Nach seiner Covid-Infektion hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Freitag wieder einen Auftritt bei der Bundespressekonferenz. Es war die erste offizielle Rückmeldung nach der Vorstellung des 7-Punkte-Planes, den er mit Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) ausgearbeitet hatte. Und es war eine bizarre Vorstellung, wie man sie seit Beginn der Corona-Krise bei ihm gewöhnt ist, ob in Talkshows oder im Bundestag.
Lauterbach verkündete den langsamen Rückgang der Sommerwelle. Doch das Ende der Sommerwelle ist für den Minister nur das Vorspiel zur Herbstwelle. Beim Lieblingsthema „neue Impfstoffe“ freut sich Lauterbach. „Angepasste Impfstoffe“ seien im September verfügbar. Die Produkte aus dem Einkaufsrausch sind endlich da. „Die Bundesregierung hat beide Impfstoffe in auskömmlicher Welle besorgt. Wir werden daher relativ früh auch beliefert werden.“ Damit kündigt Lauterbach die nächste Impfkampagne an.
Neuerlich betonte Lauterbach, dass die Maskenpflicht in Innenräumen Ländersache sei. Die Länder müssten sie ja nicht verordnen. Nur, um dann eine solche Argumentation sofort wieder in den Sack zu stecken: Natürlich rechne er damit, dass die Länder genau diese Maskenverordnung wieder am 1. Oktober erlassen würden. Man werde dann wieder höhere Fallzahlen haben.
Darauf kam es zu einem typischen Lauterbach-Moment. Er wehrte sich gegen die Kritik, dass es Grenzwerte geben müsste. Die würden der Situation „nicht gerecht“. Warum argumentiert Lauterbach dann mit Fallzahlen, die eine Maskenpflicht unumgänglich machen, wenn er selbst nicht weiß, wann die Regeln gelten und wann nicht? Das gesamte 7-Punkte-Papier entpuppt sich als reinste Willkür, die vom Bauchgefühl der Minister und Ministerpräsidenten abhängen soll. Die Widersprüche und offensichtlichen Logiklücken lassen den Zuschauer ratlos zurück. Doch es bleibt nicht der einzige Moment, sondern nur eine Momentaufnahme.
Etwas mehr als eine Stunde dauerte der Termin bei der Bundespressekonferenz. Es ist eine Stunde, die Fragen offen – und am Verstand zweifeln lässt. Lauterbach behauptet, er hätte niemals eine vierte Impfung für Jüngere empfohlen, obwohl er genau das getan hat. Nein, die anderen sind schuld: „Alles andere ist der Versuch, Verwirrung zu stiften.“ Dabei steht Lauterbachs Meisterstück der Verwirrung noch bevor. Er behauptet, eine Impfung nach nur drei Monaten sei „medizinisch völlig unsinnig“, stellt aber einen Drei-Monats-Pass vor, der nur gilt, wenn man getestet, genesen oder geimpft ist. Soll das heißen, der Gesundheitsminister empfiehlt nach der Impfung die Infektion? Oder den täglichen Test?
Dazu im Detail: Mit einer neuen App soll der Impfstatus vorgezeigt werden. Wer frisch geimpft ist (grün), hat Zugang und darf auf die Maske verzichten. Der Rest (blau) muss sich den Covid-Regeln unterwerfen. Der Gesundheitsminister verpflichtet uns also nicht, sich alle drei Monate impfen zu lassen, er übt nur staatlichen und damit gesellschaftlichen Druck aus, es zu tun. Dass ein solches System der Unterscheidung von guten Grün-Menschen und schlechten Blau-Menschen aus China kommt, macht das Herbstszenario dystopischer.
Neuerlich zeigt sich die als Wissenschaft ausgegebene Willkür. „Wenn im Herbst vor Infektion schützende Impfstoffe vorliegen, sollten sie auch für Geimpfte einen Vorteil bringen. Auf Maske im Innenraum kann man im Herbst nicht verzichten. Für die frisch Geimpften wäre eine Ausnahme vertretbar“, begründet der Minister sein Pass-Projekt. Aber: Würden zu viele Menschen von dieser Ausnahme Gebrauch machen, „würden wir die Regel ändern und machen die Ausnahme dicht“, fügt Lauterbach hinzu. Der Staat gibt und nimmt Rechte und Freiheiten, wie er will. Eine solche Unberechenbarkeit des eigenen Bürger-Status hat man auf deutschem Boden seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt.
Da fragt man sich, wann sich der Gesundheitsminister des besten Deutschlands aller Zeiten selbst hat impfen lassen. Die Antwort: Das weiß man nicht so recht. Lauterbach behauptet selbst, dass er viermal geimpft sei. Digital erfasst sind allerdings nur drei Covid-Impfungen, die letzte am 14. November 2021. Lauterbach hatte während seiner Krankheit behauptet, viermal geimpft zu sein und „trotz Paxlovid“ starke Symptome zu erleiden. Der Impfstatus des Gesundheitsministers war auf dem Handy Lauterbachs angezeigt worden, als dieser den Drei-Monats-Pass vorstellte.
Während der Staat vom Impfstatus seit anderthalb Jahren Wohl und Wehe seiner Bürger abhängig macht, wiegelte das Bundesgesundheitsministerium auf Anfrage ab, wann sich der Gesundheitsminister zuletzt habe impfen lassen. „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir nicht in Details zu medizinischen Angelegenheiten gehen können.“ Quid licet Jovis, non licet bovis? Für staatsgeplagte Bürger sollte das in Zukunft die einzige Erwiderung sein, wenn es zur Widerauflage von Karls Panikorchester kommt.