Die Debatte um das Bürgergeld als Hartz-IV-Nachfolger bewegt die Gemüter der Ampelkoalitionäre. Scheinbar zumindest. So stellte Arbeitsminister Hubertus Heil in groben Zügen sein Konzept vor. Grundsätzlich ist eine zweijährige Karenzzeit vorgesehen. In dieser Zeit bleibt zum Beispiel das Vermögen unangetastet. Anschließend soll der Empfänger ein Vermögen von bis zu 60.000 Euro behalten dürfen, zudem weitere 15.000 Euro für jede Person, die mit im Haushalt lebt. Auch sollen Bürgergeld-Empfänger mehr Geld für die Altersvorsorge zurücklegen und in einer selbst genutzten, eigenen Immobilie wohnen bleiben dürfen.
Konkreter wird Heil jedoch nicht. So bleibt unklar, wie die Höhe des Bürgergelds ausfallen wird. Eines ist jedoch schon jetzt sicher: Es wird für den Steuerzahler teurer. So bläst Saskia Esken schon mal prophylaktisch in das Sozialistenhorn: „Wir dürfen die Menschen mit geringen Einkommen mit den anhaltenden Preissteigerungen nicht alleine lassen“, so die SPD Chefin gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Wie der Mindestlohn müssten auch die Regelsätze in der Grundsicherung „kräftig steigen“. Das dürften mehr sein, als die 40-50 Euro Euro sein, die Hubertus Heil anvisierte. So fordert der paritätische Wohlfahrtsverband eine Erhöhung von 200 Euro auf 650 Euro Bürgergeld. Da dürfte die Reise hingehen.
Ein Vorhaben, das der FDP-DNA widerspricht – scheinbar
Und die FDP, einst die Partei des soliden Haushaltens? Christian Lindner gibt sich, zumindest noch, bockbeinig. Statt horrender Erhöhungen beim Regelsatz müssten die Zuverdienstmöglichkeiten verbessert werden. „Aus dem Bürgergeld darf kein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) werden.“ Der Finanzminister spielt damit auf die Forderung von Esken, aber auch der Grünen an, die Sanktionen bei Fehlverhalten ganz zu streichen. Damit wäre das BGE de facto eingeführt.
Auch die bisherigen Sanktionen sind keinesfalls drakonisch. Wer zwei Bewerbungen in der Woche verschickt, deren Qualität ist egal, und wer brav seine Termine beim Jobcenter einhält, der hat nichts zu befürchten.
Lindner wollte es besser machen – eigentlich
Ein sanktionsloses Bürgergeld von 650 Euro im Monat ist ein Schlag ins Gesicht für die Leistungsträger in Deutschland. Denn am Ende bezahlen die hart arbeitenden Menschen diese Sozialleistung.
Lindner wollte es besser machen. Anfangs auch mit Erfolg. So ging er 2017 mit dem Satz „lieber nicht regieren als falsch regieren“ in die bundesdeutschen Geschichtsbücher ein ein. Doch dieser Satz ist durch sein Regierungshandeln seit Dezember 2021 längst überdeckt. Lieber falsch regieren, als nicht regieren, ist nun offenbar seine Devise.
Die Rolle als Steigbügelhalter für Rot-Grün scheint der FDP zu gefallen. Ob Coronamaßnahmen, im Wahlkampf noch als zu hart angeprangert, ob Haushaltsführung (aus den Schulden für den Coronafonds wurden mal eben Schulden für den Klimafonds): Stets zeigten die Liberalen maximale Rückgratlosigkeit.
Das bedingungslose Grundeinkommen wird kommen
Beim Thema Bürgergeld dürfte es nicht anders laufen. Die Lindner-FDP prägt wie keine andere Partei die Worte „scheinbar“ und „eigentlich“. Scheinbar gibt es Streit in der Koalition und eigentlich wollten die Liberalen keine Erhöhung des Bürgergelds und die Sanktionen beibehalten. Am Ende beschert uns die Ampelkoalition ganz uneigentlich und gar nicht scheinbar ein bedingungsloses Grundeinkommen von 650 Euro. Man gibt das Kind nur einen anderen Namen.
Julian Marius Plutz