Erwartungsgemäß heißt der neue Parteivorsitzende der CDU seit dem 16. Januar 2021 Armin Laschet. Das Wahlergebnis der 1.001 Parteitags-Delegierten zugunsten Laschets (521 Stimmen) gibt, wie schon bei der Wahl von Annegret Kramp-Karrenbauer im Dezember 2018, die Kräfteverhältnisse unter den Funktionären der CDU eindrücklich wieder: etwas mehr als die Hälfte steht für die Weiterführung des seit 2005 von Angela Merkel eingeschlagenen Kurses einer „Modernisierung“ der Partei durch die schrittweise Aufgabe liberal-konservativer und die Übernahme sozialdemokratischer und grüner Positionen. Dieser Prozess soll auf Wunsch auch der neuen Parteiführung erstmals in eine Große Koalition (GroKo) mit den Grünen im Bund führen, nachdem sich die GroKo mit der SPD inzwischen verbraucht hat. Damit kommt die CDU-Führung einem Ziel näher, das Laschet schon ab Mitte der 1990er Jahre zusammen mit einigen weiteren Parteigenossen, zu denen auch der dritte Kandidat für den Parteivorsitz Norbert Röttgen gehörte, mit Hilfe eines als „Pizza-Connection“ betitelten, informellen Gesprächskreises mit einigen Vertretern der Grünen mittel- bis langfristig ins Auge gefasst hatte.
Die Mehrheitsverhältnisse innerhalb des Funktionär-Corps und der Mitgliederschaft der CDU sind offenkundig keineswegs deckungsgleich und zeugen von innerparteilichen Spannungsverhältnissen, die, wie vor Corona, jederzeit neu aufbrechen können. Mit der Wahl Laschets zum Parteivorsitzenden stehen viele Mitglieder wie auch einzelne Funktionäre der CDU, die zum Beispiel für eine restriktivere Asyl- und Migrationspolitik, für eine Begrenzung des Sozialstaats, gegen die weitere Vergemeinschaftung von Schulden in der EU, gegen die Einführung der Gender-Sprache an Universitäten und in Behörden, für die Beibehaltung des Begriffs Rasse im Grundgesetz und für eine Rückkehr zur Atomkraft sind, vor der Frage, wie sich solche Positionen mit einer Parteiführung erreichen lassen sollen, deren Ziel offenkundig eine GroKo mit den Grünen ist, selbst wenn sie das aus wahltaktischen Gründen im Wahlkampf vermutlich bestreiten wird. Die Entfremdung zwischen dem liberal-konservativen Teil der CDU und deren Führung wird vor diesem Hintergrund weiter zunehmen.
CDU wie CSU sitzen nach 18 Jahren Parteivorsitz und fast sechzehn Jahren Kanzlerschaft von Angela Merkel inzwischen in einer Falle, aus der sie aufgrund der Corona-Pandemie nur scheinbar entronnen sind. Entweder drohen sie Teile ihrer Wähler an die Grünen oder an die AfD zu verlieren, je nachdem, wie sie sich mittel- und langfristig ausrichten. Derzeit scheinen die Parteiführungen der beiden Schwesterparteien die Verluste Richtung AfD für verkraftbarer zu halten als in Richtung Grüne. Um sie trotzdem möglichst klein zu halten, setzen sie seit einiger Zeit verstärkt auf die Hilfe des Verfassungsschutzes. Die zur AfD abgewanderten Unionswähler sollen vor den in diesem Jahr anstehenden Wahlen nicht mit politischen Angeboten von der (Wieder-)Wahl einer der Unionsparteien überzeugt, sondern durch den Verfassungsschutz dazu gebracht werden, nicht (mehr) die AfD zu wählen. In dieser Hinsicht sind sich Söder und Laschet wohl nicht nur einig, sondern halten ein solches Vorgehen auch für legitim. Ob das für alle Funktionäre, die Mitglieder und vor allem die Wähler der beiden Unionsparteien angesichts der angestrebten GroKo mit den Grünen auch so zutrifft, muss man erst noch sehen.