Tichys Einblick
551 Fragen – war da was?

Lassen CDU und SPD die 551 NGO-Fragen in der Versenkung verschwinden?

Finanzminister Kukies arbeitet angeblich mit Hochdruck an der Antwort. Doch aus der CDU gibt es schon halbe Entwarnung. Die Union muss nett zu SPD und Grünen sein. Ein neuer schwarz-roter Deal kündigt sich an: Migration an den Grenzen und weiter „Kampf gegen Rechts“ im Innern.

IMAGO / Bernd Elmenthaler

In den USA sind Donald Trump und Elon Musk dabei, der dortigen Version einer angeblichen „Zivilgesellschaft“ den Stecker zu ziehen: keine Staatsgelder mehr für Diversity-Programme, Streichung der nutzlosen und korrupten Entwicklungshilfe USAID und vieles andere mehr. In der hiesigen Bundesrepublik steht so etwas noch aus. Im Sondierungspapier war jedenfalls nicht die Rede davon. Hat sich die Union innerlich schon so weit von ihrer Kleinen NGO-Anfrage distanziert, dass eine Festlegung hier nicht nötig war und nicht einmal eine Andeutung von Einsparungen in diesem Bereich es in das Sondierungspapier schaffte?

Es gibt da nur die migrationsbezogenen Worte: „Wir wollen mit allen Politikfeldern eine bessere Kooperationsbereitschaft der Herkunftsländer erreichen, einschließlich der Visa-Vergabe, Entwicklungszusammenarbeit, Wirtschafts- und Handelsbeziehungen.“ Die Entwicklungshilfe könnte also als Hebel für Abschiebungen genutzt werden. Weit entfernt scheint man davon, das gesamte überflüssige Ministerium von (noch) Svenja Schulze (SPD) einzusparen oder das ebenso überflüssige Bundesbildungsministerium. Denn in Deutschland ist Bildung ohnehin schon immer Ländersache.

Das NGO-Wesen wäre auch in Deutschland noch eine Messe wert. Aber ob sie gelesen wird, bleibt unsicher. Oder ist die Messe schon gelesen, und wenn ja, für wen? Die CDU hat sich, so lauten die neuesten Nachrichten, auf einen Deal mit SPD-Chef Lars Klingbeil eingelassen: Die SPD verlangt anscheinend nicht mehr, dass die Union die Fragen zurückzieht. Aber fallen sie vielleicht einfach unter den Tisch, indem die CDU nicht auf der Antwort besteht? Dann könnten die Fragen der Diskontinuität von altem und neuem Bundestag anheimfallen und müssten gar nicht mehr beantwortet werden.

Das Ministerium hatte gewarnt: Anschein der „Neutralität“ wahren

Man darf sich in der Tat fragen, ob das Finanzministerium unter (noch) Jörg Kukies (SPD) dieser Tage geradezu lahmgelegt wird durch die Beantwortung der bekannt skandalösen Kleinen Anfrage, wie Melanie Amann unlängst bei Markus Lanz befürchtete. Wer zählt solange das Geld, und wer unsere wachsenden Schulden? Die „Kleine Anfrage“ besteht ja immerhin aus 551 Einzelfragen, in denen die Union systematisch nach der Natur und den Verstrickungen von einer Handvoll NGOs mit der Bundesregierung fragt.

Insbesondere geht es darum, in welchem Umfang die NGOs Steuergelder empfangen haben und ob die Bundesregierung glaubt, dass das Wirken und Auftreten der NGOs deren „Gemeinnützigkeit“ stützt. Aus dem Finanzministerium hatte es zuvor geheißen, man arbeite „mit Hochdruck“ an der Beantwortung der Fragen.

Im Hintergrund steht – so wird das jetzt von vielen gesehen – eine quasi persönliche Betroffenheit der CDU, die sich kurz vor der vorgezogenen Bundestagswahl auf großen Demos als „Gefahr für die Demokratie“ vorgeführt und angegriffen sah. „Ganz Berlin hasst die CDU“, so prangte es an der Berliner Siegessäule im Tiergarten. Und beteiligt an diesen Demonstrationszügen im ganzen Land waren auch Organisationen, die gerüchteweise Geld von der Bundesregierung erhalten hatten, etwa die „Omas gegen Rechts“.

Kurz vor der großen Mobilmachung hatte das Ministerium noch eine Rundmail verschickt, in der es die geförderten Vereine eigens darauf aufmerksam machte, dass sie „neutral“ bleiben müssten und keinesfalls die CDU (neben der AfD) diffamieren dürften. Man weiß offenbar ganz genau, was für ein Instrument des politischen Meinungskampfes man sich hier geschaffen hat.

„Demokratie leben“ abschaffen? Die CDU hat es ja mit aufgelegt

Bei Lanz hat Thorsten Frei (noch parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion, aber bald schon Kanzleramtsminister?) die Kleine Anfrage Ende Februar noch durchaus entschieden verteidigt: Sie sei nicht ein „Instrument der Machtlosigkeit“ (wie Amann meinte), sondern „das Normalste von der Welt“, ein Recht, das allen Fraktionen zustehe, wenn sie etwas von der Regierung erfahren wollen. Frei erinnerte zudem daran, dass auch die Grünen schon einmal eine ähnliche Anfrage gestellt hätten: 2019 zu den Berufs- und Wirtschaftsverbänden und deren eventueller politischer Schlagseite. Außerdem sei ja der globalisierungskritischen Organisation Attac 2014 die Gemeinnützigkeit entzogen worden, und zwar genau deshalb, weil sie sich abseits des eigenen Verbandszwecks politisch betätigt hatte. Das soll der Zauberschlüssel sein, um die politische Macht der NGOs im CDU-Sinn einzudämmen.

Festzuhalten ist allerdings auch: Die CDU stellt laut Frei weder die Gemeinnützigkeit der (partei-)politisch aktiven Vereine und NGOs grundsätzlich in Frage, noch will sie am millionenschweren „Demokratie leben!“-Programm insgesamt ernsthaft rütteln. Es hat sich zumindest nicht so angehört, und immerhin muss die Union ja auch gerade etwas nett zur SPD sein. SPD-Chef Lars Klingbeil hatte gefordert, dass die Union ihre Fragen – dieses „Foulspiel“ gegen die NGO-selige SPD – zur Gänze zurückzöge. Es stellte sich dann heraus, dass auch Klingbeils Frau als Vorstand bei einer staatlich geförderten Organisation tätig ist.

Thorsten Frei sagt, das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ habe die CDU ja selbst in einer „großen Koalition“ aufgelegt – weil man ab 2015 zunehmend befürchtete, dass Migration zum polarisierenden Thema werden könnte. Man hat also die Migrations-Schleusen aufgemacht und gleichzeitig versucht, Beruhigungspillen ans Volk zu verteilen, bezahlt natürlich vom Volk. Und heute sollen eben jene, die Staatsgeld bekommen, nach CDU-Willen nur „sicher die Grundsätze unserer Verfassung verfolgen“. Erinnert wird an die Extremismusklausel bis 2014. An dieser Stelle blickte Frei in eisiges Schweigen, vor allem bei Amann (Spiegel), aber auch bei Robin Alexander (Welt).

Operation Abendsonne für NGOs

Laut Thorsten Frei war die Auswahl der NGOs weniger willkürlich, als manche denken mochten. Man habe „sämtliche größere Organisationen und Verbände“ angesprochen, also keine Unterschiede gemacht. Aber die herausgehobene Nennung der „Omas gegen Rechts“ („besonders umstritten“) hat dann doch einige (linksgrüne) Geister erhitzt. Und die anderen Organisationen (Campact, Correctiv, Amadeu-Antonio-Stiftung, die Graichen-Agora-Gruppe, Greenpeace und andere mehr) gehören dem gesichert „linken“ bis grün- und linksradikalen Politikvorfeld an, insofern dürfen sich SPD und Grüne durchaus mitgemeint fühlen.

Übrigens: Erst im Januar hat Familienministerin Lisa Paus (Grüne) das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ bis zum Jahr 2032 ausgedehnt. Damit verlängert sich auch die maximale Förderzeit für die Projekte von fünf auf acht Jahre. Deutschlandfunk Noch eine „Operation Abendsonne“ der Reste-Ampel, die fast unbemerkt blieb. Solche politischen Manöver entsprechen sicherlich einem lange gehegten Traum im politisch organisierten Nachfeld der Antifa – so, wie es Renate Künast im züchtigen Schal, selbst übrigens lange Mitglied im Rechtsausschuss, schon vor Jahren aussprach.

Offen auch der Umgang mit Steuermillionen für Sea-Watch & Co.

Fragen stellen sich nun auch an die Union: Warum hatte sie die seit Langem auf der Hand liegenden Fragen nicht früher gestellt? Bei Lanz sagte Frei dazu, 551 Fragen schrieben sich nicht von selbst, die bräuchten ihre Zeit. Aber das kam am Ende eher als Angeberei rüber – dass die Union so viele Fragen in doch so kurzer Zeit, nämlich seit der Zustrombegrenzungs-Abstimmung und den folgenden Anti-CDU-Demos, aufschreiben konnte. Denn an der Verbindung beider Ereignisse besteht eigentlich kein Zweifel. Bis zu dem Zeitpunkt, da sich der NGO-Zorn explizit gegen sie richtete, war der CDU das Demokratie-Päppelprogramm der SPD- und dann Grünen-Ministerinnen entweder herzlich egal gewesen – oder eben gerade recht, weil es ja gegen die AfD gerichtet war.

Mit anderen Worten: Der Sondierungsvorhang hat sich geschlossen, und alle Fragen bleiben offen. Sicher ist nur, dass uns das Geplante eine weitere Stange schönen Geldes kosten wird. Die herbeigezogenen Grünen (waren die nicht auch abgewählt?) werden nun sicher alles daran setzen, dass das schöne NGO- und Antifa-Förderprogramm, das man von der SPD übernommen und weiter ausgebaut hat, bestehen bleibt.

Und was wird eigentlich aus den Steuermillionen für deutsche Schepper-Helfer im zentralen Mittelmeer? Auch dazu kein Wort im Sondierungspapier. Für diesen Ausgabenposten hatte vor gerade mal drei Jahren auch die Union ihre Hand im zuständigen Ausschuss gehoben und so zusätzlich Gelder für eine katholische Stiftung und deren Migrantenhilfe gesichert.

Plant die SPD jetzt die „Boriswave“ für Deutschland?

Auch die versprochene Migrationswende wird so unsicher, wenn die Union sich nicht traut, hier echte Pflöcke einzuschlagen. Und so sieht es gerade gar nicht aus. Laut Merz soll es „Zurückweisungen auch bei Asylgesuchen“ geben – nicht etwa bei allen Asylgesuchen. Die „Zahl der Zurückweisungen“ will Merz nun „erhöhen“, wo er vor Kurzem noch ab dem ersten Regierungstag alle Asylsuchenden an deutschen Grenzen zurückweisen wollte. Und auch der Familiennachzug, durch den zuletzt Hunderttausende pro Jahr nach Deutschland kamen, wird nur schrittweise, sehr bedingt eingestellt: nur für die subsidiär Schutzberechtigten. Immerhin soll die Bundespolizei mehr Kompetenzen bei Abschiebungen erhalten. Aber das ist immer nur der Notausgang, wenn ein Migrant schon schwer straffällig im Inland geworden ist.

CSU-Söder stellt den Stopp der Einflüge von Afghanen in Aussicht, ebenso Abschiebeflüge nach Afghanistan und Syrien. Aber für SPD-Klingbeil stehen solche Festlegungen und Forderungen sicher nicht im Vordergrund. Er ist dafür, dass Zuwanderung auch weiter eine Hauptrolle in der Entwicklung dieses Landes spielen möge – wobei er keine Grenzen setzt, was Zahl und Herkunft der Zuwanderer angeht. Was er aber konzediert, ist: Die irreguläre Zuwanderung solle zurückgehen, die reguläre einen Aufschwung erleben.

Das könnte heißen: Die neue GroKo bereitet die deutsche Version der „Boriswave“ vor, in der nach dem Brexit fast eine Million außereuropäische Zuwanderer auf die Insel strömten – mit den verschiedensten Rechtfertigungen, vom Studienaufenthalt bis zum Familiennachzug. Aber so muss es in Deutschland vermutlich nicht kommen. Wir haben ja noch die nach allen Seiten offenstehenden Grenzen nach außen – und innen Heerscharen staatlich geförderter NGOs, die genau diese offenen Grenzen bei jeder sich bietenden Gelegenheit in großen Demos „gegen Rechts“ verteidigen. Vor allem, wenn es wieder Schwerverletzte und Tote zu beklagen gibt.

Und derweil fordern wiederum ähnliche NGOs (Campact, Attac, HateAid, Greenpeace) in einem offenen Brief, dass der Staat gefälligst die „Demokratie schützen“ und das „Gemeinwohl fördern“ müsse (Offener Brief). Das müssen die Töpfe der NGOs sein: „Online-Plattformen brauchen“ demnach „Kontrolle“.

Dem kamen Union und SPD auch in ihrem Sondierungspapier nach und versprechen uns eine ausgreifende Anwendung des Digital Services Act (DSA) der EU. Das heißt: Zensur auf X und Facebook – und bitte eine eigene „gemeinwohlorientierte digitale Plattform aufbauen“. Die Absurdität in NGO-istan kennt keine Grenzen.

Anzeige
Die mobile Version verlassen