Der 17. Kinder- und Jugendbericht moniert den Begriff „Migrationshintergrund“ als stigmatisierend. Familienministerin Lisa Paus findet das gut, und möchte das typisch deutsche Wortkonstrukt streichen. Damit hat sie völlig Recht: Als man damit begann, mit diesem Wort zu hantieren, war dies schließlich bloß eine leicht zu durchschauende Finte. Nach jahrzehntelangem Wegschauen kam man nicht mehr umhin, zuzugeben, dass man gewisse Integrationsprobleme mit bestimmten Gruppen von Einwanderern einfach nicht mehr leugnen konnte: Dass sich die Enkel türkischer Gastarbeiter oftmals weniger mit Deutschland identifizierten als noch ihre Eltern, dass sich entlang ethnischer und religiöser Zugehörigkeiten Parallelgesellschaften entwickelten, in denen manche Probleme virulenter waren als in der Gesamtgesellschaft: Mangelnde Bildung, höhere Kriminalität, niedrigerer sozialer Status und so weiter.
Doch wie sollte man dieses Problem ansprechen, ohne forthin als Ausländerfeind zu gelten? Die postmarxistisch-konstruktivistische Lösung lautete: Lasst uns das Wort „Ausländer“ streichen! Wo kein Ausländer, da keine Ausländerfeindlichkeit. Eine Milchmädchenrechnung, die uns den „Migrationshintergrund“ bescherte. Das neue Wort brachte den Vorteil mit sich, dass darunter nicht nur arabische Clanmitglieder fielen, sondern auch fleißige Vietnamesen, computeraffine Inder und Kinder aus gemischtnationalen Ehen. Zwei Fliegen mit einer Klappe: Auch völlig unauffällige Gruppen von Menschen nichtdeutscher Abstammung konnten unter „Migrationshintergrund“ subsummiert werden, und den schlechten Eindruck ein wenig verschleiern.
Nun könnte man das Scheitern dieser Strategie zum Anlass nehmen, endlich offen zu benennen, dass Integration vielfach gescheitert ist, dass nicht einmal in Deutschland geboren zu sein garantiert, dass sich ein Mensch der deutschen Gesellschaft voll zugehörig fühlt (was übrigens nicht per se ausschließt, zugleich einem weiteren Heimatland verbunden zu sein). Doch die Regierung bleibt dem Motto treu: Was nicht passt, wird passend gemacht. Wenn wir das Problem umbenennen, verschwindet es. So wie Habeck Krisen beendet, indem er sie für beendet erklärt, so löst Paus das Problem migrantischer Parallelwelten, indem sie das Wort Migrationshintergrund abschafft.
Wenn in der Stellungnahme der Bundesregierung zum Kinder- und Jugendbericht von „scheinbar geteilter natio-ethno-kultureller Zugehörigkeit“ gesprochen wird, dann offenbart das, dass man sprachlich an seine Grenzen gekommen ist, wie man „das Problem“ weiterhin bzw. neuerlich schönreden sollte. Es ist nicht zu erwarten, dass diese Hilfslosigkeit in der Einsicht münden könnte, dass Sprachpolitik nicht genügt, um Probleme zu lösen.