Tichys Einblick
Dumme Aktion in Bayern

Die Strategien der FDP gehen gründlich daneben

Die AfD marschiert in den Umfragen, die CDU blinkt in der Folge auch nach rechts. Die liberal-konservativen Wähler sind für die FDP daher bald endgültig verloren – viel Grund zur Hoffnung bleibt ihr dann nicht mehr.

Martin Hagen, Spitzenkandidat der FDP bei der Landtagswahl Bayern, hier beim Bundesparteitag in Berlin, 22.04.2023

IMAGO / Future Image

Martin Hagen macht derzeit als Spitzenkandidat Wahlkampf für die FDP in Bayern. An Isar, Main und Donau geht es für die Liberalen wie überall darum, sich im Landtag zu halten. Werbung macht Hagen mit einem Plakat, auf dem steht: „Mehr AI. Weniger wanger.“ Das muss man erklären, was nie ein gutes Zeichen für eine Pointe ist. AI ist die englische Abkürzung für Künstliche Intelligenz. Zusammen mit wanger ergibt das Aiwanger, wie Hubert Aiwanger (Freie Wähler), der bayerische Wirtschaftsminister.

Während er mit der Hammerpointe den politischen Mitbewerber in den Mittelpunkt stellt, steht Martin Hagens Name nur klein auf dem Plakat. Auf Twitter sieht er sich Spott und Kritik für diese Idee ausgesetzt. Auch weil Hagen sich darüber auslässt, Aiwanger beschäftige sich nur mit Gendern und Fleischkonsum. Hagen verteidigt sich: „Das sind doch Scheingefechte, die von den echten Herausforderungen ablenken.“

Herausforderungen hat die FDP reichlich. Die real existierenden Zahlen der Ampelkoalition in Berlin sind vernichtend: 132 Milliarden US-Dollar sind im vergangenen Jahr aus Deutschland an Kapital abgezogen worden. Um knapp 40 Milliarden Euro sind die Schulden des Staates allein in den ersten drei Monaten des Jahres 2023 angestiegen. 1,2 Millionen Menschen haben Deutschland im vergangenen Jahr verlassen – darunter überwiegend Junge und gut Ausgebildete. Soweit die Nachrichtenlage nur von diesem Dienstag und Mittwoch.

Die FDP vermarktet sich seit jeher als die deutsche Wirtschaftspartei. Zudem will Christian Lindner als seriöser Finanzminister punkten, der die „Schuldenbremse“ einhält. Doch zum einen weiß jeder Interessierte, dass er das nur durch Tricks wie „Sondervermögen“ schafft. Zum anderen hat er immer noch keinen Entwurf für den Haushalt vorgelegt, obwohl allmählich die Sommerpause naht. Wer das Chaos um Habecks Heizhammer verfolgt hat, weiß, welch Debatte uns um den Etat noch bevorsteht. Der FDP fällt es momentan schwer zu punkten.

2013 war die FDP aus dem Bundestag geflogen. Danach hat sie es bei den wichtigsten Themen verstanden – nämlich Flüchtlingskrise und Corona-Maßnahmen –, mit einer Politik der seriösen Kritik zu punkten. Damit hat sie Wähler an sich gebunden, denen Rechtsstaatlichkeit wichtig ist, Ordnung, Sicherheit, aber auch Menschenrechte wie Freiheit. TE nennt so etwas liberal-konservativ, Deutschlands Linke framt so etwas ganz anders: Nazis, Rechtsextremisten, Covidioten, Aluhutträger oder Coronaleugner – um nur einige Highlights zu nennen.

Seit Ende 2021 regiert die FDP mit der SPD und den Grünen im Bund. In diesen Parteien sind die zu Hause, die Andersdenkende gerne mit Kampfbegriffen abkanzeln und außerhalb des Diskurses stellen. Dass es die FDP als kleinster Partner schwerhaben dürfte, die Wähler zu halten, die sie mit ihrer auf Rechtsstaat und Freiheit zielenden Politik gewonnen hat, war von Anfang an klar. Mittlerweile lässt sich vorsichtig eine erste Tendenz erkennen: Die FDP ist grandios gescheitert. Die Ergebnisse bei den letzten Landtagswahlen sprechen eine deutliche Sprache.

Zum einen kann sich die FDP nicht gegen ihre Koalitionspartner durchsetzen. In München spricht Martin Hagen von „Scheingefechten“, wenn jemand über Fleischkonsum redet. In Berlin verwandelt Ernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) das „Scheingefecht“ Fleischverzicht in Politik. Zum anderen setzt die FDP selbst die falschen Schwerpunkte: In Bayern hält Martin Hagen identitätspolitische Themen wie das Gendern für „Scheingefechte“. Im Bund arbeitet sein Parteifreund, der Justizminister Marco Buschmann, am „Selbstbestimmungsgesetz“. Kommt das wie vorgesehen, bestraft der Staat jemanden empfindlich, wenn er einen anderen nur mit falschem Vornamen anspricht. Selbst wenn es ein Familienmitglied ist. Frauen droht der Verlust ihrer Schutzräume. Männer mit Penisen können sich dann selbst zu Transfrauen erklären und den Zugang in Frauensaunen einfordern.

Wählt die Linke – im Notfall
FDP-Chef Christian Lindner fühlt sich falsch verstanden
Die FDP verfolgt eine Doppelstrategie. Sie ist bereit, auf liberal-konservative Wähler zu verzichten, um das woke Publikum zu gewinnen, das bisher Grüne gewählt hat. Das funktioniert zur Hälfte. Die Liberal-Konservativen verliert die FDP. Die Woken indes fremdeln weiter. Die geben zwar ein wenig Ruhe, wenn Buschmann am Selbstbestimmungsgesetz werkelt, doch bei der kleinsten Meinungsverschiedenheit packen sie auch gegen den Koalitionspartner das Besteck an abwertenden Frame-Begriffen aus.

Sinnbildlich dafür steht Justizminister Buschmann, die unglücklichste Figur der FDP. Der freut sich, wenn grün-rote Medien wie die Süddeutsche Zeitung die FDP mal weniger schlecht finden als sonst. Als ihn die Augsburger Allgemeine an Weihnachten einen Freiheitskämpfer nennt, reicht er das auf Twitter rum, wie ein Minderleister aus der fünften Klasse, der sich freut, wenn er es in Mathe mal auf eine Drei geschafft hat. In der Bild kündigt Buschmann an: „Wir“ würden die Saboteure der Nord-Stream-Pipeline jagen. Wie das ausgegangen ist, ist bekannt.

Dieser Tage lässt ihn die gleiche Bild wieder ein entschlossenes Vorgehen versprechen. Dieses Mal gegen Clans. Das ist ödestes Berliner Korruptions-Handwerk: Ein Politiker sticht ab und zu einem Medium eine Information. Im Gegenzug lässt eben dieses Medium den Politiker in einer Geschichte gut aussehen. In der gleichen Woche wie Buschmann hatte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident in der Bild auch schon ein entschlossenes Vorgehen gegen Clans versprochen. Es bedeutet nichts – ist nicht mehr als der Versuch einer Image-Bildung von Menschen, die an ihrem Image nicht lange und mühevoll arbeiten wollen, sondern es durch eine schnelle Geschichte erspielen wollen.

Und so sehen die tatsächlichen Images der FDP dann aus: Buschmann ist der, der sich bei den Corona-Maßnahmen von Karl Lauterbach (SPD) über den Tisch hat ziehen lassen. Lindner ist der, der zum Feiern nach Sylt geflogen ist, als im Bundestag die Zukunft der deutschen Energieversorgung verhandelt wurde. Und Bettina Stark-Watzinger ist Bildungsministerin, was man erwähnen muss, weil die kaum einer kennt. Anders als die Militärpolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, was der FDP aber auch nicht weiterhilft, weshalb sie die Charme-Königin nächstes Jahr nach Brüssel abschiebt.

Neues von der CDU
Armer Friedrich Merz! In der CDU kaum mehr Freunde aber viel Ärger über seinen Führungsstil
Bisher hat es an liberal-konservativen Alternativen gefehlt. Das hat die FDP noch einigermaßen über Wasser gehalten. Doch nun ist es der AfD gelungen, ihren jahrelang ausgetragenen innerparteilichen Streit nach außen zu verbergen. Seitdem marschiert die Partei in den Umfragen. Das wiederum hat die CDU zum Umdenken gebracht. Die kommt nun auch wieder mit anderen Themen als der Frauenquote oder anderen Versuchen, die Ampel grün zu überholen.

CDU-Chef Friedrich Merz hat angekündigt, die Politik stärker gegen die Grünen ausrichten zu wollen. Die Fraktionschefs in den Ländern haben beschlossen, dass sie sich die einseitigen Kampagnen von ARD, ZDF und Co nicht mehr gefallen lassen wollen. Noch sind das einige Schwalben. Ob daraus ein Sommer wird, bleibt abzuwarten. Wenn die CDU aber im Wettbewerb mit der AfD ernsthaft liberal-konservative Politik betreibt, dann ist die FDP aus dem Geschäft raus. Dann bleiben ihr Menschen, die sie als Wirtschaftspartei wählen. Was aber angesichts von Inflation, rückläufiger Wirtschaft und Chaos in wirtschaftspolitischen Fragen wenig erfolgversprechend ist. Oder es bleiben der FDP Mitleidsstimmen aus dem grün-roten Lager.

2012 war das große Jahr der Piraten. Sie stürmten aus dem Nichts in drei Landtage. Dann folgte innerparteiliches Chaos, ein sich abzeichnender Niedergang und im Januar 2013 die Wahl in Niedersachsen. Im Vorfeld starteten einzelne Mitglieder online eine Kampagne gegen die Grünen. Sich mit den anderen zu beschäftigen, demonstrierte aber, dass sie sich selbst aufgegeben hatten. Zurecht. Sie blieben eindeutig in der Außerparlamentarischen Opposition. Sich an anderen abzuarbeiten ist nie ein gutes Signal an den Wähler, wird vom Wähler nie honoriert. Und wenn man es tut, so wie Martin Hagen in Bayern, dann sollten die Pointen wengistens lustig sein.

Anzeige
Die mobile Version verlassen