Tichys Einblick
Zerstörter FDP-Mythos

Bundesjustizminister Marco Buschmann gibt den Oppositionsschauspieler

Das Zusammengehen Marco Buschmanns mit Karl Lauterbach beim Infektionsschutzgesetz ist nicht nur Kooperation; es ist Kollaboration, weil der Justizminister die Aufgabe hätte, einen solchen Gesetzesentwurf im Kabinett zu verhindern, statt ihn auszuarbeiten.

IMAGO/Political Moments

Was kann man über die FDP-Umfaller-Partei noch sagen, was nicht längst gesagt wäre? Vielleicht so viel: Mit der Hartnäckigkeit, mit der die Partei derzeit umfällt, kommt sie auf der anderen Seite wieder aus dem Erdboden heraus. Damit geht ein merkwürdiger Versuch der Ehrenrettung einher: Die FDP würde ja noch in ihrer Regierungsfunktion das Schlimmste verhindern.

Affäre Maskenlos im Regierungsflieger:
Lauterbach verwirrt mal wieder und Buschmann berät sich selbst
Das Gesicht dieser Politik trägt das Konterfei von Bundesjustizminister Marco Buschmann. Er führt an: Die neuen Corona-Maßnahmen seien „grundrechtsschonend“. Es ist hoffentlich der Begriff, der auch noch in Jahrzehnten mit Buschmann assoziiert wird. Denn jedes Infektionsschutzgesetz setzte bisher immer die Einschränkung von Grundrechten voraus. Wie kann etwas „grundrechtsschonend“ sein, was schon seiner Bestimmung nach Grundrechte verletzt? Eine klare Definition dafür, ab wie vielen gebrochenen Grundrechten ein Gesetz als nicht mehr „grundrechtsschonend“ gilt, gibt es dabei ebenso wenig wie eine klare Definition, ab wann diese Beschränkungen eintreten dürfen.

Nichts von dem, was uns Buschmann präsentiert, ist neu. Alles, was schon im 7-Punkte-Plan angedeutet wurde, wurde nunmehr auf mehr als 80 Seiten im Detail ausgewalzt. Die FDP stilisiert sich wieder als Oppositionsschauspielerin, obwohl sie den Vollziehungsstrich unter die Dokumente setzt. Sie sieht sich als Katechon, obwohl sie das Übel nicht aufhält, sondern mitantreibt. Buschmann steht mit dem Hardliner Lauterbach auf der Bühne und tut so, als sei er Zuschauer und Kritiker des Stücks und nicht Darsteller. Der Justizminister erscheint in dieser Position nicht wie der Wahrer des Rechts, sondern wie ein windiger Winkeladvokat.

"Es war nicht alles schlecht"
Die FDP ist in der Ampel inhaltlich erledigt
Um zu wissen, was die FDP angeblich verhindert hat, müsste man auch wissen, was das „Schlimmste“ ist. Es gibt trotz einer anderslautenden Behauptung von Buschmann keine vergleichsweise großen Maßnahmenpakete, die in anderen europäischen Ländern derzeit diskutiert werden. Und es gibt keinerlei Maßnahmepunkte, die Buschmann aus dem 7-Punkte-Katalog von Anfang des Monats verhindert hätte. Und zuletzt: Eine inoffizielle „Bahamas-Konstellation“ aus FDP, Union und AfD könnte im Bundestag das tatsächlich Schlimmste verhindern, wenn die Parteien Mitte September mit „Nein“ stimmen oder sich enthalten. Dass dies nicht passiert, liegt in erster Linie an der FDP und nur in zweiter Linie an der CDU/CSU.

Stattdessen präsentiert uns Buschmann die Verhinderung der allgemeinen Maskenpflicht als Erfolg, weil sie ja „nur“ auf den öffentlichen Nahverkehr begrenzt bliebe. Das heißt: Statt über Freiheit zu reden, sollte man sich doch darüber freuen, dass man diese nicht auch in anderen Bereichen abschafft. Im Nachbarland Belgien hat man dagegen das Ende der Maskenpflicht in Bus und Bahn bereits im Mai mit einer Kampagne regelrecht gefeiert. Buschmann behauptet, dass das Virus nicht weg sei, aber ganz offenbar fürchtet es sich vor der außerdeutschen Grenze.

Umfall-Partei
Die FDP will eine neue Maskenpflicht – wegen Grippe
Die Buschmann-Direktive, die den Schlüssel zum Buchschloss am Grundgesetz freiwillig abgibt, ist dabei auch eine historische Zäsur, die über die liberale Parteigeschichte hinausstrahlt. Dass von den drei SPD-Justizministern im Bezug auf Freiheitsrechte wenig zu erwarten war, sollte niemanden verwundern. Doch Buschmann reißt hier einen Mythos ein; einen Mythos, den die letzte FDP-Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger politisch gekonnt verwertet hat, etwa, wenn sie gegen Lauschangriff und Vorratsdatenspeicherung nicht nur „Zeichen“ setzte, sondern Verfassungsbeschwerde einlegte.

Bei diesem FDP-Mythos geht es jedoch nicht so sehr um das konkrete Handeln der ehemaligen Justizministerin: Es geht vielmehr um das Bild eines ideal gedachten Justizministers. Der Bundesbürger assoziiert zumindest dem Namen nach damit jene Bonner Republik, in der der Justizminister im Zweifel auf der Seite des drögen Rechts stand: bis hierhin und nicht weiter. Dass die FDP in der Vergangenheit einen guten Ruf mit ihren Justizministern behielt, selbst wenn das restliche Personal versagte, hing auch mit einer gewissen Nostalgie zusammen. Die Liberalen fügten in Regierungszeiten die Prämisse zu: im Zweifel für die Freiheit.

"Ist doch gar nicht so schlimm"-Gesetz
FDP ermöglicht Lauterbachs Maskenpflicht – gibt aber Schuld an Länder weiter
So sehr auch schon damals Mythos und Fakten nicht immer übereingingen, so gibt es mit Sicherheit keinen historisch vergleichbaren Fall, in dem ein deutscher Justizminister der Nachkriegszeit mit solchen Ansprüchen ins Amt ging und mit solcher Konsequenz das Gegenteil der eigens gesteckten Agenda verfolgt. Die bloße Erinnerung daran, dass Buschmann einst davon sprach, dass bereits im März das Ende aller Maßnahmen erreicht sei, mag eine Ahnung davon geben, welche Hoffnungen einst von den Liberalen geschürt wurden.

Stattdessen stehen Buschmann und Lauterbach in Eintracht zusammen. Das Einzige, was an dem schwammigen Antrag festsitzt, ist das Enddatum am 7. April. Wüsste man nicht um die Glaubensferne der Akteure, man könnte es als feine Ironie betrachten, dass der Kreuzweg der Deutschen am Karfreitag enden soll.

Wieder zeigt sich der Pilatus-Moment in Buschmanns Ministerzeit. Denn das Zusammengehen mit Lauterbach ist nicht nur Kooperation; es ist Kollaboration, weil der Justizminister die Aufgabe hätte, einen solchen Gesetzesentwurf im Kabinett zu verhindern, statt ihn auszuarbeiten. Wieder wäscht sich Buschmann die Hände in Unschuld: Wie die Länder die Folterinstrumente anwenden, ist ihre Angelegenheit.

Umso unglaubwürdiger gerät aber das Oppositionsschauspiel in der Regierung, weil es mit einem Koalitionsbruch tatsächlich eine Möglichkeit gäbe, das vermeintlich Schlimmste zu verhindern. Der Ausstieg der FDP könnte ihren Abstieg beenden. Da sie auf Kurs bleibt, liegt es an den Wählern, sie aus der Regierung – und aus dem Parlament herauszutragen. Buschmann ist bei den einstigen Anhängern längst zum Buhmann geworden.

Anzeige
Die mobile Version verlassen