Tichys Einblick
Das Steuer-Wirrwarr wird größer denn je

Özdemir will höhere Mehrwertsteuer auf Fleisch: „Ich finde, das merken sie kaum“

Özdemir will eine Mehrwertsteuererhöhung auf Fleischprodukte. Damit soll der Umbau von Ställen finanziert werden. Statt Subvention des Agrardiesels nun also Mehrwertsteuer-Millionen fürs Tierwohl? Den gebeutelten Verbrauchern entgegnet er: „Ich finde, das merken sie kaum.“

BundeslandwirtschaftsministerCem Özdemir (Grüne), 27. Juni 2024

picture alliance/dpa | Patrick Pleul

„Bauernfängerei“ ist ein diskriminierender Begriff, weil er unterstellt, Landwirte seien anfällig für Betrügereien und nicht sonderlich helle. Was natürlich nicht stimmt, denn sehr viele Landwirte sind gebildeter, lebensklüger und vor allem produktiver als manche „Studierte“.

Unterstellen wir Landwirtschaftsminister Cem Özdemir also keine Bauernfängerei, sondern Populismus, wenn er den Bauern jetzt – deren Vorschlag entsprechend – ankündigt, sich für eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Fleischprodukte um zwei oder drei Prozent stark zu machen. Das sagte der Grünen-Politiker am Donnerstag, 4. Juli, beim Deutschen Bauerntag in Cottbus.

Özdemir und Landwirte wollen hier also eine Mehrwertsteuer von 9 oder 10 Prozent. Mit den Mehreinnahmen sollen die Landwirte, so Özdemir, den Umbau der Ställe im Sinn eines verbesserten Tierwohls finanzieren können. Özdemir im Fernsehsender „Welt“ wörtlich: „Wenn wir das Geld gezielt nehmen für den Umbau der Ställe, könnte es dazu beitragen, dass der Wunsch der überwiegenden Mehrheit der Verbraucher sich erfüllt, dass die Tiere besser gehalten werden“, sagte er, denn gleichzeitig würde man auf diese Weise die Bauern nicht allein lassen, für die sich das rechnen müsse.

Özdemir hält eine solche Anhebung des Mehrwertsteuersatzes für verkraftbar für die Verbraucher: „Ich finde, das merken sie kaum.“ Der Minister meinte, dass das Vorhaben noch in der laufenden Legislaturperiode mit einer überparteilichen Mehrheit umgesetzt werden könne. Zunächst müsse es eine Einigung in der Ampel-Koalition geben und dann eine mit der Opposition. Der Minister: „Ich kenne viele in der Union, die sagen: Das könnte ein gangbarer Weg sein, der ist vertretbar“ (hier und hier).

Wir haben nachgerechnet und halten fest:

Für Landwirte wäre das ein gutes Geschäft, wenn die 2,4 Milliarden Euro denn wirklich ihnen zugute kämen und nicht woanders landeten. Theoretisch wäre damit kompensiert, dass die Subvention des Agrardiesels sukzessive zurückgefahren wird. Sie kostete den Bundeshaushalt, also den Steuerzahler, zuletzt pro Jahr rund 440 Millionen Euro.

Und die Folgen? Noch mehr Wirrwarr!

Auf dem Papier also alles recht und schön. Frage aber: Wer kontrolliert die „richtige“ Verwendung der 2,4 Milliarden Euro im Sinne des Tierwohls? Wird es einen neuen Bürokratismus in den Landwirtschaftsämtern geben?

Vor allem aber würde mit Özdemirs Idee das System der Mehrwertbesteuerung immer noch undurchsichtiger. Ein Wirrwarr haben wir jetzt schon:

Özdemir hatte vor nicht allzu langer Zeit in einer Talkshow 0 Prozent Mehrwertsteuer auf Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte gefordert. Er begründet seine Forderung als sinnvolle und notwendige sozialpolitische Maßnahme, sie sei aus gesundheitspolitischer und klimapolitischer Sicht empfehlenswert.

Aha, von daher weht der volkspädagogische Wind also auch!

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