Tichys Einblick
Es gibt keine Lex Lambrecht

Frau Ministerin, es ist Zeit für den Abschied!

Kanzler Scholz behauptete, dass Verteidigungsministerin Lambrecht nach drei Jahren eine gestärkte Bundeswehr hinterlassen werde. Ja, die Bundeswehr wird gestärkt sein – wenn eine Dilettantin den Hut nimmt und umgehend ein politisches Schwergewicht den Posten übernimmt.

IMAGO / Christian Spicker

Mit Urlaubsplänen hat das „Ampel“-Kabinett des Kanzlers Olaf Scholz (SPD) offenbar gar kein glückliches Händchen. Im April 2022 musste Familienministerin Anne Spiegel (Grüne) gehen, weil ihr als der damals verantwortlichen rheinland-pfälzischen Umweltministerin im Sommer 2021 ein dreiwöchiger Familienurlaub und das Gendern einer Presseerklärung wichtiger war, als sich um die Flutkatastrophe im Ahrtal zu kümmern, wo mehr als hundert Menschen ertranken und Tausende ihr Hab und Gut verloren.

Bedingt kommunikationsbereit
Heeres-Inspekteur: Soldaten rufen sich Befehle zu, weil Funkgeräte nicht abhörsicher sind
Jetzt kommt die nächste Bundesministerin wegen eines Urlaubs schwer ins Straucheln. Christine Lambrecht (SPD) hatte reichlich trickreich einen Truppenbesuch beim Bataillon Elektronische Kampfführung 911 an der Grenze zu Dänemark geplant und für die Anreise von Berlin aus im Bundeswehr-Helikopter ihren 21-jährigen Sohn mitgenommen, um mit ihm gleich anschließend auf der 40 Kilometer entfernten Insel Sylt einen Osterurlaub zu verbringen. Dass der Sohnemann mit Mama im Flieger saß, konnte nicht bestritten werden, denn stolz wie Oskar postete der junge Mann Fotos aus dem Flieger in sozialen Netzwerken.

Rekapitulieren wir: Dieser Flug fand am Mittwoch, 13. April 2022, statt. Nach einer Übernachtung ging es am Donnerstag, 14. April, offenbar mit privaten Reisemitteln weiter nach Sylt. Übrigens: Am Freitag, 15. April war mit dem Karfreitag ein Feiertag, am 17./18. waren die Osterfeiertage. Die Rückkehr nach Berlin dürfte privat arrangiert gewesen sein. Jedenfalls eine clevere Planung für einen Mutter-Kind-Osterurlaub. Zum „Kind“ später!

Am 12. Mai veröffentlichte Business Insider, dass Lambrecht ihren 21-jährigen Sohn im Flieger mitgenommen hatte. Parallel dazu recherchierte die Tageszeitung Die Welt mit Anfragen beim Verteidigungsministerium, welche Rechtsgrundlage die Mitnahme des Sohnes habe und ob beziehungsweise in welcher Höhe die Kosten des mitfliegenden Sohnes privat erstattet worden seien. Das Verteidigungsministerium antwortete mal so, mal so. Lambrechts Staatssekretärin Margaretha Sudhof kam ins Spiel; sie teilte mit, die private Kostenübernahme sei „eindeutig vermerkt“ gewesen und die Ministerin habe „die Kosten gemäß der Richtlinie zu hundert Prozent übernommen.“ Siehe die Titelstory der Welt vom 18. Mai 2022: „Zweifel an Rechtsgrundlage des Helikopterflugs von Lambrechtsohn“.

Weitere Anfragen der Welt ergaben eine hektische Betriebsamkeit im Ministerium, weil Rechnung und Bezahlung nicht sofort auffindbar waren und weil plötzlich auch die Rechtsgrundlage nicht mehr ganz klar schien. Am 16. Mai hieß es dann aus dem Ministerium, dass die Bundesministerin berechtigt sei, die Flugbereitschaft zu nutzen und die sie begleitenden Personen festzulegen. Als Grund für eine Mitnahme gilt unter anderem die Vereinbarkeit von Familie und Dienst. Darauf offenbar beruft sich Lambrecht nun. Im ZDF-Mittagsmagazin betonte sie, sie habe Verständnis für die Kritik, aber als Ministerin habe sie sehr wenig Zeit für das Privatleben „und insbesondere für den Kontakt zu meinem Sohn.“ Sie bat um Verständnis dafür, „dass es darum geht, eben auch den Kontakt zum Kind weiter aufrechtzuerhalten“.

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
„Kind“! Ja, mit 21 Jahren! Eine Fürsorgepflicht dafür gibt es nicht, es sein denn, der Sohn ist nicht geschäftsfähig oder entmündigt. Sollte eine Volljuristin und vormalige Justizministerin eigentlich wissen! Aber auch hier hakt es. Mitarbeiter des Ministeriums haben ihrer Ministerin zur Entlastung offenbar die Zentrale Dienstvorschrift ZdV A-270/ anempfohlen. Dort wiederum heißt es mit Blick explizit auf „unterstellte Bundeswehrangehörige“: Ihnen dürfe „aus Gründen der Fürsorge“ eine Mitflugerlaubnis erteilt werden. Von einem Minister oder einer Ministerin ist nicht die Rede.

Was ist von all dem zu halten? Ein Streit um des Kaisers Bart? Die Rache der Welt an Frau Lambrecht, nachdem diese der Welt bereits zu Beginn der Recherche mit rechtlichen Schritten gedroht hatte? Nein, so einfach ist die Sache nicht, auch wenn Kanzler Scholz jetzt schon weiß, dass Verteidigungsministerin Lambrecht nach drei Jahren eine deutlich gestärkte Bundeswehr hinterlassen werde. Man möchte anfügen: Ja, die Bundeswehr wird gestärkt sein, wenn sie umgehend an die Spitze ein politisches Schwergewicht bekommt und eine Dilettantin den Hut nimmt. Viel zu viele Fettnäpfchen hat sie bereits betreten.

Ansonsten gilt: Wer bei diesem Zustand der Bunderegierung kein Zyniker wird, ist wohl blind und taub gleichermaßen. Trösten wir uns als mit „Don Alphonso“ von der „Welt“, der sich unter der Überschrift „Die Lambrechts und der Familienurlaub als Spaß für alle Generationen“ Sorgen um das Urlaubsgebaren von Helikoptereltern und deren verwöhnten (erwachsenen) Kinder macht.

Und trösten wir uns mit einer im Netz in unterschiedlicher Version kursierenden rhetorischen Frage: „Was ist der Unterschied zwischen einem Pessimisten und einem Optimisten?“ Antwort: „Ein Pessimist verzweifelt ob der Qualität unserer Regierenden … Ein Optimist freut sich, dass die Bundeswehr wenigstens einen Hubschrauber hat, der fliegt.“


Die mobile Version verlassen