Die „Bild-Zeitung“ präsentierte in Deutschland wohl als erste deutsche Zeitung etliche Details zu der mutmaßlichen Vergewaltigung einer 18-jährigen Deutschen auf Mallorca.Die Vergewaltigung soll auf dem Hotelzimmer des Opfers stattgefunden haben. Es ist ein abscheuliche Tat, völlig unabhängig von der Herkunft der Täter.
Bild macht die Herkunft zur Schlagzeile und titelt:
„Vier deutsche Urlauber festgenommen„
Auch „Die Welt“ wie viele andere Medien macht die Herkunft der Täter zur Schlagzeile:
„Zwei tatverdächtige Deutsche auf Mallorca in U-Haft„
Der Berliner Tagesspiegel benutzt als Hauptschlagzeile:
„Deutschen drohen auf Mallorca harte Strafen„
Im Vorspann ist zu lesen von einer „Gruppenvergewaltigung“. Offensichtlich ist die Herkunft der Täter wichtiger als das abscheuliche Geschehen. „Bild“ beruft sich bei ihrer Berichterstattung offenkundig vor allem auf Meldungen in der spanischen Presse. Ähnlich berichten „Qualitätsmedien“ hierzulande – wie etwa „Focus“, „Stern“ oder „Spiegel“. Alle sprechen von „deutschen“ Tätern, wenn auch nicht immer in den Überschriften.
Die Details offenbaren ein ekelhaftes und grausames Vorgehen. „Nach Bild-Informationen soll einer der Männer die Frau vergewaltigt haben, während ein anderer das Opfer festhielt. Ein weiterer Festgenommener hat sich möglicherweise der Verschleierung der Vergewaltigung schuldig gemacht. Das vierte Mitglied der Gruppe bekam von der Tat angeblich nichts mit. Er soll ein Alibi haben, weil er mit einer anderen Frau zusammen war”, schreibt Europas größte Boulevardzeitung.
„Bild“ weiter: „Spanische Medien berichteten, dass der sexuelle Missbrauch gefilmt worden sei. Die Ermittler fanden auf den Handys der Urlauber allerdings kein entsprechendes Material. Das Verbrechen sei im Hotel der vier Deutschen begangen worden, dem ‚Club Cala Ratjada’. Das Opfer soll sie bei einem nächtlichen Bummel in Cala Ratjada kennengelernt haben. Danach habe sie die Männer in das Partyhotel begleitet.“
Das spanische „Mallorca-Magazin“ hat einen weiterführenden Artikel veröffentlicht. Die Wochenzeitung schreibt über die Verhaftung der Verdächtigen: „Die Tatverdächtigen hatten um 4.20 Uhr in Cala Ratjada einen Bus bestiegen. Die vier Männer gingen später nicht als Gruppe durch die Handgepäckkontrolle, sondern einzeln an unterschiedlichen Laufbändern. Die Fahnder hatten sich unter die Sicherheitsleute gemischt und stürzten sich dann auf die Gesuchten. Bei ihnen soll es sich nach Berichten spanischer Medien unter Berufung auf die Ermittler um Bundesbürger türkischer Herkunft handeln.“ Aha, also „türkischer Herkunft“. Aber was bedeutet „türkische Herkunft“?
Mittlerweile sind die türkischen? oder arabischen? Namen der festgenommenen Personen bekannt. Es handelt sich spanischen Zeitungen zufolge um die Männer Serhat K. (23), Azad K. (22), Yakub (21) und Baran D. (19). Ob alle vier Beschuldigten wirklich die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, ist bisher nicht bekannt. Noch unbekannt ist ebenfalls, ob die Verhafteten über zwei Staatsbürgerschaften verfügen. Oder vielleicht nur Ersatzpapiere von Asyleinwanderern? Warum wird das Merkmal „Deutsche“ derart in den Vordergrund gerückt? Auch nach dem dies längst bekannt war fabulierte Bild am Sonntag noch von einem „deutschen Rudel“.
Immerhin schreibt der Presserat in seiner Leitlinie 12.1, die zwar nicht rechtlich verbindlich ist, aber eine Art Selbstverpflichtung darstellen soll:
In der Berichterstattung über Straftaten ist darauf zu achten, dass die Erwähnung der Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu ethnischen, religiösen oder anderen Minderheiten nicht zu einer diskriminierenden Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens führt. Die Zugehörigkeit soll in der Regel nicht erwähnt werden, es sei denn, es besteht ein begründetes öffentliches Interesse.
Offen bleibt, was das „begründete öffentliche Interesse“ ist, das erfordert, die Staatsangehörigkeit in die Schlagzeile zu bringen.
Die „Bild“-Zeitung hatte, das berichten Internetportale, offenbar ein Foto von der Festnahme der Täter veröffentlicht, das auch spanische und andere deutsche Medien präsentiert haben. Doch es gibt feine Unterschiede. Im „Mallorca-Magazin“ beispielsweise ist links auf dem Foto ein Festgenommener zu sehen, der zu Boden gebracht wurde und der „südländisch“ aussieht. Und genau dieser „Südländer“ war, so wurde berichtet, von der Bild-Fotoredaktion zunächst weg geschnitten worden. Erst nach etlichen Stunden hat „Bild“ diesen „Fehler“ offenbar im Internet korrigiert. Hat es Beschwerden gegeben? In der zitierten Presserats-Richtlinie heißt es weiter:
Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.
Offensichtlich dürfen also „Deutsche“ gerne in das Zentrum der Berichterstattung gestellt werden, aber nicht Minderheiten. Doch um welche Minderheit geht es? Denn mittlerweile wird breit über einen türkisch-deutschen Hintergrund der Täter berichtet. Aber auch diese Herkunft ist nicht verbürgt. Besitzen die Täter wirklich die deutsche Staatsbürgerschaft oder gelten sie nur als „Deutsche“, weil sie mit einem Flugzeug aus Deutschland einreisten? Sind sie tatsächlich türkischer Herkunft oder besitzen sie andere Identitätspapiere wie Aufenthaltsduldung oder Flüchtlingsstatus unterschiedlicher Qualität? Was veranlasst, so gezielt unvollständig – und damit falsch – zu berichten?
Möglicherweise sind Redaktionen erleichtert. Sie finden vielleicht eine Bestätigung dafür, dass auch Deutsche kriminell werden und der Fokus der Berichterstattung von Migranten auf Deutsche gerichtet wird. Oder wollen diese Medien mit aller Macht verhindern, dass deutsche Bürger kritisch über den deutlich wachsenden Anteil von Ausländern in der hiesigen Bevölkerung diskutieren, die rein statistisch überproportional an Gewaltverbrechen beteiligt sind? Diese Fakten werden gerne damit weggewischt, dass unter Zuwanderern überproportional viele junge Männer sind, die nach neuer deutscher Lesart besonders häufig kriminell werden. Da ist es gefährlich, wenn diese These ihre Konsequenz zeigt – nämlich abscheuliche Verbrechen, weil potentielle Täter gewissermaßen importiert werden.
Damit gerät Berichterstattung allerdings in einen volkspädagogischen Sumpf, vor allen Dingen, wenn sie auf fragwürdigen Annahmen über die Staatsangehörigkeit beruht. Diese Art von falscher Berichterstattung wird zu weiteren Vertrauensverlusten für die gängigen Medien führen. Sie zeigt aber auch: In einer multikulturellen Gesellschaft ist die Passzugehörigkeit wenig aussagekräftig – auch wenn sie, wie im vorliegenden Fall, dazu benutzt wird, Stimmung zu schüren. Gegen die Mehrheitsgesellschaft – denn die Richtlinie des Presserats erfordert dies ja geradezu: Minderheiten sollen geschützt werden, nicht die Mehrheit.
Dr. Manfred Schwarz war jeweils acht Jahre Medienreferent in der Hamburger Senatsverwaltung und Vizepräsident des nationalen Radsportverbandes BDR [Ressort: Medien] sowie Mitglied des Hamburger CDU-Landesvorstandes.