Tichys Einblick
Infektionsverantwortung

Maskenpflicht: keine medizinische Forderung

Wer aus Ängstlichkeit eine Maske tragen und Abstand halten will, kann das tun; er kann auch darauf verzichten, die öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen, Gaststätten und Hotels oder Kino, Theater, Konzerte, Diskotheken, Partys usf. zu besuchen: Dies ist seine freie Entscheidung in Eigenverantwortung. Von Rudolf Brandner.

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In der gegenwärtigen Corona-Diskussion um die Maskenpflicht machen sich auf Seiten der Befürworter mehr und mehr außermedizinische Gründe geltend, die sich auf einen moralischen Begriff der Verantwortung berufen: Danach sei es eine Sache der Verantwortung, Andere nicht zu infizieren – und so sollte die Maske aus reinem Verantwortungsgefühl, aus Rücksicht und Respekt für die Mitmenschen von allen getragen werden. So gelten dann die «Maskenverweigerer» als rücksichtslose Egozentriker, die die kollektive Gesundheit aufs Spiel setzten und damit selbst zum Grund immer schärferer staatlicher Verordnungen würden, um Schaden von der Gemeinschaft abzuwenden. Wie steht es damit?

Der Rückgriff auf außermedizinische Argumente erfolgt nicht zufällig gerade dort, wo die medizinische Unsinnigkeit des Maskentragens eingestanden wird (Vgl. dazu das Gespräch von Prof. Sucharit Bhakdi mit Dr. Ulrich Mansmann auf der Deutschen Welle). Denn die Viren sind viel zu klein, um von dem Maschennetz der Maske abgehalten zu werden. Die Maske ist also virendurchlässig – so wie etwa das Netz eines Fußballtors für Fliegen, und verursacht durch die CO2 Rückatmung einen Sauerstoffmangel in Blut und Gehirn, was zu Kopfschmerzen und anderen Beeinträchtigungen der gesunden Leistungsfähigkeit führen kann.

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Dann ließe sich zur Begründung der Maskenpflicht auch ebensogut der Klimaschutz anführen (CO2 Verminderung) oder der Kampf gegen Haß und Hetze, da der Sauerstoffmangel im Gehirn alle Aggressivität tilgt und die Subjekte zu gefügigen Ja-und-Amen-Sagern macht. Der Rekurs auf außermedizinische Argumente gleicht so mehr einem Offenbarungseid, der mit dem moralischen Appell an Verantwortung, Rücksicht und Respekt übertüncht werden soll. Sehen wir deshalb nun von allen medizinischen Begründen Pro und Contra ab und fragen nur: Gibt es eine individuelle Verantwortlichkeit für die Infektion von Anderen?

Die Antwort ist klar und unmissverständlich: Ja!- Wer an Geschlechtskrankheiten (Gonorrhoe, Siphylis) leidet oder HIV-positiv ist, sollte, sofern er dieses weiß, es dem Anderen, der mit ihm GV haben will, mitteilen. Dies schließt nicht aus, dass der GV in wechselseitigem Einverständnis und im vollen Bewusstsein des Infektionssrisikos stattfindet – Leidenschaft, Verliebtheit, Sexualtrieb mögen stärker sein, und die Konsequenzen tragen allein die in Eigenverantwortung handelnden Beteiligten. Deshalb ist ihr Verhalten auch nicht strafrechtlich relevant. Ebenso verhält es sich, wo in Unkenntnis gehandelt wird. Justiziabel ist allein die bewußte und vorsätzliche Verheimlichung der Infektionsgefahr; und in diesem Sinne trägt dann der Einzelne auch die justiziable Verantwortung für die Infektion von Anderen. Dies mag dann auch in verschiedenen Gewerben zur Berufsunfähigkeit führen – nicht nur in der Prostitution, sondern auch der Gastronomie (Hepatitis usf.) und anderem mehr.

Auch im Alltag gehört es zweifelsohne zum Standard zivilisierten zwischenmenschlichen Verhaltens, Andere auf einen eigenen Infekt hinzuweisen und ihnen Abstand anzuempfehlen. Aber auch dies mag nicht eingehalten und vernachlässigt werden – nicht nur im affektiven und familiären Kontext. In der alljährlichen Grippesaison weiß das jeder und kann sich entsprechend vorkehren – oder sein normales Leben wie sonst verfolgen.

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Wer sich kräftig und gesund fühlt, mag auf sein Immunsystem vertrauen oder sich von einer Infektion die Stärkung seiner Abwehrkräfte erhoffen. Nicht zuletzt sind auch aktive Impfungen – Infektionen; und nicht wenige haben nach ihrer ersten Grippeimpfung auch ihre erste Grippe bekommen. Ärzten und Gesundheitspersonal ist es ohnehin untersagt, von Infizierten Abstand zu halten: Ihre Pflicht ist gerade, ihre professionelle Gesundheitsgefährdung durch Infektionskrankheiten auf sich zu nehmen und durchzustehen, um den Kranken überhaupt helfen zu können. Und keiner würde dafür den Kranken verklagen, ihn infiziert zu haben: Er ist als behandelter Pflegefall von aller Verantwortung für die Infektion seiner Mitmenschen befreit.

Die Sache ist also nicht ganz so einfach, wie es sich der Vorwurf an die Maskenverweigerer macht. Verantwortung hat der Mensch nur für das, was von ihm abhängt – wovon er, sein selbstbestimmtes Handeln, wissentlich Grund ist. Aber jeder Mensch ist unwissentlich Träger von zahllosen Viren und Bakterien, die im alltäglichen Verkehr ausgetauscht werden und meistens inapparent bleiben, also nicht krankheitserregend, sondern eher immunstärkend wirken. All das gehört zur bewusst- und willenlosen Naturseite menschlicher Interaktion und entzieht sich jeder individuellen Kontrolle, bleibt also ohne Relevanz für den Verantwortungsbegriff. Kerngesunden Menschen Verantwortungslosigkeit für die Gesundheit ihrer Mitmenschen vorzuwerfen, weil sie keine Maske tragen, geht also nicht; selbst dann nicht, wenn sie einen positiven PCR-Test gemacht haben sollten, selbst aber asymptomatisch bleiben. Denn über die Infektiösität sagt dieser gar nichts aus – womit wir wieder bei der medizinischen Seite wären.

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Aber auch ohne dies bleibt es unstatthaft, dem Einzelnen die Verantwortung für die Gesundheit seiner Mitmenschen aufzubürden; er hat sie noch nicht einmal für sich selbst oder nur zu dem geringen Teil, den er als endliches Lebewesen in Eigenverantwortung auszutragen hat. Dazu gehört auch die Freiheit, sich bewusst Infektionsrisiken auszusetzen – wie bei jeder Reise in ferne Länder. Noch unstatthafter ist es, wenn sich der Staat die Verantwortung für die Gesundheit des Einzelnen anmaßt und ihn dadurch seiner Eigenverantwortung entmündigt. Sache des Staates ist das Gesundheitssystem zur Warnung vor Krankheiten und zu ihrer optimalen Heilung; wo zur Begründung allgemeiner Maskenpflicht die Verantwortung für die Gesundheit der Anderen herbeigezogen werden muss, weil die medizinischen Gründe fehlen, ist ein rein psychologischer Pseudo-Altruismus am Werk, der sich moralisch aufführt, aber nur zur Dämonisierung der Mitmenschen als «Gefährdern» führt.

Deshalb: Wer aus Ängstlichkeit eine Maske tragen und Abstand halten will, kann das ja tun; er kann dann auch darauf verzichten, die öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen, Gaststätten und Hotels oder Kino, Theater, Konzerte, Diskotheken, Partys usf. zu besuchen: Dies ist seine freie Entscheidung in Eigenverantwortung, durch die er sich vor der vermeinten Infektionsgefahr schützen kann. Und wenn er einen ohne Maske sieht, kann er ja Reiß-aus nehmen und davonlaufen. Was übrigens zeigen würde, wie wenig er dem Virenschutz der Maske vertraut – und wie unsinnig dann sein eigenes Maskentragen samt den Vorwürfen an sogenannte «Maskenverweigerer» ist.

Alle anderen aber sind in freier Eigenverantwortung und Kenntnis der möglichen Infektionsgefahr frei zu handeln, wie es ihnen beliebt: die Konsequenzen tragen sie selber – und sie werden, wenn überhaupt, keinen anderen anstecken, der nicht so denkt wie sie und in freier Eigenverantwortung sich dem Infektionsrisiko bewusst aussetzt. Wo also ist das Problem – wenn nach allen uns vorliegenden statistischen Daten weder eine massive Hospitalisierungswelle noch eine erhöhte Infektions-Letalität-Rate (infection-fatality-rate) zu befürchten ist?

Denn dies – und nicht der PCR-Test – ist das einzig valide Kriterium für die Legitimität der Corona-Maßnahmen, wie es anfangs auch am befürchteten Kollaps des Gesundheitssystems intendiert worden war. Aber das zwischenzeitlich ausgebrochene Chaos der Maßregelungen zeigt nur allzu deutlich, wie man inzwischen jedes vernünftige Maß verloren hat. So wird das Land zum Narrenhaus, das von peitschenschwingenden Zirkusdirektoren durcheinander gewirbelt wird: Politische Kompetenz sieht anders aus.

Rudolf Brandner

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