Tichys Einblick
Kein Ausbau des Finanzministeriums

Lindner spart, Scholz protzt

Mit seiner Ankündigung, den Ausbau seines Ministeriums zu prüfen, wirft Christian Lindner die Frage auf: Warum ist eine solche „Bescheidenheit“ beim Bundesfinanzministerium möglich, aber nicht beim 777 Millionen teuren Bundeskanzleramt?

IMAGO / Chris Emil Janßen

Christian Lindner setzt den Kanzler unter Druck. So und nicht anders muss man die Ankündigung des Bundesfinanzministers deuten. Der FDP-Parteichef will prüfen lassen, ob ein Erweiterungsbau für das Finanzministerium wirklich nötig ist – und verweist auf die Möglichkeit, stattdessen Wohnraum zu schaffen. Das ist ein Signal in Richtung verpatzter Berliner Wohnungspolitik und der Verschwendungspolitik im Bund. „Wir müssen raus aus den Schulden. Dazu überdenke ich auch wünschenswerte, aber nicht notwendige Vorhaben“, sagt Lindner gegenüber der Bild-Zeitung.

Streit in der Bundesregierung
Lindner will auf Erweiterungsbau des Bundesfinanzministeriums verzichten
Man sollte das nicht als bloßes parteipolitisches Manöver abtun. Wenn Lindner davon spricht, dass es bereits 65 Prozent „ortsflexibles Arbeiten“ im Finanzministerium gebe, dann ist das eine Ansage. Immer mehr Bürofläche, immer größere Ministerien, immer aufgeblasenere Bürokratie: Über Jahre behauptete die jeweilige Bundesregierung, dass das alles gar nicht anders möglich sei. Dass Videokonferenzen, Homeoffice und Digitalisierung Auswirkungen auf die Arbeitswelt haben, das negierte die Exekutive bis dato zumindest implizit.

Die Causa Finanzministerium ist in Wirklichkeit eine Causa Bundeskanzleramt. Denn der Protzbau an der Spree mit seinen Kosten von mittlerweile 777 Millionen Euro gerät in Zeiten von Inflation, Energiekrise und Finanztaumel wieder in den Fokus. Während ein beträchtlicher Teil des Volkes schaut, wie es bis zum Monatsende durchhält, verspricht der Bundeskanzler neue Wirtschaftswunder und zeichnet für den Bau der größten Regierungszentrale der Welt verantwortlich.

Freilich: Der Plan des Bundeskanzleramts stammt noch aus der Ära Merkel. Das trifft aber auch auf die Pläne zur Erweiterung des Finanzministeriums zu. Lindner zeigt, dass es keine Zwänge gibt. Pläne ändern sich. Und Zurückstecken ist möglich, in prekären Lagen sogar notwendig. Offenbar ist der Ausbau des Kanzleramtes nicht zuvorderst mit tatsächlichen Nöten, denn anderen Zwecken verbunden.

Seit Jahren argumentieren die Apologeten des Kanzlerbaus damit, dass es zu wenig Platz für die Mitarbeiter gebe. Ein Behördenprojekt, in dem jeder ein eigenes Büro braucht wie in den 1980ern. Statt sich der Moderne zu öffnen, schwelgt man in Prestigevorstellungen der 80er. „Small is beautiful“ stand seit jeher unter Verdacht.

Stattdessen breitet die Bundesregierung das Kanzleramt weiter nach hinten aus. Nach vorne kann es schließlich nicht. Nicht nur, weil man ein Problem mit der Zukunft hat, sondern auch, weil eine Bebauung des Spreebogens zu sehr daran erinnern könnte, wer sich hier bereits einmal mit Kolossalbauten verewigen wollte. Dagegen hat man im Finanzministerium, das im ehemaligen Reichsluftfahrtministerium residiert, offenbar gelernt.

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