Tichys Einblick
Ein Alternativvorschlag

Warum Lambrecht nicht Verteidigungsministerin bleiben sollte – und wer es besser könnte

Olaf Scholz schädigt die Bundeswehr, wenn er weiter an seiner Verteidigungsministerin festhält. Es gäbe sogar eine gute personelle Alternative in der SPD. Der Kanzler müsste nur sein eigenes Wort von der „Zeitenwende“ ernst nehmen.

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) auf dem Weg zur Regierungsbank bei der Bundestags-Sondersitzung zum Ukraine-Krieg am 27. Februar 2022

IMAGO / Political-Moments

Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht amtiert noch nicht lange. Aber schon jetzt gibt es eine Reihe von Äußerungen und Entscheidungen von ihr, die nicht so schnell in Vergessenheit geraten dürften. In einem Interview kurz nach ihrem Einzug in den Bendlerblock machte sie deutlich, was sie in der Bundeswehr für vordringlich hält: erstens eine noch einmal verstärkte Fahndung nach Rechtsextremisten in der Truppe („null Toleranz“), zweitens mehr Frauenförderung und bald die erste Generalin außerhalb des Sanitätsdienstes („hoffentlich in meiner Amtszeit“).

Als Putin seine Truppe an der Grenze zur Ukraine zusammenzog, schlug sie vor, ihn durch ein Einreiseverbot für sein Umfeld in den Westen abzuschrecken: Wenn seine Familienmitglieder nicht mehr zum Shoppen nach Paris fliegen dürften, dann werde das dem Mann im Kreml zu denken geben. Als russische Truppen dann auf Kiew und Charkiw marschierten, sprach sie sich gegen Waffenlieferungen aus. Von den gewünschten 100.000 Helmen aus Bundeswehrbeständen ließ sie 5000 liefern, versäumte es aber nicht, diese Entscheidung als große Hilfsgeste medial ins Bild zu setzen.

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
Als nächstes versprach sie Kiew 2700 Strela-Flugabwehrraketen aus alten NVA-Beständen, allerdings, ohne vorher durchzählen zu lassen, wie viele davon überhaupt noch funktionieren. Geliefert wurden bisher offenbar nur 500. Eine Liste mit dringenden ukrainischen Waffenwünschen ließ sie von ihren Beamten gemächlich auf „militärische Nützlichkeit“ begutachten – nicht, dass ukrainische Militärs womöglich noch das Falsche bestellen. Olaf Scholz entzog seiner Ministerin die Prokura für die 100 Milliarden Euro Sondervermögen, mit denen jetzt schnell die größten Lücken der Bundeswehr gestopft werden sollen. Dass ein Kanzler einem Ressortchef die wichtigste Aufgabe entzieht, den Minister oder die Ministerin aber im Amt lässt, bedeutet eigentlich eine noch deutlichere Erniedrigung, als es ein geradliniger Rauswurf wäre.

Die Juristin Lambrecht, die mit dem Militär offensichtlich nichts anfangen kann und eigentlich lieber Innenministerin geworden wäre, kam in den Bendlerblock, weil Scholz sein Kabinett erstens unbedingt paritätisch nach Chromosomensatz zusammenstellen wollte, und er es außerdem für eine kluge Idee hielt, lieber die Parteilinke Nancy Faeser ins Innenressort zu schicken, um sie auf eine Spitzenkandidatur zur hessischen Landtagswahl vorzubereiten.

Journalisten müssen sich gelegentlich den Vorwurf anhören, sie würden zu wenig konstruktiv kritisieren. In diesem Text will der Autor deshalb auch die Frage beantworten, welcher SPD-Politiker denn das Verteidigungsministerium statt Lambrecht führen sollte – angenommen, es geht nicht nach Geschlechterproporz, sondern nach Kompetenz. Die Antwort lautet: Hans-Peter Bartels. Als ehemaliger Wehrbeauftragter von 2015 bis 2020 kennt er die Truppe gut. Er weiß, dass die Hauptsorgen von Männern und Frauen in der Bundeswehr nicht um die Frage kreisen, wie viele Extremisten es in ihren Reihen gibt (der Anteil von Mitgliedern außerhalb des Verfassungsbogens dürfte bei den Jusos übrigens höher sein) und wann die erste Generalin eine Panzerdivision übernimmt.

Das Problem vieler Soldaten, fand Bartels schon 2020, bestehe darin, dass einfachste Ausrüstungsgegenstände fehlen. Selbst die Bestellung eines Rucksacks auf dem Dienstweg kann mehrere Monate dauern, weshalb sich viele in der Armee notgedrungen die nötigsten Dinge von eigenem Geld kaufen. Es gebe in der Bundeswehr „zu wenig Material, zu wenig Personal, zu viel Bürokratie“, so Bartels. Er machte den revolutionären Vorschlag, die Truppenverantwortlichen sollten simple Gebrauchsgegenstände in Zukunft einfach selbst bei Anbietern ordern dürfen, statt jede Bestellung der Mühle des Beschaffungsamtes zu überantworten.

Lehren aus dem Ukraine-Krieg
Die „Zeitenwende“ kommt nicht, solange Christine Lambrecht Verteidigungsministerin bleibt
Was die Ausstattung der Bundeswehr mit großem Gerät angeht, wusste er: Die Armee ist „nicht gerüstet für die kollektive Verteidigung“. Also nur bedingt einsatzfähig. Bartels wäre gern Wehrbeauftragter geblieben. Er durfte nicht, weil auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich strikt auf Geschlechterquote achtete und außerdem seine Parteifreundin Eva Högl, die gern Ministerin geworden wäre, mit irgendeinem anderen Amt abfinden wollte. Högl besitzt wie Lambrecht keinerlei Affinität zu militärischen Dingen. Als allererstes verkündete sie – Überraschung –, den Rechtsradikalismus in der Bundeswehr stärker bekämpfen zu wollen.

Als sie kürzlich deutsche Soldaten im Baltikum besuchte, stellte sie zu ihrer Verblüffung fest, dass die Dienstgrade dort nicht über klandestine Nazis in ihren Reihen klagen, sondern über einen Mangel an warmer Unterwäsche. Außerdem registrierte Högl: „Die Soldatinnen und Soldaten müssen sich durch Wald und Feld schlagen, sie sind lange draußen.“ Welche Vorstellungen die Wehrbeauftragte bis dahin von der Ausstattung der Truppe und überhaupt von einem Zweck einer Armee hegte, ist nicht bekannt.

Bartels jedenfalls kennt die Probleme der Bundeswehr und kannte sie schon vor dem Krieg in der Ukraine. Er besitzt das Vertrauen der Soldaten und bräuchte wahrscheinlich kaum Einarbeitungszeit im Ministerium. Ihm wäre auch zuzutrauen, dass er einen Raketenbestand erst einmal durchzählen lässt, bevor er eine bestimmte Zahl öffentlich verkündet.

Zum anderen gibt es natürlich mehrere Punkte, die gegen ihn sprechen. Erstens sein Geschlecht; Olaf Scholzens Doktrin der Geschlechterparität im Kabinett käme ins Wanken. Zweitens heißt seine Ehefrau Susanne Gaschke; als Kolumnistin in der Welt attackiert sie öfters die SPD. Und drittens empfiehlt ihn jetzt ein Autor von TE. Wahrscheinlich reicht aus Sicht vieler Sozialdemokraten schon jeder Punkt für sich, um seine Einwechslung ins Wehrressort auszuschließen. Die Grünen werden außerdem anmerken, nach einem Rauswurf von Lambrecht würden sich automatisch als nächstes die Blicke auf ihre Bitte-Gendern-Ministerin Anne Spiegel richten.

Aber falls Olaf Scholz tatsächlich über eine Alternative zu seiner Wehrministerin nachdenken sollte, kann er zumindest nicht behaupten, er hätte kein geeignetes Personal. Eine Amtschefin wegen mangelnder Eignung nach Hause zu schicken – das würde wirklich eine Zeitenwende markieren, von der Scholz nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine öfter spricht.

Anzeige
Die mobile Version verlassen