Tichys Einblick
Scholz täuscht

Leopard voraus

Leopard voraus, Marder hinterher, zwischendrin Gepard – damit hätte man anfangs die eingeschlossenen Zivilisten und Soldaten im Azovstal – Werk retten können. Die die „Zeitenwende“-Rede war reine Täuschung. Von Annette Heinisch

IMAGO / Panama Pictures

Immer, wenn ich Kanzler Scholz sehe, erscheinen vor meinem geistigen Auge die Gesichter der verzweifelten Soldaten und ich frage mich, wie unser Kanzler überhaupt noch schlafen kann. Sinnlose Anrufe bei Putin, um ihm zu sagen, dass die Ukrainer keine Nazis sind, können das Zögern bei Waffenlieferungen nicht wettmachen. Es scheint fast, als bitte er Putin um einen Vorwand, auch weiterhin Zaudern zu können.

Zugesagt war immerhin die Lieferung von Gepard-Panzern, die eine reine Abwehrwaffe darstellen. Aber da fehlt angeblich ausreichend Munition. Deutschland habe nur 23.000 Schuss, die lediglich für eine halbe Stunde Betrieb reichten, wird behauptet.
Hergestellt wird die Munition von Oerlikon in der Schweiz. Die Schweiz liefert im Falle eines Kampfeinsatzes nicht an Deutschland. Nun kann man sich fragen, ob eine derartige Lieferkonstruktion sinnvoll ist oder ob man ganz grundsätzlich Waffen und Munition nicht aus Staaten beziehen sollte, die dann, wenn diese am dringendsten gebraucht werden, nicht liefern. Hier ist die Politik ganz unmittelbar zum Handeln aufgerufen.

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Aber unabhängig davon ist fraglich, ob diese Behauptung, die Munition reiche nicht, einer Überprüfung Stand hält.
„Der Flugabwehrkanonenpanzer Gepard (FlakPz Gepard), ist ein autonomer, hochmobiler, allwetterkampffähiger FlaK-Panzer aus deutscher Produktion.“
Seine Aufgabe ist es, Panzern den nötigen Schutz gegen Luftangriffe (4 km Höhe und 6 km horizontal) zu liefern, d. h. vor Flugzeugen, Raketen und Drohnen. Er ist tiefwasserfähig, kann jedoch nicht tauchen und verfügt über ein großes Magazin für Flugziele sowie ein kleines für Bodenziele. Insgesamt führt ein Gepard 680 Patronen mit, wovon 40 für die Bekämpfung von Bodenzielen (zum Selbstschutz) dienen. Die Zielerfassung erfolgt mit Hilfe von Radar, optischer Aufklärung durch Periskope sowie eines Feuerleitsystems und – rechners. Aufgrund der Berechnung der Flugbahnen genügen in der Regel wenige Feuerstöße pro Ziel.

„Für die Bekämpfung von allen Zielen gibt es verschiedene Feuerraten. Flugzeuge werden in der Regel mit Feuerwahl NORMAL bekämpft. Hierbei bestimmt der Feuerleitrechner, welche Anzahl von Patronen optimal verschossen wird, maximal jedoch zwölf Schuss pro Waffe. Bei begrenztem Munitionsvorrat wird mit Feuerwahl BEGRENZT gefeuert (zehn Schuss pro Waffe). Drohnen (UAV) werden mit Feuerwahl KURZ bekämpft. Darüber hinaus stehen die Feuerarten DAUER, die nur in Ausnahmen verwendet wird, und EINZEL für die Bekämpfung von Bodenzielen zur Verfügung.“

Nimmt man an, dass die Feuerwahl auf BEGRENZT gestellt und im Schnitt maximal vier Feuerstöße pro Ziel abgegeben werden, was schon viel ist, dann können damit 575 Angriffe bekämpft werden. Das ist nicht wenig. Hinzu kommt, dass der Feind – wenn er denn weiß, dass eine Flugabwehr vorhanden ist – diese Kräfte eher weniger angreifen wird, so dass diese geschützt sind.

Offen bleibt daher, worauf die Behauptung, die Munition reiche nur für eine halbe Stunde, beruht. Möglicherweise ist die Kadenz zu Grunde gelegt worden, d. h. die Feuergeschwindigkeit der Waffe. Diese beträgt 550 Schuss pro Minute. Auch dann käme man eher auf 40 als auf 30 Minuten, allerdings wäre die Kanone schon aufgrund der Hitzeentwicklung Schrott. Tatsächlich relevant sind aber die Feuerrate und die Anzahl der Feuerstöße. Daraus ergibt sich ein ganz anderes Bild.
Zudem würden auch andere Länder ihr Gepard-Munition abgeben, z. B. Rumänien. Eventuell – bei entsprechendem politischem Druck – auch Jordanien (350.000 Schuss im Bestand), Brasilien und Katar. Deren Bestände könnten dann von Oerlikon wieder aufgefüllt werden.

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Die Behauptung, es mangele an Munition für die Gepard-Flugabwehrkanonenpanzer, hält einer Überprüfung also nicht stand. Nur am Rande sei erwähnt, dass der Gepard über dieselbe Wanne verfügt wie der Leopard. Selbst wenn also nicht mehr ausreichend Munition vorhanden wäre, wäre er als kurzfristig verfügbares Ersatzteillager für Leopard-Panzer durchaus geeignet.
Kampfpanzer Leopard stehen neben dem Schützenpanzer Marder auf der Bestellliste der Ukraine. Sie werden dringend benötigt, denn die Ukraine kämpft u. a. gegen die russischen Kampfpanzer T-72B3, T-80BVM, T-80UM und die T-90 – Reihe. Diese verfügen sämtlich über Wärmebildgeräte.

Grundsätzlich gilt, dass die (meisten) Kämpfe gewinnt, wer zuerst trifft. Um zu treffen, muss man zunächst einmal sehen. Dafür sind moderne Wärmebildgeräte unerlässlich, die den Feind auf einige Kilometer Entfernung als weißen Punkt erkennbar machen. In den allermeisten Situationen kommen „Quartett-Faktoren“ wie Kaliber der Kanone und Dicke der Panzerung überhaupt nicht zum Tragen.
Ist der Feind lokalisiert, ist ein Feuerleitrechner – /system wichtig, damit die Zielerfassung schnell und präzise erfolgt. Auch darüber verfügen die o. g. Panzer der russischen Armee.

Die den Ukrainern derzeit von den Nachbarländern (auch im Rahmen eines Ringtausches) zur Verfügung gestellten alten russischen Panzer haben aber kein Wärmebildgerät, d. h. die Russen können die ukrainischen Kräfte orten, wohingegen diese blind sind. Die von den Russen als Export-Modell gebauten Panzer haben zudem eine minderwertigere Panzerung und sind in vieler Hinsicht schlechter als die Panzer, über die die Ukraine selbst verfügt. Natürlich ist es gut, Panzer zu bekommen, aber lediglich einige wenige von Polen gelieferte T-72M1R haben Wärmebildgeräte und sind daher eine Verbesserung. Diese wenigen guten Panzer reichen aber gegen einen Feind wie Russland nicht annähernd aus.

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Die von der Ukraine bestellten Leopard-Kampfpanzer 1A5 (und besser) sowie der Schützenpanzer Marder 1A3 haben alle Wärmebildgeräte, sind auch deutlich besser gepanzert. Sie würden also verhindern, dass ukrainische Soldaten einfach abgeschossen werden. Damit würde zwar keine wirkliche Waffengleichheit hergestellt, aber doch wenigstens die Ungleichheit reduziert.

Mit dem eingangs geschilderten Verbund könnte man auch eingeschlossene Zivilisten und Soldaten befreien, damit unendliches Leid beenden oder verhindern.
Dass diese Waffen nicht längst geliefert und entsprechende Ausbildungen begonnen wurden, beweist, dass die „Zeitenwende“-Rede reine Täuschung war. Deutlich wird, dass die Grünen und die FDP es nicht wirklich ernst meinen mit der Unterstützung der Ukraine, denn sie sind in der Regierung und verantworten das Zögern mit. Sie könnten es ändern, tun aber nichts. Da nützt es nichts, wenn Kubicki bei Corona oder Strack-Zimmermann jetzt beim Krieg in der Ukraine das Feigenblatt der FDP spielen. Ebenso wenig helfen markige Worte eines Anton Hofreiters oder der Außenministerin Annalena Baerbock.

„Seht euch vor vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe. An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.“, so steht es in der Bibel (Matthäus 7:16). Das ist ein jederzeit guter Rat, auch heute auf Politiker anzuwenden. Sie reden viel, oft genug um zu täuschen. Was sie wirklich meinen, erkennt man an ihren Taten.
Diese sprechen eine klare Sprache: Unsere Regierung lässt die Ukraine im Stich.


Von Annette Heinisch

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