mit der Überschrift „Das Kreuz an der falschen Stelle“ kritisiert.

Rödder schreibt, die Auszeichnung sei „ein Fehler, mit dem der Bundespräsident der Demokratie und ihrer Glaubwürdigkeit schadet“. Mit der Ordensverleihung „belobigt der Bundespräsident nicht nur seine frühere Chefin, sondern auch das problematische Erbe der vergangenen Jahre – und sich selbst.“ Die „Ära Merkel“, Ende 2021 mit viel öffentlicher Wehmut verabschiedet, „implodiert vor unseren Augen“, so Rödder.

Kein Aprilscherz
„Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik in besonderer Ausführung“
Zur Bilanz der Regierungszeit Merkels gehören demnach eine Energiepolitik, die nicht funktionieren kann; eine Russlandpolitik, die als größter außenpolitischer Fehler seit 1945 angesehen wird; eine Verteidigungspolitik, die der frühere Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels eine „Abrüstung im Blindflug“ nannte; eine Sozialpolitik, die die demographische Entwicklung immer mehr ignorierte und stattdessen mit staatlichen Transferleistungen Wohlstandserwartungen weckte, die auf Dauer nicht zu erfüllen sind; eine Migrationspolitik, für die selbst abwägende Beobachter mit Blick auf das Jahr 2015 den Begriff „Chaos“ verwendet haben.

Merkels Methode, getroffene Entscheidungen als „alternativlos“ einzuordnen und so jeder weiteren Diskussion zu entziehen, habe, so Andreas Rödder, „einen Dogmatismus befördert, in dem nicht die Pluralität der Meinungen anerkannt wird, sondern nur eine Wahrheit zählt, nämlich die eigene“

Handverlesene Gäste

Ein Geehrter darf rund zwanzig Gäste zur Feier und zum feierlichen Abendessen im Bellevue dazuladen. Bei Merkel sind das natürlich Ehemann Sauer und die Geschwister. Es kommen dazu: Kanzler Olaf Scholz, die unvermeidliche Ursula von der Leyen, Merkels engste Vertraute Annette Schavan, Ex-Sprecher Steffen Seibert, Ex-Fußballtrainer Jürgen Klinsmann, Ex-Kanzleramtsminister wie Pofalla, Braun, de Maizière, Altmaier. Viel interessanter ist, wer nicht dabei ist. Kein Friedrich Merz, offenbar auch keine Annegret Kramp-Karrenbauer, kein Armin Laschet, kein Christian Wulff, kein Joachim Gauck, kein Wolfgang Schäuble, kein Norbert Lammert. Weniger ernst gemeint: auch kein Mesut Özil, der für Merkel ja ein großartiges Beispiel von Integration war.

Merkel an der Eidesformel messen?

Wir wissen nicht, welche Laudatio Steinmeier halten wird. Wir wissen aber jetzt schon, dass Steinmeier die Eidesformel laut Artikel 56 des Grundgesetzes ehrlicherweise nicht bemühen und auf Merkel anwenden kann. Denn diese Formel lautet: „Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. (So wahr mir Gott helfe.)“ Es dürfte am 17. April jedenfalls die x-te hagiographische Rede mit viel Geschichtsklitterung eines Mannes werden, der sein Amt wem (?) zu verdanken hat: Angela Merkel!

Aber lassen wir diese für alle Beteiligten peinliche Konstellation. Nennen wir über die die von Rödder genannten Verirrungen hinaus – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – noch manch andere Verirrung Merkels:

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