Tichys Einblick
Wahlparteitag der Linkspartei

Klimakampf ist Klassenkampf: Die Linke hat ein neues Vehikel gefunden

Wie in alten Zeiten zelebrierte die umbenannte SED einen Wahlparteitag der inneren Harmonie. „Tischlein deck dich, Esel streck dich, Knüppel aus dem Sack!“: Das ist die Strategie für den Weg zur Macht. Die Frage der Auslandseinsätze der Bundeswehr wurde dafür besonders raffiniert beantwortet.

Janine Wissler bei Ihrer Rede als Spitzenkandidatin im Portrait beim 7. Parteitag der Partei Die Linke

IMAGO / Political-Moments

Als wolle der liebe Gott den Nicht-Christen eins auswischen, fiel kurz nach Beginn des zweitägigen Wahlparteitages der SED (z. Zt. Partei Die Linke) die Klimaanlage in einem ehemaligen Berliner Industriebetrieb aus, welchen die Partei angemietet hatte. Verglichen mit dem Parteitag der Grünen lief dennoch alles diszipliniert wie am Schnürchen. Während bei Baerbocks und Habecks schon sehr bald der Zeitrahmen um Stunden aus dem Ruder gelaufen war, zogen die Kommunisten brütend vor Hitze das Programm durch. Nach Stunden verkündete die Tagungsleiterin stolz: „Wir liegen 1 Minute und 22 Sekunden über der Zeit.“ Ein Lob für Alle und weiter ging’s. Gelernt ist eben gelernt.

Spielerisch locker ist dieser Teil der Linken nicht. Antragsänderung auf Antragsänderung – drei Minuten Begründung, je eine Minute Rede und Gegenrede, Abstimmung. Die meisten Einwände und Neuformulierungen verfehlten die Mehrheit. Die Palette reichte hier von der Streichung einer Passage in dem weit über 100 Seiten starken Wahlprogramm, in der das Recht eines jeden Menschen auf Aufnahme in Deutschland festgeschrieben worden war (egal, woher er auch komme), über die Aufnahme der Forderung, dass Ausgangssperren, wie jetzt zur Corona-Zeit als Willkürakt des Staates verboten werden sollen bis hin zur Aufnahme einer Passage, in der das „nackt auf dem Fahrrad fahren“ nicht mehr als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden dürfe.

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Radikale Vorstöße, wie der, dass Kultur nur als solche verstanden werden dürfe, wenn sie den ideologischen Vorstellungen der Partei entspreche, fielen durch. Man konnte den Eindruck bekommen, eine unsichtbare Hand garantierte, dass dieser Parteitag keinen Anlass für gefährliche Attacken des Gegners bieten dürfe. Dann kam man zum eigentlichen Knackpunkt: ein Ja oder ein weiteres Nein zu Kampfeinsätzen der Bundeswehr. Ohne eine klare Aussage hier, das wissen Bartsch & Co., ist jede Koalition und damit Regierungsbeteiligung ausgeschlossen. Und wieder einmal zeigten die Profis der alten Schule, und das sind unverändert der nicht anwesende Gregor Gysi und Dietmar Bartsch, wie man sich das Fell wäscht, ohne dabei nass zu werden. Kampfeinsätzen werde die Links-Partei niemals zustimmen, doch siehe da, diesmal ohne den sonstigen Zusatz „bestehende Kampfeinsätze müssen abgebrochen werden“. Im Klartext, diese können weiterlaufen, und wenn sich aus ihnen Weiterungen ergäben, so könnte man im Fall des Falles argumentieren, müssten auch diese vollzogen werden können. Ähnlich verschrubbelt schlich man sich um die Möglichkeit von „Friedens-Einsätzen der UNO“ herum. Wenn das nicht hohe politische Kunst ist?

Bei den krönenden Abschluss-Reden waren die Rollen der beiden Vorsitzenden gut inszeniert. Während Bartsch die Wahlkampflinie kämpferisch vorzeichnete, blieb Janine Wissler der Auftritt als stramme Ideologin, die ihren Histomat (historischer Materialismus) und Diamat (dialektischer Materialismus) der Urväter Marx und Engels schon mit der Muttermilch eingesogen hat. Es komme darauf an, das ganze kapitalistische System als Ursache aller Übel zu beseitigen. Von revolutionärer Gewalt sprach sie aber nicht. Bartsch hielt sich weniger an den theoretischen Überbau, sondern beschrieb die linken Etappenziele.

Die Bundesrepublik und besonders der Osten böten ein Bild der sozialen Verelendung. Wenige würden immer reicher und Mehr immer ärmer. Dies könne nur durch eine grundlegende Steuerreform und hohe Vermögensabgaben ab einem Besitz von über zwei Millionen Euro beseitigt werden. Er, so Bartsch, sei sich ganz sicher, dass eine Mehrheit der Bevölkerung, bis weit hinein in den Mittelstand, dem zustimmen würde. Scharfe Töne schlug er insbesondere gegen die CDU/CSU und vor allem die FDP an. Die Union sei eine Partei der krummen Geschäfte und der persönlichen Bereicherung. Als Beispiele führte Bartsch die Politiker Spahn und Amthor an. So fände Spahn nichts dabei, inmitten der Pandemie-Krise Spendendinner mit einem Beitrag von 9.999 Euro zu veranstalten.

Ein vergessener Freiheitsheld
Paul Othma am 17. Juni 1953: Der Löwe von Bitterfeld
An dieser Stelle hätte den Redner eigentlich eine Sprachlähmung befallen müssen. Diese müsste so lange anhalten, bis er und Gysi endlich Auskunft über den Verbleib des SED-Vermögens in Milliardenhöhe geben würden. Dass sie das könnten, geht aus den entsprechenden Unterlagen hervor. Nur, was soll’s, es ist eben schon lange her, und wer wühlt schon gern in alten Sachen? Paradiesischen Zuständen ginge die Republik mit der SED entgegen. Doch dafür müsse zuerst gekämpft werden. Das, so Bartsch, bringe auch Härten mit sich. Aber diese seien nichts im Vergleich zu den Erfahrungen der Arbeiterklasse. So viel zur Abteilung „Esel streck Dich“.

Dann kam etwas wirklich Neues! Während Marx, Engels und Lenin die materielle Verelendung des Proletariats zur Voraussetzung für die Revolution erklärt hatten, und später nach deren Nichteintritt, die Neo-Marxisten der 68er Zeit (Habermas, Adorno, u.a.) die bis heute prophezeite psychische Verelendung setzten (aus Armut wurde Konsumterror, aus Arbeiter der manipulierte Konsumidiot und aus den Frauen eine vorher nicht entdeckte, durch strukturelle Gewalt des Patriarchats und der Familie unterdrückte Masse), rief Bartsch gestern euphorisch die Lösung aus: Klimakampf ist Klassenkampf. Ein neues Vehikel ist gefunden. Selbstverständlich eignen sich derartige Ableitungen nicht für den täglichen Bedarf. Vielmehr warnte Bartsch davor, die Menschen von oben herab zu behandeln und ihnen etwas zu verordnen. Hier verlief dann auch die klare Grenze zu den Grünen. So wichtig und notwendig der ökologische Umbau der Gesellschaft sei, dürften dabei die sozialen Belange der Menschen nie aus dem Auge verloren werden.

Wie perfekt die Regie funktionierte, konnte man auch daran erkennen, dass der beantragte Parteiausschluss Sahra Wagenknechts keine Rolle spielte. Fazit: Die SED hat erkannt, dass sie angesichts der einstelligen Umfrageergebnisse mit dem Rücken an der Wand steht. Spielchen kann sie sich nicht mehr leisten. Den Grünen hat sie sich an diesem Wochenende direkt vor die Füße geworfen, die Sozialdemokraten dürften eh nach jedem Strohhalm greifen. Die Rollen sind verteilt. Bartsch als der Mann auf der Bühne. Wissler als die Köchin am ideologischen Herd und noch Frau dazu und Gregor Gysi wie immer, der große Zampano hinter den Vorhängen.

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