Jedes Jahr werden Fördermittel der EU zweckentfremdet, missbraucht oder veruntreut. Im Jahr 2020 waren es noch 293 Millionen Euro, die in den Taschen der Betrüger landeten, 2021 belief sich die Summe auf mehr als eine halbe Milliarde Euro, nämlich 527 Millionen Euro. Mithin wurde also doppelt so viel EU-Steuerzahlergeld missbraucht wie im Vorjahr.
Die Anti-Betrugs-Behörde OLAF, European Anti-Fraud Office (Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung), kommt in ihrem Report zu dem Schluss, es seien 2021 Betrugstrends in zahlreichen Mustern mit groß angelegten Betrugsdelikten zu erkennen gewesen. Darunter fiktive Aufforstungsprojekte bis hin zu auseinandergebrochenen Trinkwasserleitungen oder Delikte im Zollbereich und beim Schmuggel von Abfällen sowie Betrug in Verbindung von EU-Mitteln für Klimaschutz und Digitalisierung.
Treffendes Beispiel für den Missbrauch von Zahlungen für Agrarprojekte: Ein Scheinunternehmen in Italien erhob Anspruch auf die Förderung für den Anbau von Bio-Wein, der jedoch nicht den entsprechenden Bio-Kriterien entsprach.
In Bulgarien wurden Gelder für fiktive Gästehäuser zweckentfremdet, um angeblichen Tourismus zu fördern. Es waren 23 Millionen Euro, die Häuser wurden schließlich rein privat genutzt.
„Die Betrüger haben weiterhin versucht, sich die COVID-19-Pandemie zunutze zu machen. Als alle Augen auf die Bereitstellung von Impfstoffen gerichtet waren, hat das OLAF Betrugsversuche offengelegt, bei denen nationalen Behörden gefälschte Angebote über Impfstofflieferungen mit einem Gesamtvolumen von über 16 Milliarden Euro unterbreitet wurden“, heißt es in dem OLAF-Bericht. Offenbar war das Ziel der Betrüger, die Behörden zu hohen Anzahlungen zu bewegen und schließlich mit dem Geld das Weite zu suchen.
Etwa 90 Millionen Euro habe den EU-Ländern die Aufdeckung des Schmuggels von illegalen Tabakwaren eingebracht. So sei verhindert worden, dass insgesamt 437 Millionen illegale Zigaretten auf den EU-Markt gelangen konnten.
Weiterhin verzeichnet der Report Beispiele für Betrugsversuche bei der Finanzierung von Softwareprojekten, Alternativen zu Pestiziden oder angeblich umweltfreundlicheren Flugzeugen.
Die Betrüger seien zwischenzeitlich noch raffinierter und anpassungsfähiger geworden. Auf der Ausgabenseite sei das besorgniserregendste Phänomen die Unterwanderung durch organisierte kriminelle Gruppen, die durch administrative Unregelmäßigkeiten wie Doppelfinanzierungen, Interessenkonflikte, Manipulationen von Ausschreibungen und andere Mittel erfolgt, so der OLAF-Report.
Das OLAF habe weiterhin Fälle von Fehlverhalten und Nichteinhaltung der Vorschriften durch Mitglieder und Bedienstete der EU-Organe, -Einrichtungen, -Ämter und -Agenturen untersucht und auf diese Weise zur Förderung der höchsten Standards des öffentlichen Dienstes in der EU beigetragen.
Wie viele Ermittler das OLAF in den 27 EU-Staaten beschäftigt sind und wie die genannten Ergebnisse konkret im Hinblick auf Ausgabenseite der Fördergelder aussehen, ist nicht zu erfahren. Womöglich steht den 527 Millionen Euro ermittelten Betrugsfällen eine weitaus größere Summe in der Realität gegenüber.
Jedenfalls sagt OLAF-Leiter Ville Itälä: „Prävention ist das wirksamste Instrument, das wir haben, und sie steht im Mittelpunkt der Arbeit Olafs und der EU-Organe.“ Er sei „stolz auf den Dienst, den OLAF für die Europäer leistet“.