Als Kinder lasen wir Die Unendliche Geschichte von Michael Ende. Das 1979 erschienene Buch erzählt vom Jungen Bastian Balthasar Bux und dem Land Phantásien, das vom Nichts bedroht wird (nicht »von nichts«). Das Nichts frisst das Land auf, und zugleich ist die Kindliche Kaiserin schwer krank. Phantásien wird untergehen, wenn der Junge Atréju, das Gegenüber von Bastian, nicht bald ein Gegenmittel findet.
Die Unendliche Geschichte war das erste Buch, das ich mehrere Male gelesen habe (jetzt mal von Teilen der Bibel abgesehen, aber das ist ein anderes Thema). Es ist nun Jahrzehnte her. Und doch, als ich es vor einigen Jahren mit meinen eigenen Kindern wiederentdeckte, waren sie alle wieder da, ich sah sie vor mir, wie damals, und meine Kinder sahen sie dann auch. Der Drache Fuchur, der Steinbeißer, die alte Schildkröte Moria, all die alten Freunde. Ich weiß nicht, warum mich allein der Name »Das Gräserne Meer« so berührte und noch immer berührt – vielleicht ist es die Verbindung zweier Sehnsüchte, die Sehnsucht nach einer Heimat mit weiten, fruchtbaren Wiesen, und die Sehnsucht nach dem Versprechen des weiten Meeres. – Ach, wie schön ist es, Kind zu sein, und ganz eintauchen zu können in ein Buch, ohne einen Funken von Gedanken im Hinterkopf, an Rechnungen, Termine oder gar Politik!
Der Autor der Unendlichen Geschichte, Michael Ende, mochte die 1984 erschienene Verfilmung seines Buches durch Wolfgang Petersen eher nicht so (um es sehr höflich zu sagen, siehe etwa n-tv.de, 6.4.2014) – und dennoch spüren wir die Kraft seines Buches in den bewegten Bildern (auch manche handgebaute Animation von damals wirkt eher rustikal, wenn man sie mit moderner Computer-Animation vergleicht, aber keinen Deut weniger liebevoll).
In einer bekannten Szene des Films durchqueren der junge Titelheld Atréju (gespielt von Noah Hathaway) und sein Pferd Artax die Sümpfe der Traurigkeit. Das Pferd beginnt zu versinken, und Atréju versucht, sein Pferd zu motivieren, sich zu befreien zu versuchen. Er zerrt, er weint, er fleht und er brüllt, doch es ist aussichtslos. Das Pferd versinkt und stirbt, und Atréju bleibt allein (für Beschreibung und Video siehe etwa moviepilot.de, 18.9.2014).
Die »Sümpfe der Traurigkeit« sind nicht identisch mit »dem Nichts«, doch sind es Bilder desselben Grundmotivs, das sich durch das Buch zieht. Eine Interpretation des Buches ist der Kampf des Menschen (oder: mancher Menschen) gegen die Depression, gegen die eigene wie auch gegen die eines geliebten Menschen.
Das »Nichts« der Unendlichen Geschichte ist ein so starkes Bild, dass man sich fragt, worauf es referiert. Vielleicht ist nicht das Nichts ein Abbild der Depression, sondern sind die Depression und ihre vorübergehende Schwester, die Traurigkeit, ein Abbild eines Größeren, eines Nichts, und die Depressiven und Traurigen (was nicht dasselbe ist, ich weiß, und doch verwandt) sehen das Nichts schärfer als andere.
Nicht wie erhofft
Wir hören und lesen: bild.de, 8.10.2019 schreibt: »9 Verletzte bei Lkw-Horrorfahrt durch Limburg – Täter ist Syrer – Er kam 2015 nach Deutschland«. In Limburg gab es wohl »nur« Verletzte. Sofort setzte ein Ringen um die Deutung des »Ereignisses« ein – während natürlich jeder an den Anschlag vom Breitscheidplatz dachte. Zunächst wurde von einem möglichen Terror-Anschlag gesprochen (siehe etwa bild.de, 8.10.2019), einige der Texte wurden inzwischen stellenweise umgeschrieben (focus.de, 8.10.2019 wirkt auf mich so). Die üblichen Wahrheits-Profis des Staatsfunks ballerten schnell aus ihren 8-Milliarden-Rohren (etwa Gensing: tagesschau.de, 8.10.2019). Fakt scheint auf jeden Fall zu sein: Wenn der den Behörden bereits bekannte junge Herr aus Syrien nicht 2015 dem »freundlichen Gesicht« Merkels gefolgt wäre, wäre der Zwischenfall nicht dazwischengefallen – wie so viele andere Ereignisse auch nicht.
Und doch, die LKW-Abenteuerfahrt von Limburg ist nicht die einzige Meldung heute.
In wirren öffentlichen Darstellungen kostümieren sich angebliche »Öko-Aktivisten« als blutverschmierte Tote (@Reuters, 8.10.2019). Das Problem mit Endzeitsekten ist, dass sie sich in der Heimlichkeit ihres Herzens nach dem Untergang sehnen. Wenn dieser aber nicht wie erhofft eintritt, versuchen einige später, diesen selbst herbeizuführen.
Während Öko-Sektierer und andere Extremisten vom Weltuntergang träumen, jeder auf seine Art, und jeder in verschiedener Konsequenz, findet derweil ein ganz realer Abschied ins Nichts statt.
Es wäre natürlich die Aufgabe des Staates, die negativen Konsequenzen linksgrünen Wahns zu korrigieren, vornehmlich der Behörden. Werden sie es können? Wir lesen: »Clans unterwandern zunehmend Ämter und Jobcenter – Kriminelle kurdisch-libanesische Banden versuchen immer häufiger, Einfluss auf die öffentliche Verwaltung zu nehmen, klagt der Bund Deutscher Kriminalbeamter in Nordrhein-Westfalen« (welt.de, 8.10.2019).
Heute wird aktuell vermeldet, dass die Deutsche Bank allein in Deutschland etwa 9.000 Stellen abbauen wird (bild.de, 8.10.2019). Es ist nur die neueste Meldung aus einer Entwicklung, die bei Twitter mit dem zynisch-traurigen Hashtag »#futschi« begleitet wird – und zur Abwechslung mal eine Jobverlust-Meldung, die nicht in Zusammenhang steht mit Öko-Aktivismus und De-Industrialisierung. Es sind ja sonst ironischerweise vor allem sogenannte »Linke«, die in ihrem moralischen Furor gegen die Interessen von Arbeitern und Angestellten agitieren (siehe etwa cicero.de, 7.10.2019).
Die Positionen der Linken von vor 10 oder 20 Jahren vertreten heute dagegen die sogenannten »Rechten« – ein Helmut Schmidt würde heute vierkant aus der SPD geworfen werden, und anders als im Fall Sarrazin womöglich auch erfolgreich – Zitat: »Die multikulturelle Gesellschaft ist eine Illusion von Intellektuellen.«, zeit.de, 22.4.2004.
Und dann?
Das Denken jener, die unsere Geschicke leiten, kennt kein Streben nach Kohärenz und Ordnung. Der Fremde, der die Werte und ethischen Grundlagen des Westens verachtet, erscheint ihnen als gut, und der Bruder oder Nachbar, der die hart erkämpften Werte des Westens bewahren möchte, erscheint ihnen als böse. Das alles ließe sich als philosophische Spielerei abtun, wenn es ihnen nicht gelungen wäre, ihre wirren Gedanken in praktische Politik umzusetzen.
Es ist eine einfache Frage, bestehend aus nur zwei Worten, mit der sich die Ideologie der Merkelregierung, des Staatsfunks und der Propaganda-NGOs zum Einsturz bringen lässt, und diese Frage lautet: »Und dann?«
Wir lassen die Grenzen offen und laden junge Männer aus Krisenregionen unkontrolliert ins Land! Refugees Welcome! – Und dann?
Wir schließen die Fabriken und de-industrialisieren das Land! Klima retten! – Und dann?
Wir unterwerfen uns einer archaischen Kultur und wickeln die Aufklärung wieder ab! Toleranz! – Und dann?
Die Frage nach dem LKW-Fahrer von Limburg ist nicht, ob er Islamist ist oder doch nur ein »gewöhnlicher« Drogendealer und Gewaltkrimineller (siehe etwa welt.de, 8.10.2019), sondern: Und dann?!
Die ehrliche Antwort
Es gibt keine linksgrüne Theorie, kein Denkgebäude. – »Linksgrün« bedeutet in der Praxis, das zu tun, was die Propaganda dubioser NGOs von uns fordert, und das ist latent anti-demokratisch, macht die Reichen reicher und das Volk ärmer.
Wenn man Linksgrüne, Staatsfunker und all die NGO-Söldner fragt, »was dann« kommen wird, was kommen soll und kommen kann, werden sie nicht kohärent antworten, sondern wahrscheinlich eher in wüste Beschimpfungen verfallen.
Die ehrliche Antwort aufs »Und dann?« wäre: Das Nichts.
Die zwingende Konsequenz linksgrünen Denkens ist Zerstörung, Chaos, Das Nichts. (Das Linksgrüne in jüngster Zeit mit der zerstörerischen und seelenfeindlichen Ideologie des Sozialismus liebäugeln ist 100% konsequent.)
Öko-Sektierer haben sich ihre Faszination von Weltende und Zerstörung bei den Islamisten abgeschaut. Sie können nichts aufbauen, sie können nichts erschaffen, also zerstören sie. Natürlich ist es einfacher, ein Hochhaus zu sprengen als es zu bauen, einen Menschen zu ermorden als ihn aufzuziehen, eine Wirtschaft lahmzulegen als sie zum Laufen zu bringen, ein Land zu ruinieren als es zum Wohlstand zu führen.
Die Konsequenz von Islamismus und Öko-Sektierertum ist in beiden Fällen das Nichts. Was kommt nach dem Islamismus? Das Nichts. Was kommt nach dem Öko-Aktivismus? Das Nichts. Was kommt nach Linksgrün? Das Nichts.
… als das Nichts immer näher kam, wurden mehr und mehr Bewohner der Stadt so mächtig angezogen, daß sie nicht mehr widerstehen konnten. (Michael Ende, Die Unendliche Geschichte)
Wer von den beiden?
Der einzelne Bürger muss sich heute fragen: In jener Szene aus der Unendlichen Geschichte, mit dem jungen Helden Atréju und seinem Pferd Artax, wer von den beiden will ich sein?
Bin ich das arme Pferd, das sich der Traurigkeit hingibt und versinkt? Bin ich der Held, der sich selbst aus dem Sumpf befreit und dann sein Bestes gibt, seine Freunde mit herauszuziehen?
Wenn das Nichts sich ausbreitet, können wir Inseln im Nichts bauen, wo wir mit unseren Lieben sicher sind? (Ich nenne diese Inseln manchmal »Innenhöfe«.)
Archimedes bat einst um den einen festen Punkt, von dem aus er die Welt aushebeln würde. Ich will nichts und niemanden aushebeln, doch einen festen Punkt, den braucht es heute ganz gewiss!
Sucht euch kleine Inseln der Gewissheit, wenn das große Ungewisse sich von der Zukunft her in eure Richtung ausbreitet.
»Du musst nur in das Nichts springen«, so rät der Werwolf Gmork dem jungen Helden Atréju, »du musst keine Angst haben, es tut nicht weh.« – Es ist dieselbe Aussage, die Staatsfunk und NGOs den Menschen einhämmern. (Wir alle kennen Menschen, die ins Nichts springen, die sich der Propaganda hingeben.)
Wie reagiert der junge Held, als er vom Werwolf aufgefordert wird, ins Nichts zu springen, oder, wie man heute sagen würde, Teil des »wir sind mehr« zu werden? – Er lehnt es ab, das ist der erste Schritt, sonst wäre er ja kein Held, doch die Art seiner Ablehnung darf uns Mut geben:
»Ich habe keine Angst«, antwortete Atréju. »Ich hätte nie gedacht, daß ich gerade hier und durch dich alle Hoffnung wiederbekommen würde.« (Michael Ende, Die Unendliche Geschichte)
Indem wir uns weigern so zu tun, als würden wir deren fabrizierte Wahrheiten glauben, indem wir sagen, was wir sehen, indem wir das denken, was uns als richtig erscheint, und nicht, was sie im Fernsehen sagen, indem wir unsere Insel im Nichts und unseren eigenen Innenhof bauen, indem wir alle unsere Kraft aufbringen, unsere Lieben und Nächsten aus dem Sumpf und aus dem Nichts herauszuziehen, daran wächst unser Mut, daraus schöpfen wir Hoffnung.
Alles ist besser, als traurig unterzugehen. Etwas Besseres zu kennen und dafür zu kämpfen, das ist Freiheit, das ist der Anfang von Hoffnung.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf dushanwegner.com.
Dushan Wegner (geb. 1974 in Tschechien, Mag. Philosophie 2008 in Köln) pendelt als Publizist zwischen Berlin, Bayern und den Kanaren. In seinem Buch „Relevante Strukturen“ erklärt Wegner, wie er ethische Vorhersagen trifft und warum Glück immer Ordnung braucht.