Viele Journalisten haben Olaf Scholz zum Gewinner des Triells ausgerufen. Übersehen wurde dabei meist, dass Armin Laschet in der Runde konkret und realistisch argumentierte, wenngleich auch der klügste Umgang mit falschen Zielen immer noch der Umgang mit falschen Zielen bleibt. Denn die so genannte Energiewende, zu der sich die Mobilitätswende gesellt, ist die Wende hin zur De-Industrialisierung, zu Verzicht, Gängelung und Einschränkung.
Olaf Scholz hat es zweimal im Triell angekündigt, dennoch überhören es die Journalisten beharrlich, denn diese Ankündigung demaskiert Scholz, den aktuellen Medienliebling. Der Kanzlerkandidat der SPD kündigte an, dass er den Strom den Verbrauchern zuteilen will. Man könnte Scholz, der schwammig formulierte, äußerst wohlwollend so interpretieren, dass man die Stromerzeugung erneuerbarer Energien, denn nur sie gibt es in der neuen schönen Baerbock-Scholz-Welt noch, entsprechend des Bedarfs plant, da man ja wisse, wie viel ein Stahlwerk bspw. an Strom benötigt. Nur, was wenn man mit den erneuerbaren Energien, selbst wenn man jedes Dach und jeden Keller mit Photovoltaik zupflastert und alle fünf Meter ein Windrad aufstellt, nicht genügend Strom erzeugt, zumindest nicht zu jeder Zeit?
Armin Laschet nannte bei seiner Pressekonferenz die Zahl von 655 Terrawattstunden, die bis 2030 zusätzlich an Strom benötigt werden würden, wenn beispielsweise E-Mobilität und Digitalisierung weiter voranschreiten – und nicht nur diese. Was also, wenn durch erneuerbare Energien der Bedarf nicht gedeckt werden kann und wir uns Strom aus dem Ausland nicht mehr leisten können wie bis jetzt?
Dann würde der Strom zugeteilt, dann würde die Bundesregierung entscheiden, wie viel Strom jeder Fabrik, jeder Firma und jeder Familie zustände. Die Familie, die dann am Anfang der Woche ihr Stromdeputat verbraucht hätte, müsste dann für den Rest der Woche ohne Energie auskommen. Dass das keine Dystopie ist, belegt die Arbeit an gesetzlichen Regelungen im Bundeswirtschaftsministerium, wer wie wann unter welchen Umständen wie lange vom Netz genommen werden darf.
Wie man es auch immer dreht und wendet, es bleibt dabei, dass mit einem Kanzler Olaf Scholz die staatliche Planung und Leitung der Wirtschaft beginnen würde, denn wenn man das nicht täte, dann würde Annalena Baerbock die „Kontrolle“ über das Klima verlieren, die sie im Triell für sich beanspruchte. Verzicht, Verzicht und nochmals Verzicht, Regulierung und Einschränkung sind die fünf Schwänze der Baerbockschen Geißel, mit der sich die Bundesbürger für ihre großen Klimasünden in der Vergangenheit zu kasteien hätten. Baerbock bemühte in der Art eines mittelalterlichen Bußpredigers tatsächlich das Bild von unseren gräulichen Klimasünden. Bekanntlich wollen die Grünen ohnehin zu vorindustriellen Standards zurück, zu einer Welt also mit Kohle- und Holzöfen und ohne Kanalisation.
Es ist atemberaubend zu beobachten, wie ein modernes Land sich selbst aufgibt und in der irrationalen Vorstellung schwelgt, dass ohne Zutun der Sonne und anderer Faktoren der Klimawandel rein vom Menschen verursacht wird, und der Teufel, der mit jeglicher Selbstkasteiung zu bekämpfen ist, sich im CO-2 versteckt. Doch eine Bewegung in der Gesellschaft kann noch so irrational sein, dass sich nicht Leute fänden, die mit dieser Irrationalität sehr rational Geld verdienen. Die sogenannte Energiewende und die Mobilitätswende sind in Wahrheit große Umverteilungsprogramme von unten und von der Mitte zu einem neuen, sehr grünen Oben.
Politischen und finanzwirtschaftlichen Kreisen ist es mit medialer und kultureller Unterstützung gelungen, das Klimathema in der öffentlichen Wahrnehmung zum Hauptthema zu machen und in eine Mobilisierungsideologie zu verwandeln. Und auch die Union läuft dieser Bewegung hinterher.
Die fünf Kernthemen heißen: Klimaneutrales Industrieland, Digitale Modernisierung von Staat und Wirtschaft, Entlastung der gesellschaftlichen Mitte, Stärkung der wirtschaftlichen Mitte, äußere und innere Sicherheit.
Als erste seiner fünf Themen stellte der Kanzlerkandidat der CDU seine Überlegungen zu einem klimaneutralen Industrieland vor. Auch die Union folgt der Illusion, Energie aus 100 Prozent erneuerbaren Energien (übernatürlich nicht aus Kernkraft) bereitstellen zu können. Allerdings wolle man keine Vorschriften erlassen und Vorgaben machen, sondern Investitionsanreize schaffen, Vorschriften, Steuern und Abgaben einschränken. Man setzt auf Innovation, auf, wie es bereits in der Überschrift deutlich wird, die Industrie. Mittels Wissenschaft und Technik sollen vollkommen neue Industrien, Berufe, Techniken und Technologien entstehen. Man hofft in der besten aller Welten, dadurch die Weltspitze zu erobern und umweltfreundliche Technologien in alle Welt zu exportieren. Im Stil der Sendung mit der Maus könnte man sagen: Das hilft dem deutschen Export, das hilft der Umwelt, das hilft der Welt. Eine gute Sache. Doch besteht daran in der Welt überhaupt ein Bedarf? In Indien? In China?
Abgeschafft werden soll das EEG. Das heißt, Laschet setzt darauf, dass die Windkraftanlagen sich wirtschaftlich rechnen werden. Er will zinslose Kredite durch die KfW dafür vergeben, dass die Dächer mit Photovoltaikanlagen bedeckt werden. Vor allem will er die Mitte der Gesellschaft entlasten. Auch ohne Klima-Apokalyptik sind einzelne Vorschläge durchaus sinnvoll und realistisch.
Richtig ist, dass ein Klimawandel stattfindet – übrigens seit dem es Klima gibt, wie ein Blick auf die Erdgeschichte belegt. Richtig ist, dass der Mensch das Klima nicht kontrollieren kann, nicht einmal wenn er mit so glänzenden Gaben wie Annalena Baerbock bedacht worden ist, die übrigens erkannt hat, dass die größte Gefahr für deutsche Frauen in ihren eigenen vier Wänden lauert.
Aber, was der Mensch vermag, ist, Klimaveränderungen zu analysieren und ihnen mittels Wissenschaft und Technik zu begegnen, das Klima zu kontrollieren wird ihm nie gelingen. Unsere wissenschaftlichen und technischen Fertigkeiten können uns Mittel in die Hand geben, um dem Klima nicht vollkommen ausgeliefert zu sein. Das funktioniert in vielen Bereichen sogar schon recht gut.
Aber so gut die Vorschläge der Union im einzelnen sein mögen, sie wird damit im Wahlkampf nicht Punkten können, wenn sie dem Mythos vom allein vom Menschen gemachten Klimawandel hinterherläuft, dem Unfug einer klimaneutralen Gesellschaft folgt, denn eine klimaneutrale Gesellschaft wäre eine Gesellschaft ohne Klima. Wenn man das Armageddon-Argument, das Argument der Alternativlosigkeit, des Weltunterganges nicht entkräftet, sondern ihm nachrennt, dann werden die gewinnen, die die größte Apokalypse beschwören und die Besonnenen, die Realisten werden nur als Bremser, als Verhinderer wahrgenommen. Es stellt eine erhebliche Hypothek für den Wahlkampf der Union dar, dass er dem Klima-Ideologem der Grünen gefolgt ist und weiterhin folgt.
Im Triell gestern und in der Vorstellung der Kernthesen der Klimapolitik mit ihren Protagonisten heute hat Armin Laschet den Realisten gegeben mit einer klaren Ausrichtung zur sozialen Marktwirtschaft, den Mann der Vernunft – nur ist die Vernunft bekanntlich leise, vielleicht zu leise für einen Wahlkampf. Laschets Vernunft haftet vor allem etwas Unentschiedenes an, sie ist zu vernünftelnd, als dass sie vernünftig ist.