Tichys Einblick
Umfragen als PR-Instrument

Meinungs-Umfragen? – Meinungsverbreitung

Meinungs-Umfragen sind kein Mittel zu erkennen, was "die Deutschen denken", sondern Propaganda-Wirkungskontrolle und Public Relations zugleich.

Rainer Zitelmann kommentierte und interpretierte gestern neuere Umfragen. So viel ich in der Vergangenheit über Umfragen geschrieben und referiert habe, so sehr tue ich das immer seltener. Aus zwei einfachen Gründen.

  1. Die Schweigespirale war noch nie so groß wie in den 2010er Jahren. Nie vorher haben die Leute in derart großer Zahl bei Umfragen nicht mehr gesagt, was sie denken, sondern wovon sie zu wissen glauben, welche Antwort von ihnen erwartet wird – vom Mainstream, also dem was die meisten Medien ihnen als Mainstream-Meinung vermitteln. User im Internet, die beschreiben, wie sie bei Umfragen bewusst falsch antworten, um diese ad absurdum zu führen, sind keine Seltenheit mehr.
  2. Umfragen sind spätestens seit der Umstellung von der persönlichen Befragung des physisch anwesenden Gegenübers auf telefonische nicht mehr wert, als die Ergebnisthese der Ersteller des Fragebogens vor Beginn der Befragung. Kommt nicht raus, was gewünscht wird, „korrigieren“ das die Demoskopen durch „Gewichtung“ und ihre Auftraggeber durch selektivere Interpretation denn je.

Erstens stimme ich zu, dass die Deutschen „einen starken Hang zum Egalitarismus, und zwar fast quer durch die Parteien“ zeigen. Hier würde ich lediglich das Wörtchen „fast“ streichen. Diese Erkenntnis entspricht dem täglichen Hören in Eisen- und Straßenbahn, der Kantine, in Ärzte-Wartezimmern, beim Stammtisch und in Urlaubsgesprächen.

Daraus dass 51 Prozent für die „Bürgerversicherung“ sind, schließe ich nicht, dass das so ist, sondern dass mindestens diese 51 % mit ihren Krankenkassen nicht zufrieden sind. Es ist unseriös, die Leute etwas zu fragen, wenn man wissen muss, dass sie nicht wissen können, was „Bürgerversicherung“ bedeutet. Das Gleiche trifft auf die „Solidarrente“ und die „Reichensteuer“ zu – und das „Kooperationsverbot“ für Bund und Länder in der Bildungspolitik. Wie viel Prozent Berufspolitiker und Berufsjournalisten könnten das selbst verständlich erklären?

Die Institute stellen den Befragten keinen „offenen Fragen“, sondern „geschlossene“ – Suggestivfragen also. Hoch unseriös, um es höflich auszudrücken.

Beim Themenfeld Zuwanderung gilt das Gesagte zur Potenz.

Und wer schließlich macht sich klar, dass Entwicklungshilfe dort Kolonialismus mit anderen Mitteln ist, Integration Kultur-Assimilation hier, also allesamt Eurozentrismus und westlicher Kultur-Imperialismus? Welche Medien öffnen den Blick für diese Wirklichkeit (erst mal sich selbst)?

Meinungs-Umfragen, so wie sie hierzulande im Auftrag von Medien durchgeführt werden, sind kein Mittel zu erkennen, was „die Deutschen denken“, sondern in welchem Umfang bei ihnen angekommen ist, was sie denken sollen: Propaganda-Wirkungskontrolle, in der heutigen Terminologie öffentliche PR-Wirkungskontrolle und damit selbst PR.

Übrigens zunehmend wirkungsschwache PR, weil immer mehr Befragte sie in der Schweigespirale bewusst und unbewusst ausbremsen.

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