Tichys Einblick
Stern-Autorin über ihren Sohn

Der Kampf um linke Meinungshegemonie – Wenn der „Feind“ im Kinderzimmer lauert

Eine Stern-Autorin schreckt nicht davor zurück, den eigenen Sohn vorzuführen, um die moralische Tadellosigkeit der eigenen Haltung zu präsentieren – wenigstens unter Pseudonym. Dass der Sohn dabei zumindest teilweise vernünftiger als die Mutter wirkt, ist der tragikomische Nebeneffekt nicht vorhandener Selbstreflexion.

IMAGO / Manfred Segerer

Beim Stern ist Karnevalsstimmung ausgebrochen. Doch statt Büttenreden, die vor allem „die da oben“ gehörig treffen sollten, und bei denen im Idealfall jeder „sein Fett wegkriegt“, reicht es hier nur für die unfreiwillig komische Bloßstellung des vierzehnjährigen Sohnes einer Autorin. Der Titel ihres „Berichts“: „Einer der erfolgreichsten Podcasts impft unsere Kinder mit radikalem Gedankengut – und keiner kriegt’s mit“. Ein Text, der wieder einmal beweist, dass Loriot kein Komödiant, sondern unbestechlicher Chronist und Analyst des deutschen Psychogramms ist. Der hätte die Dialoge des Artikels nämlich unverändert als Skript übernommen.

Der Konflikt: Wie es für Vierzehnjährige nicht unüblich ist, stellt der Jugendliche das Weltbild der Altvorderen in Frage. In der Welt linksgebügelter Akademiker und Bildungsbürger bedeutet das, dass geradezu unvermeidlich unerhört „rechte“ Parolen aus dem Kindermund tönen. Dass sich deutsche Politiker doch um die deutsche Bevölkerung kümmern sollten. Oder dass Seenotrettung alias Schlepperei vielleicht doch nicht so heroisch ist, wie der durchschnittliche Links„liberale“ denkt.

Eigentlich hätte sich die Elterngeneration, die in ihrer Jugend Che-Guevara-Poster im Zimmer hängen hatte, denken können, dass ihre Kinder pubertären Protest anders äußern werden als sie. Im marxistischen Weltbild ist allerdings nur ein Weg vorgesehen: der zu Sonne und Freiheit. Der Rückfall in bourgeoise Denkmuster kann da nur in höchstem Maße beunruhigen. Deshalb wird über die Inhalte des Podcasts, der ihren Sohn indoktriniert und zur Aufmüpfigkeit inspiriert, gemeinsam diskutiert, in bester antiautoritärer Manier – zumindest ein Lichtblick, dass ihre zelebrierte Weltoffenheit sich nicht in Verbotspolitik selbst demontiert; das macht sie besser als viele Politiker ihrer Couleur.

Wie man derzeit bei den Demonstrationen „gegen Rechts“ beobachten kann, ist es eine Unart in gewissen Kreisen, andere Menschen als Folie zu betrachten, um die eigene moralische Überlegenheit darzustellen: Kinder in Afrika, Juden (nur die im Holocaust umgekommenen, versteht sich), Flüchtlinge – sie alle dienen letztlich der Selbstrechtfertigung; AfDler und Friedrich Merz werden aus demselben Grund pausenlos dämonisiert. Hier findet dieses Mindset seine Krönung darin, dass eine Mutter nicht davor zurückschreckt, den eigenen Sohn vorzuführen, um die moralische Tadellosigkeit der eigenen Haltung zu präsentieren (ihr sei allerdings zugutegehalten, dass sie dies wenigstens unter Pseudonym tut).

Andere diffamieren wenigstens Fremde! Dass der Sohn dabei zumindest teilweise vernünftiger als die Mutter wirkt, ist der tragikomische Nebeneffekt nicht vorhandener Selbstreflektion. Ebenso, dass der von ihr kritisierte Podcast „Hoss und Hopf“ nun sicher auch einer ganzen Reihe von Leuten auffallen wird, die davon noch nie gehört haben. Die Macher werden sich für die kostenlose Werbung bedanken. Wenn man zweifelhafte Informationsquellen im Netz entlarven und überführen will, würden sich methodisch bessere Ansätze finden lassen.

Denn die Autorin weist durchaus auf eine beunruhigende Tatsache hin: Ihr Sohn wird durch Inhalte, die er ungefiltert im Netz konsumiert, beeinflusst. Da ist die Selbstdarstellung der Podcaster, die vermitteln, wie Erfolg auszusehen hat, da sind mal politische, mal esoterische Inhalte, ein wilder Mix aus Fakten, Halbwahrheiten und Meinung, den schon Erwachsene oft nicht bewältigen können; einen Vierzehnjährigen überfordert die Fülle an einzuordnenden Informationen in jedem Fall. Die Erfahrung, dass Kinder ihnen entgleiten, machen viele Eltern derzeit allerdings in ganz anderen und wirklich existenziellen Kontexten: Da, wo ihre Söhne und Töchter dem Transkult zum Opfer fallen, sich von entsprechenden Influencern eine Dysphorie einreden lassen. Da, wo vor allem Mädchen ein schädliches Bild von Weiblichkeit vermittelt wird. Das ist ein gewaltiges Problem.

Aber wie es eben Usus geworden ist, betrachtet die Autorin das Problem vor allem aus der Perspektive, die dafür sorgt, dass es sich maximal um sie dreht: Die Durchsetzungsfähigkeit ihres Weltbilds wird bedroht; darum stört sie, dass ihr Sohn Topoi und Rhetorik der AfD aufnimmt. Dass sie in ihren Richtigstellungen zum Teil mindestens genauso einseitig und flach argumentiert, nur eben von der entgegengesetzten politischen Haltung her, fällt ihr nicht auf. Sie vermengt völlig normale konservative Positionen ebenso unreflektiert zu einem Cocktail, wie sie dies den Podcast-Machern vorwirft.

Da wird zum Beispiel die berechtigte – und von vielen Seiten geäußerte – Kritik an Entwicklungshilfe auf derselben Ebene angesiedelt wie die manipulative Plattform „Radio Genoa“: Nicht links ist gleich „engstirnig“, AfD, böse. Allerdings wird der Mainstream allem Anschein nach die Meinungshoheit gerade in den Kinderzimmern mittelfristig verlieren: Schon jetzt hat die AfD mit ihren TikTok-Inhalten alle anderen Parteien abgehängt. Das ist auch kein Wunder, ist doch gerade TikTok für kurze, radikal simple und populistische Aussagen bestens geeignet. Eine Problematik, die sich auch dann nicht auflösen würde, wenn von links ähnlich platte Inhalte platziert würden: Hier würde nur ein gesamtgesellschaftliches Bekenntnis zu Bildung Abhilfe schaffen. Aber komplexe Lösungen scheinen aus der Mode gekommen zu sein.

Die Zielstrebigkeit, mit der viele Menschen in Deutschland (sowohl rechts als auch links) tatsächliche Probleme völlig an der Realität vorbei falsch einordnen, ist verblüffend. Dem Jungen ist zu wünschen, dass er genügend Medienkompetenz erwirbt, um sich im Dschungel der Informationen eine umfassende Meinung zu bilden. Da er aufgeweckt und interessiert zu sein scheint, ist nicht ausgeschlossen, dass er, wie so viele, die als Jugendliche „links“ waren, und doch noch zu Menschenverstand kamen, differenziertes, kritisches Denken erlernt. Dass ihm seine Eltern dies vermitteln werden, ist – jedenfalls gemessen am Stern-Bericht – nicht übermäßig wahrscheinlich.

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