Die Versicherten zahlen nächstes Jahr 0,3 Prozentpunkte ihres Einkommens mehr für ihre Krankenkasse. Trotzdem müssen die Kassen ihre Reserven abbauen und einen Kredit aufnehmen, von dem sie nicht wissen, wie sie diesen zurückzahlen sollen. „Konsolidieren“ nennt der zuständige Fachminister dieses Vorgehen. Die Kassen warnen Karl Lauterbach (SPD) indes: Kommt sein Finanzierungs-Gesetz wie geplant, droht ein regelrechter „Beitragssatz-Tsunami“, wie es die DAK-Gesundheit formuliert.
Der Gesundheitsfonds – eine Art gemeinsames Konto der Kassen – machte im ersten Halbjahr 2,1 Milliarden Euro Verlust. Das sei saisonbedingt, sagt das Gesundheitministerium. Weil in der zweiten Jahreshälfte die Erträge aus dem Weihnachtsgeld dazukämen. Die Reserve im Gesundheitsfonds ist demnach unter 6 Milliarden Euro gesunken. Im nächsten Jahr bricht Lauterbach ein Tabu. Die Kassen müssen einen Kredit über 1 Milliarde Euro aufnehmen. Eigentlich ist ihnen das per Gesetz untersagt, aber Lauterbach hat einen rechtlichen Umweg gefunden. „Konsolidieren“ nennt er das. Auch die Pflegekasse hat er in diesem Sommer mit einem Kredit „konsolidiert“, um eine drohende Zahlungsunfähigkeit abzuwenden.
Die DAK warnt, das verlagere nur die Probleme. Im nächsten Jahr sei ein „Beitragssatz-Tsunami“ zu erwarten. Zumal die Kassen auch nicht wüssten, wie sie den Kredit zurückzahlen sollen. Für Versicherte bedeute das: Zu rasant steigenden Kosten für Gas, Strom und Lebensmittel kämen dann noch rasant steigende Kosten für die – staatlich vorgeschriebenen – Gesundheitskosten dazu. Laut seinem Haus dienen Lauterbachs Pläne aber dazu, „die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler vor zu hohen Belastungen zu schützen“.
Im ersten Halbjahr stiegen die Einnahmen der Kassen um 4,1 Prozent. Doch im Halbjahr davor waren viele Unternehmen wegen der Pandemie in der Kurzarbeit. Für die Zukunft sieht das Ministerium finanzielle Risiken. Sprich: Eine Insolvenzwelle könnte das Zahlenwerk noch dramatischer aussehen lassen. Das Gleiche gilt für eine Welle an Unternehmen, die rechtzeitig aufhören zu produzieren und zu verkaufen, bevor sie in die Insolvenz müssen.
Der Verwaltungsrat der DAK hat angesichts dieser Politik eine Resolution verabschiedet: Der Gesetzesentwurf müsse so geändert werden, dass die Versicherten weniger belastet und der „Beitragssatz-Tsunami“ im kommenden Jahr verhindert würden. Das Aufsichtsgremium schlägt vor, dass der Staat für die Kosten von Hartz-IV-Empfängern voll aufkomme.
Insgesamt müssten die Zahlungen des Staates für kassenfremde Leistungen zuverlässiger werden. Zudem solle die Mehrwertssteuer auf Arznei von 19 auf 7 Prozent gesenkt werden. Es könne nicht sein, dass der Staat Futter für Hunde besser fördere als Medizin für Menschen.