Tichys Einblick
Landwirtschaft und Ernährung

Die grüne Konterrevolution

Geringere Düngemengen, zurückgehende Ernteerträge – dafür Wachstum im Bürokratiebereich. Die Folgen für Landwirtschaft und Ernährung sind fatal. Würde die derzeitige deutsche Agrarpolitik weltweit realisiert, würde dies Hunger und Elend für Milliarden von Menschen bedeuten.

IMAGO / Martin Wagner

Nein, es geht nicht mehr nur um Agrardieselsteueranteil oder Kfz-Steuern für Landmaschinen, es geht um mehr. Die Landwirtschaft soll durch die Hintertür verstaatlicht werden. Freie Bauern, die selbstbestimmt und unabhängig arbeiten, waren noch jedem Machtapparat ein Gräuel.

Doch nur die kennen ihre eigenen Äcker und können sie optimal bewirtschaften. Ein Funktionär dagegen verteilt Planvorgaben und will aus seinem Büro Anweisungen geben. Die sollen die Bauern befolgen, selbst wenn sie der größte Unsinn sind. Und es ist meist Unsinn, was aus Landwirtschaftskammern, Behörden und Ministerien kommt.

Und nicht zu vergessen: Bei großen Betrieben bleibt noch eine warme Nische für Politkommissare, die nichts können, aber dennoch eine auskömmliche Bleibe benötigen. Das können kleine landwirtschaftliche Betriebe in Familienhand nicht bieten. Da muss jeder mitarbeiten.

»Wir haben gute Argumente!«, sagen andere. Doch diese nutzen nichts. Sie liegen seit Jahren auf dem Tisch, mit Nachdruck und massiven Demonstrationen protestierten Landwirte – zuletzt vor vier, fünf Jahren.

Keine Frage: Die Ampel verfolgt eine klare Agenda, nach der um jeden Preis unter dem Vorwand »Klimarettung« eine Gesellschaft »transformiert« werden soll. Argumente spielen keine Rolle, es ist reine Machtpolitik. Das haben schon die heftigen Proteste vor vier Jahren gezeigt.

* * *

Vor genau 500 Jahren begannen die Bauernkriege. Aus dem Rheingau hieß es in alten Versen:

»Als ich auf dem Wachholder saß
Da tranken wir aus dem großen Faß.
Wie bekam uns das?
Als dem Hund das Gras.
Der Teufel gesegnet uns das.«

Die Bauern forderten Abschaffung der Leibeigenschaft, weniger Lasten an die Feudalherren, mehr politische und religiöse Freiheiten sowie wirtschaftliche Verbesserungen. Die Bauernhaufen allerdings wurden blutig niedergeschlagen.

Doch als dann endlich gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Bauernbefreiung kam, setzte sie eine ungeheure Explosion der Produktivkräfte frei. Die landwirtschaftlichen Erträge erhöhten sich in nie für möglich gehaltenem Ausmaß, die Bevölkerung wuchs, überzählige Bauernsöhne strömten in die Städte und ermöglichten erst so unsere industrielle Revolution. Ausreichende Lebensmittelversorgung war die Grundlage.

In den 1950er Jahren kam die wahre grüne Revolution. Nicht von ideologiegetriebenen grünen Jüngern, sondern von einem naturwissenschaftlich denkenden Menschen. Denn ein Bauernsohn aus Iowa hat Millionen von Menschen vor dem Hungertod bewahrt, dennoch kennt ihn kaum jemand: Norman Borlaug, ein amerikanischer Agrarwissenschaftler, der in Mexico ab 1944 Mitarbeiter eines agrarwissenschaftlichen Forschungslabors wurde. Dort entwickelte er neue Getreidesorten und bessere Anbaumethoden, Hochertragssorten verdreifachten die Erträge innerhalb von vierzig Jahren.

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Eine seiner wesentlichen Leistungen: Düngung ließ die Ähren des Weizens größer und damit schwerer werden. Die langen Halme knickten leicht um. Borlaug gelang es, im Weizenkorn die Geninformation so zu verändern, dass der Weizen kürzere Halme bildete. Mit ihren kurzen Stängeln blieben die Halme stehen.

Eine Folge: In Indien stiegen die Weizenerträge von 12 auf 76 Millionen Tonnen. 1960 galten 40 Prozent der Menschheit als unterernährt, heute 17 Prozent. Zu Recht erhielt Borlaug den Friedensnobelpreis.

Imposant die ungeheuren Ertragssteigerungen auf dem Acker: Um 1850 holten die Bauern von einem Hektar Erträge von zehn bis zwölf Dezitonnen. Die steigerten sich langsam auf 16 bis 22 Dezitonnen um 1900, nach 1950 auf 26 bis 33 Dezitonnen. Derzeit sind es 70 bis 75 Dezitonnen, an sehr guten Standorten bis zu 100 Dezitonnen.

Mechanisierung der Landwirtschaft, hoher Wissensstand der Landwirte über ihre sehr unterschiedlichen Böden und ein präziser dosierter Einsatz von Düngemitteln sowie die Bekämpfung von Unkraut – darauf beruhen die großen Fortschritte in der Landwirtschaft und gegen den Hunger in der Welt. Im Westen wachsen zum ersten Mal Generationen auf, die kaum mehr Hunger kennen.

Die alten Junker sind tot – die neuen Junker sind grüne Funktionäre der sogenannten Naturschutzorganisationen und Organisationen wie der ominösen Agora Agrar. Sie haben sich in vielen Ministerialstuben und Kammern breitgemacht. Von dort starten sie ihre grüne Konterrevolution und wollen die beeindruckenden Erfolge der Landwirtschaft zunichte machen, die Höfe ausbluten lassen, um sie übernehmen und Großbetrieben einverleiben zu können, die sich gnädig gegenüber den neuen Junkern zeigen und vor allem auch mal einen Euro springen lassen.

Es geht auch um das Land der Bauern, das in dichtbesiedelten Gegenden immer wertvoller wird. Wohin das führt, sieht man in den benachbarten Niederlanden sehr deutlich.

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Diese NGOs sind mittlerweile selbst zu großen Flächenbesitzern geworden. Flächen, die den Bauern unter Naturschutzvorwänden abgenommen wurden und die jetzt zu »Naturschutzgebieten« erklärt werden. Dort soll niemand mehr Zutritt haben – nur noch Verbandsfunktionäre und Beauftragte, die nach dem Rechten sehen sollen.

Ein Ergebnis übrigens des »niedersächsischen Weges«. Den hatte unter anderem der niedersächsische NABU auf den Jahrmarkt der grünen Versprechungen gebracht, nach bayerischem Vorbild versehen mit der Drohung eines Volksbegehrens »Artenvielfalt. Jetzt!« Allein diese Drohung hat bei der bisherigen Vertretung der Landwirte, dem Landvolk, für ein eilfertiges Abnicken gesorgt und ihm sogleich erhebliche Kritik der betroffenen Bauern eingebracht.

In einem Arbeitspapier mit diesem volltönenden Namen »verpflichten sich alle Beteiligten zu großen Anstrengungen bei Natur- und Artenschutz, bei Biodiversität und beim Umgang mit der Ressource Landschaft«. Politik und Umweltverbände preisen immer noch diesen »Gesellschaftsvertrag«, den NGOs und grüne Funktionäre mit einer wie auch immer gearteten »Gesellschaft« geschlossen haben wollen.

Dieser merkwürdige »Weg« sieht nichts anderes vor, als dass Landwirte aus vorgeblichen Tier- und Artenschutzansprüchen ihren Betrieb immer weiter einschränken müssen und weniger produzieren dürfen. Besonders bedrohlich für die Bauern die Präambel: Die stellt erst einmal die Landwirte an den Pranger und weist ihnen die Schuld für einen angeblichen Verlust der Biodiversität und vermeintliche Gewässerverunreinigung zu. Lassen die sich darauf ein, haben sie keine Klagemöglichkeiten mehr. Sie haben ja schriftlich »gestanden«.

Ihnen wird als Ausgleich Geld aus dem Steuerbeutel versprochen: »Die Landesregierung wird – auch unter Berücksichtigung von Entwicklungen im Markt sowie auf EU- und Bundesebene – einen geeigneten und fairen Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile, die z.B. den Landwirten oder den Niedersächsischen Landesforsten entstehen, sicherstellen.« In der Regel, so die Erfahrung der Bauern, bleiben Entschädigungszahlungen nach zwei oder drei Jahren aus, Auflagen werden höher geschraubt und damit letztlich die Bauern von einem räuberischen Staat und Umwelt-NGOs enteignet.

30 Millionen Euro sollen im Rahmen des niedersächsischen Weges in den kommenden drei Jahren unter anderem für »Managementmaßnahmen für Natura-2000-Gebiete« fließen. Die weitere Finanzierung solle danach sichergestellt werden. So werden die Natur-NGOs mit neuen Stellen in »15 weiteren Einrichtungen zur Gebietsbetreuung« wie ökologische Stationen bei Laune gehalten. Statt Getreideanbau Wiesenvögel beobachten.

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In Niedersachsen schwimmen die »Naturschützer« in Geld für den Ankauf von Land für sogenannte Natur- und Landschaftsschutzflächen. Sie suchen händeringend nach neuen Flächen. Schlechter sieht es allerdings mit ihrer fachlichen Praxis aus. Sie müssen immer wieder bei Bauern nachfragen, die nach einigen Jahren vollkommen verwilderten Flächen von Büschen und Bäumen zu befreien. Denn Deutschlands mächtiger Naturschutzverein NABU sorgt immer wieder für Skandale, wenn seine Tierquälereien Schlagzeilen produzieren, weil er seine Tiere häufig genug verhungern lässt. Wie im Dithmarscher Speicherkoog, in dem elf von 70 Wildpferden verendeten, der Rest stark unterernährt war, und Bauern die überlebenden Wildpferde fachkundig aufpäppeln mussten.

In Thüringen verhungerten in einem Naturschutzgebiet Rinder, weil sich niemand vom NABU zuständig fühlte. Kein Einzelfall, 14 Rinder verendeten bereits im Jahr davor auf der Weide wegen Futtermangels. Die »Naturschützer« von NABU fütterten nicht zu und sahen auch nicht die herumliegenden Kadaver verendeter Rinder. Jedem Bauern hätten die Behörden wegen grober Tierquälerei die Höfe geschlossen.

Den Umwelt-NGOs ist es jedoch gelungen, die städtische Bevölkerung mit ihren geringsten Ahnungen von Landwirtschaft in Angst und Schrecken vor einer Zerstörung der Natur zu versetzen.

BUND, NABU & Co wiederum wissen nicht mehr so recht, wohin mit ihren Fördermitteln. Sie kritisieren zwar die EU-Agrarsubventionen, doch allein der NABU kassiert 5,3 Millionen Euro Agrar-Ausgleichszahlungen aus dem Topf, den eigentlich Landwirte für ihre Lebensmittelproduktion bekommen sollten.

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Zu laut dröhnen schon jetzt aus Brüssel Forderungen nach einem »Green Deal« und einer neuen »Farm-to-Fork«-Politik sowie einer weitreichenden »Biodiversitätsstrategie«. Ein drastischer Eklat gegen die Landwirtschaft. Denn die EU-Kommission will den Pflanzenschutz um die Hälfte reduzieren und Kartoffelkäfer, Schildlaus und Maiszünsler freie Bahn lassen, die Düngemengen reduzieren sowie in den kommenden zehn Jahren den Ökolandbau um 25 Prozent anheben. Der hat zwar in Deutschland mit zehn Prozent Anteil offenbar seinen Peak erreicht, soll dennoch mit aller Gewalt, sprich mit Millionen Euros, hochgehalten werden.

Den Landwirten klingeln bei Worthülsen wie Nachhaltigkeitsstrategie, neue Düngeverordnung, Nitratrichtlinien, Blühstreifen, Insektenschutz, Nutztierhaltungsverordnung nur noch die Ohren, kommen sie doch schon jetzt kaum mehr mit, was an neuen Verordnungen aus Brüssel und Berlin über sie hereinschwappt. Allein für eine Düngeplanung mit ausführlicher Düngebedarfsrechnung müssen sie rund 250 Seiten Antragsformulare ausfüllen. Dazu kommen Pflanzenschutzdokumentationen im Umfang eines Romans und vieles mehr.

Die meisten Landwirte bewältigen den irrsinnigen Bürokratiewust schon jetzt nicht mehr, übergeben ihn den Landwirtschaftskammern und bezahlen dies natürlich teuer. Bei denen tummeln sich mittlerweile Heerscharen neuer Sachbearbeiter, die den Formularberg erledigen. Ob im Interesse der Landwirte oder nicht, können sie kaum mehr kontrollieren. Die Kammern, eigentlich die Vertreter der Bauern, handeln meist in ihrem eigenen Interesse.

Geringere Düngemengen, zurückgehende Ernteerträge – dafür Wachstum im Bürokratiebereich. Zu satte Umweltbewegte in Ministerien und NGOs wollen die Fortschritte in der Lebensproduktion rückgängig machen. »Gute landwirtschaftliche Praxis« – wie es heißt – spielt schon lange kaum mehr eine Rolle. Die Folgen für Deutschlands Landwirtschaft und Ernährung sind fatal. Und keine Frage: Würde die derzeitige deutsche Agrarpolitik weltweit realisiert, würde dies Hunger und Elend für Milliarden von Menschen bedeuten.

Hören Sie hier ein Gespräch mit Landwirt Anthony Lee >>>


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