2018 schien schon alles vorbei. Bei den Landtagswahlen in Hessen und Bayern verlor die Union jeweils über 10 Prozentpunkte, bundesweit stand sie gerade noch bei 25 Prozent, auf dem Allzeittief. Merkels Rücktritt als CDU-Vorsitzende war notwendig. Öffentlich tauchte sie mehr und mehr ab, ihre Zitteranfälle schienen den Eindruck von Merkels Abstieg zu bestätigen. Sie wirkte immer müder, immer kraftloser. Doch in Wahrheit sollte ihr Rücktritt ihre Allmacht erst vervollständigen.
Doch ein Problem war in diesem letzten Merkel-Hyp von vornherein angelegt: Merkel regierte immer in der Schwebe und im Schwammigen, sie vernebelte die Realität zu ihren Gunsten. Wohlgesonnene Medien ließen die negativen Konsequenzen, die aus ihrem Handeln folgten, in der Öffentlichkeit verschwinden. So konnte sie immer nach kurzfristigen Launen schwenken. Dass aus dem Atomausstieg drastische Strompreiserhöhungen folgten, aus der Grenzöffnung die Kölner Silvesternacht, aus der Euro-Rettung die kalte Enteignung der Sparer – für eine entpolitisierte, und asymmetrisch demobilisierte Bevölkerung war das alles ganz weit weg. Bei Corona schien es zunächst ähnlich: Wie die Panik vor Fukushima oder die Willkommenskultur 2015 dominierte auch jetzt das große solidarische Corona-Zusammenstehen die öffentliche Meinung – und eben nicht die Konsequenzen daraus.
Sie hat die Stimmung der Zeit falsch eingeschätzt, sich festgebissen, den Moment, sich an die Spitze der Entwicklung zu stellen, verschlafen. Sie gewann immer, weil sie alles vernebelte und es so schaffte, dass alle Seiten für sie waren. Doch jetzt hat das Spiel sie auf den Kopf gestellt: Wegen ihres ewigen Verklausulierens sind diesmal alle gegen sie – sowohl Lockdown-Gegner als auch Lockdown-Befürworter.
Ihr System zerfällt.
Als Napoleon aus der Verbannung von Elba zurückkam, war er seinem Erfolg so nahe wie lange nicht. Doch seine erneute Herrschaft sollte nur 100 Tage dauern. Die Corona-Zeiten sind Merkels 100 Tage, ihr letztes Aufbäumen. Ihr bleibt nur das, was sie immer tut: verschleppen, verzögern, verschweigen. Aber in der letzten Runde geht sie dabei K.O..