Die Antwort auf meine vor drei Wochen bei TE gestellte Frage „Wer beendet den Jamaika-Spuk?“ gab letzte Nacht Christian Lindner. Sie war so nicht unbedingt zu erwarten, ist dafür aber umso verdienstvoller. Auf die Idee, einen „Wählerauftrag“ zu erfüllen, den es nie gegeben hat, und das mit vier Parteien zu tun, die sich in für das Land existentiellen Fragen teilweise diametral widersprechen, kann nur jemand kommen, der – aus welchen Gründen auch immer – unbedingt an die Fleischtröge des Regierens kommen möchte.
Damit ist es nun zunächst einmal dank der FDP vorbei. Lindner hat in seiner mündlichen Erklärung zurecht deutlich gemacht, dass es nicht im Interesse des Landes und seiner Bürger liegt, eine Regierung um des Regierens willen zu bilden, deren Partner sich bei existentiellen Themen permanent bekämpfen müssten, um keine Wähler zu verlieren. Dabei hat er unter anderem wohl auch die Zeit von September 2015 bis Anfang 2016 vor Augen, in denen die CSU sich aufgrund der Flüchtlingspolitik der CDU genötigt sah, aus der Regierung heraus in Opposition zur eigenen Regierungschefin zu gehen. Lindner kann und will offenbar nicht ausschließen, dass es zu ähnlichen Konstellationen wieder kommen kann, sollte es aufgrund irgendwelcher unerwarteter nationaler oder internationaler Ereignisse erneut zu einer der inzwischen legendären „alternativlosen Entscheidungen“ Merkels kommen. Insbesondere, aber nicht nur, in der Flüchtlings- und Migrationsfrage wäre das diesbezügliche Risiko durch eine Koalition mit den Grünen erheblich gestiegen.
Merkel hat mit ihrer Entscheidung vom September 2015 und ihrer Haltung, diese bis heute als einzig richtig zu bezeichnen, das Land in einem Ausmaß gespalten, wie es die Bundesrepublik bislang noch nicht erlebt hat. Auch anlässlich der Brandt‘schen Ostverträge und des Schmidt‘schen Nato-Doppelbeschlusses verliefen die politischen Gräben nicht nur zwischen den Parteien, sondern zogen sich auch durch die Familien sowie die Freundes- und Kollegenkreise. Beide Entscheidungen erwiesen sich im Laufe der Zeit jedoch als vorteilhaft für Deutschland und wurden von deren Gegnern schlußendlich auch mehr oder weniger als richtig anerkannt.
Das ist im Falle von Merkels Flüchtlings- und Migrationspolitik jedoch auszuschließen. Der anhaltende Zustrom von Asylbewerbern aus den Armuts- und Kriegsgebieten dieser Welt nutzt vielleicht diesen Zuwanderern, kaum jedoch Deutschland, ausgenommen die „Asylindustrie“. Deswegen ist nicht zu erwarten, dass sich die innenpolitische Lage wieder befriedet, solange die Massenzuwanderung weiter anhält. Das scheint auch Merkel begriffen zu haben. Sie versucht deswegen seit Anfang 2016, durch eher fragwürdige Maßnahmen den Zustrom zu begrenzen, hält aber weiterhin daran fest, dies der Öffentlichkeit als eine logische Fortsetzung ihrer im September 2015 begonnenen Zuwanderungspolitik zu verkaufen. Hier versucht sich ganz offenkundig der Bock selbst zum Gärtner zu machen. Es spricht für Lindner, dass er dieser Camouflage im Interesse seiner Wähler und des Landes nicht auf den Leim gegangen ist. Man darf nun gespannt sein, ob dies so bleibt.
Roland Springer arbeitete als Führungskraft in der Autoindustrie. Er gründete im Jahr 2000 das von ihm geleitete Institut für Innovation und Management. Sein Buch Spurwechsel – Wie Flüchtlingspolitik wirklich gelingt erhalten Sie in unserem Shop www.tichyseinblick.shop