Tichys Einblick
Chef der Hausärzte widerspricht Lauterbach

Medikament gegen Corona: Kaum einer nimmt es, Experten bezweifeln Wirkung

Covid-19 sei behandelbar, die Ärzte müssten nur die vorhandenen Medikamente einsetzen. Das hat Karl Lauterbach (SPD) bei Maischberger gesagt. Spoileralarm: Der "Gesundheitsminister" hat den Mund zu voll genommen - wieder mal.

Karl Lauterbach

IMAGO / photothek

Karl Lauterbach (SPD) spricht. Und es ist eigenartig. Moderatorin Sandra Maischberger grinst ihn an wie ein kleines Kind, das erklärt, wo seiner Meinung nach die Babys herkommen. Ab und an schneidet die Regie auf eine Runde Journalisten, die auch in die Sendung eingeladen sind. Die feixen, während Lauterbach redet, als wäre der in seiner Rolle als Komiker im Studio. Als solcher tritt er demnächst tatsächlich in der Show „One Mic Stand“ auf. Doch Lauterbach ist als Gesundheitsminister bei Maischberger und verbreitet die übliche Mischung aus Studien, die er gelesen habe und starker Verbreitung mit schweren Verläufen, die uns in Sachen Corona bevorstünden.

Vielleicht hakt Maischberger deshalb nicht nach, als der Minister nach rund acht Minuten von fehlenden Behandlungskonzepten spricht. Es gäbe Medikamente gegen die Folgen einer Corona-Infektion und würden die eingesetzt, ließen sich viele Todesfälle vermeiden. Unnötige Tote in einer Pandemie, für die wir wieder und wieder Betriebe still legen? Eigentlich unverzeihlich, dass Maischberger in dem Minister den Komiker sieht und das nicht näher wissen will. Doch Lauterbach hat scheinbar einmal zu oft „Wölfe“ gerufen, hat einmal zu oft von „absoluten Killervarianten“ schwadroniert, um noch ernst genommen zu werden. Und eine Recherche gibt Maischberger dann nachträglich recht.

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Der Punkt mit dem fehlenden Behandlungskonzept war in der Berichterstattung zur Sendung untergegangen. TE hat ihn in den Mittelpunkt gestellt. Andere Medien haben nachgezogen und Experten befragt. Deren Meinung: Lauterbach hat den Mund wieder mal zu voll genommen. „Diese Vorstellung mag zwar verführerisch sein, entspricht aber nicht den Fakten“, sagt der Chef des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Zwar gebe es erfreuliche Fortschritte in der Behandlung. Aber es sei nicht so, dass Ärzte nur Medikamente verschreiben müssten und alles werde gut – so wie es Lauterbach bei Maischberger gesagt hat.

Es geht um das Medikament Paxlovid. Wie auch schon ein Impfstoff wird dieses Medikament von Pfizer hergestellt. Den Zuschlag für die Produktion hat ein Werk in Freiburg bekommen. Eine schnelle Reaktion auf den Virus. Von der jetzt aber eine im „New England Journal of Medicine“ veröffentlichte Studie sagt, dass die Wirkung deutlich schwächer sei als erwartet. Das gelte vor allem für gesundheitlich nicht vorbelastete Menschen. Trotzdem setzt die deutsche Gesundheitspolitik auf Paxlovid: „Die schweren Verläufe sind ja die, die wir brechen wollen, und das kann dieses Medikament“, sagt Torsten Bauer der Tagesschau. Er ist Präsident der deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin.

Bisher ist entweder der Bedarf für das Medikament nicht so groß – oder das Vertrauen in das Medikament fehlt. Auf Nachfrage von TE hat das Gesundheitsministerium mitgeteilt, dass es im Februar eine Million Einheiten des Mittels bestellt habe. Das werde von Pfizer übers Jahr verteilt ausgeliefert. Bisher seien 350.000 Einheiten in den Großhandel gegangen. Bis Ende Mai sind aber laut Ministerium gerade mal 17.200 Einheiten abgerufen worden. Paxlovid ist verschreibungspflichtig. Das heißt: Von der bisher gelieferten Menge sind gerade mal knapp 5 Prozent abgerufen worden – von der bestellten Menge sind es entsprechend nur 1,7 Prozent.

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Woran liegt es? „Hintergrund ist, dass dieses Mittel in der Anwendung nicht ganz trivial ist“, antwortet das Ministerium auf TE-Nachfrage. Paxlovid müsse „in sehr begrenztem Zeitraum nach der Infektion verabreicht werden“. Dann könne es sein, dass es „in Kombination mit zahlreichen anderen Medikamenten nicht den gewünschten Effekt haben kann“. Ohnehin sei es nur für volljährige Menschen gedacht, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf haben. Das Ministerium habe den Expertenrat der Bundesregierung gebeten, ein Behandlungskonzept zu entwickeln. „Dies bleibt zunächst abzuwarten“, heißt es aus Lauterbachs Ministerium.

Eine gute Antwort des Gesundheitsministerium: Nüchtern. Realistisch. Mahnend, dass es Geduld brauche. Woraus folgt, dass die Erwartungen nicht zu hoch sein dürfen. Zu einem Punkt, den der Chef dieses Hauses im Fernsehen marktschreierisch mit den Worten verkündet hatte: „Wir könnten viele der 180 (täglichen) Sterbefälle verhindern, wenn wir die Medikamente, die wir schon haben, die wir schon bezahlt haben, besser einsetzen würden.“ Vielleicht ein bisschen weniger marktschreierisch, vielleicht ein bisschen weniger Panikmodus – und Lauterbach würde in Sendungen wie Maischberger wieder eher wie ein Staatsmann wahrgenommen und nicht als Komiker einer drittklassigen Show.

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