Tichys Einblick
Bayerischer „Verdienst“-Orden für Merkel

Als Post-Merkelianer lässt sich Söder von niemandem übertreffen

Mit NRW und Bayern haben nun die beiden größten deutschen Bundesländer Ex-Kanzlerin Merkel geehrt. Fehlen noch 14! Am meisten persönliches Interesse, Merkel zu ehren und zu danken, hätte Bodo Ramelow, Ministerpräsident von Thüringen, was er ohne ihre Intervention aus Südafrika nicht mehr wäre.

Vergabe des Bayerischen Verdienstordens an Angela Merkel durch Markus Söder am 21. Juni 2023 im Antiquariat der Residenz in München

IMAGO / Sven Simon

Orden einheimsend zieht sie derzeit durch die Lande: Ex-Kanzlerin Angela Merkel (offiziell: CDU). Am 17. April 2023 verlieh ihr Merkels vormaliger Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier, jetzt Bundespräsident (mit ruhender SPD-Mitgliedschaft), den allerallerhöchsten Orden der Republik, den bislang nur Konrad Adenauer und Helmut Kohl bekommen hatten, nämlich die Sonderstufe des Großkreuzes. Vier Wochen später, am 16. Mai 2023, händigte ihr der wendig-smarte Merkel-Möchtegern-Nachnachfolger Hendrik Wüst (CDU) in seiner Eigenschaft als NRW-Ministerpräsident den NRW-Staatspreis aus.

Bei so viel Hagiographie (vulgo: Heiligenlegendenschreibung) konnte und wollte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nicht zu spät kommen. Gerade noch rechtzeitig vor der Ehrung in NRW verkündete Söder, dass Merkel den Bayerischen Verdienstorden bekomme; das ist dort nach dem Maximiliansorden der zweithöchste. Nun, am 21. Juni, 13 Uhr, ist es so weit: im „Antiquarium“ (sic!) der Münchner Residenz, dem Sitz der Herzöge, Kurfürsten und Könige von Bayern aus dem Haus Wittelsbach von 1508 bis 1918.

Dieser Bayerische Verdienstorden ist schon etwas Besonderes. Er wurde 1957 eingeführt und seither weit über 5.000-mal verliehen. Gedeckelt ist er allerdings auf maximal 2.000 lebende Ordensträger. Das heißt, so makaber es klingt: Es müssen immer erst wieder einige Ausgezeichnete das Zeitliche segnen, bis neue Ordensträger gekürt werden können. Allerdings ist derzeit etwas Luft nach oben: Es gibt aktuell rund 1.900 lebende Ordensträger. Darunter jede Menge Minister, (Ex-)Abgeordnete, Sportler, Unternehmer, Schauspieler und „Kulturschaffende“ wie etwa die „grüne“ Claudia Roth.

Und nun das vermeintlich Besondere: Der Bayerische Verdienstorden soll ein „Zeichen ehrender und dankbarer Anerkennung für hervorragende Verdienste um den Freistaat Bayern und das bayerische Volk“ sein. Er symbolisiere, so die offizielle Lesart, den „herausragenden Einsatz und das außerordentliche Engagement der Bürger im Freistaat für das Gemeinwesen“.

Vorschlagsberechtigt sind der Ministerpräsident sowie die Staatsminister für ihre Geschäftsbereiche. Darüber hinaus kann jedermann bei den Kreisverwaltungsbehörden, Regierungen, Bayerischen Staatsministerien und der Bayerischen Staatskanzlei Anregungen auf Verleihung eines Ordens (PDF) einreichen. Interessanterweise steht als Erläuterung für Vorschläge, die jedermann per Formular einreichen könne: „Die reine Erfüllung von Berufspflichten … allein genügt nicht …“ Ministerpräsident Söder musste dieses Formular natürlich nicht benutzen und sich schon gar nicht an die Erläuterung dazu halten.

Auf eine Ordensträgerin Merkel wären wir angesichts dieser Vorgaben als Freistaatler nie, nie, nie gekommen. Und wenn man den Mann respektive die Frau (Letztere natürlich unverfänglich gemeint) von der Straße fragt, womit sich Merkel um den Freistaat „hervorragend“ verdient gemacht habe, erntet man eher als Gegenfrage und Antwort zugleich ein „Hä?“

Markus Söder muss es wissen. Dass Merkel ihren Amtseid nun wahrlich nicht erfüllt hat: für Söder kein Thema. Dennoch sei gefragt: Was ist das, wenn eine Merkel mit der Atomenergie eine Schlüsseltechnologie verbietet (2011 von Merkel begonnen) und die Deindustrialisierung Deutschlands vorantreibt? Was ist das, wenn eine CDU-Kanzlerin Angela Merkel Millionen Flüchtlinge in Parallelgesellschaften innerhalb Deutschlands lockt? Wenn sie dafür jetzt von SPD und „Grünen“ gelobt wird? Gerade Bayern bekam das zu spüren. Dass Merkel im Herbst 2015 Bayern an der Grenze zu Österreich einer Fluchtbewegung von Hunderttausenden aussetzte; dass Merkel 2011 sechs Reaktoren an vier Standorten in Bayern abschalten ließ bzw. deren Abschaltung initiierte: für Söder offenbar Pillepalle. Nun soll Merkel für ihre Bewältigung internationaler Krisen wie der Finanzkrise, der Euro-Krise und der Corona-Pandemie geehrt werden, sagte ein Sprecher Söders vorab. Und: „Ebenso war und ist sie als erste Bundeskanzlerin in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ein Vorbild für Gleichberechtigung – sie hat dadurch vielen Frauen einen bedeutenden Weg in Politik und Gesellschaft gewiesen“, hieß es weiter.

Wenn sich der Franke „Maggus“ da mal nicht verschätzt. Mit „Merkel“ ist wohl seit Februar 2020 (Thüringen, siehe unten!) kein Blumentopf mehr zu gewinnen. Söder mag ja noch vor wenigen Wochen von einer absoluten CSU-Mehrheit geträumt haben: Eine Umfrage hatte seiner CSU für die Landtagswahl am 8. Oktober 2023 immerhin 43 Prozent prognostiziert – die allerdings auf mittlerweile 39 oder 40 Prozent zusammengeschmolzen sind. Die Ordensinszenierung für Merkel könnte indes weitere Abschmelzungen provozieren. Oder aber Söder kalkuliert anders und möchte als Merkelianer „grüne“ Wähler einfangen. Oder er möchte überhaupt im Gespräch bleiben: für den Fall, dass es seinem NRW-Kollegen Wüst doch nicht gelingt, Merz eine Kanzlerkandidatur streitig zu machen. Dann nämlich steht Söder als Post-Merkelianer Gewehr bei Fuß.

Boshafter oder auch realistischer Ausblick: Nun haben die beiden größten deutschen Länder Merkel geehrt. Fehlen noch 14! Da können wir uns noch auf manches gefasst machen. Am meisten persönliches Interesse, Merkel zu ehren und zu danken, hätte übrigens Bodo Ramelow, der „Linken“-Ministerpräsident von Thüringen. Ohne Merkels Intervention aus dem fernen Südafrika (die Wahl des FDP-Manns Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten sei „unverzeihlich“ und müsse „rückgängig gemacht werden“) wäre er seit Februar 2020 Ex-Ministerpräsident.

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