Tichys Einblick
"Entpuppung" der FDP?

Kubicki findet Gefallen an SPD-Plänen zum „Grundeinkommen“

Kubicki versteht die Aufgabe der FDP offenbar eher darin, Opposition gegen die Opposition zu machen statt Opposition gegen die Regierung.

© Tobias Schwarz/AFP/Getty Images

Kubicki hält den Vorschlag von Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller (SPD) für ein „solidarisches Grundeinkommen“ für „diskutabel“. „Man kann über ein solches Modell reden, weil es finanzielle Anreize schafft, tätig zu werden und seinen Tagesablauf zu organisieren“, lobt der stellvertretende FDP-Vorsitzende Kubicki Müllers Vorschlag in der „B.Z. am Sonntag“.

Hört die Signale
Wer hat uns verraten? Freidemokraten?
Kubicki, der in den letzten Monaten im Bundestag und in den Medien vor allem durch eine besonders plumpe Art aufgefallen ist, wie er auf die AfD eindrischt (womit er der AfD mit Sicherheit mehr genutzt als geschadet hat), versteht die Aufgabe der FDP offenbar eher darin, Opposition gegen die Opposition zu machen statt Opposition gegen die Regierung. Gegen die Regierung hörte man ihn vor allem wettern, als er sich der Kritik von Grünen und Linken an dem Unionspolitiker Jens Spahn wegen dessen Äußerungen zu Hartz IV anschloss. Und nun lobt er den Vorschlag des SPD-Linken Müller für staatliche Beschäftigungsprogramme, der sogar Finanzminister Olaf Scholz von der SPD zu wenig marktwirtschaftlich war. Wurde die FDP dafür gewählt?
Neuauflage gescheiterter ABM-Programme

Dorothea Siems tut in der WELT das, was eigentlich Aufgabe der FDP als marktwirtschaftliche Partei wäre: Sie entlarvt Müllers Idee als das, was sie ist, nämlich als alten Wein in neuen Schläuchen. Nach der Wiedervereinigung wurden solche Programme unter dem Etikett ABM (Arbeitsbeschaffungsmaßnahme) vor allem in Ostdeutschland eingesetzt – und erwiesen sich, so wie alle staatlichen Beschäftigungsprogramme, als großer Flop. Allenfalls waren sie „gut“ dafür, nach der Wende die Arbeitslosenstatistik zu manipulieren. In Spitzenphasen war damals fast eine halbe Million Menschen in solchen Programmen untergebracht. Siems erinnert in der WELT: „Für die wenigsten von ihnen erwies sich der subventionierte Job wie erhofft als Sprungbrett in eine reguläre Beschäftigung. Vielmehr landete das Gros der Geförderten wieder in der Arbeitslosigkeit.“

Staatliche Scheinwirtschaft

Komisch, dass der Vertreter einer Partei, die sich für die Marktwirtschaft einsetzt, sich für einen SPD-Vorschlag erwärmt, nachdem Hartz-IV-Empfänger künftig dauerhaft in einer staatlich kreierten Scheinwirtschaft beschäftigt werden sollen. Siems kommentierte das so in der WELT: „Das aber wäre keine zukunftsträchtige Sozialpolitik, sondern eine Bankrotterklärung der Arbeitsmarktpolitik.“ Hat Kubicki vergessen, was das Ergebnis dieser Politik in den 90er-Jahren war? Siems erinnert:

Anmerkungen zur Debatte um das Grundeinkommen
Je höher Hartz IV, um so mehr Hartz IV-Empfänger
„Die ABM-Offensive der Neunzigerjahre hatte zahllose Unternehmen im Gartenbau und in der Landschaftspflege in die Insolvenz getrieben und damit viele reguläre Jobs vernichtet … Bei einer Umsetzung des solidarischen Grundeinkommens drohte anderen Sparten das gleiche Schicksal. Ob Babysitter oder Haushaltshilfen, Nachtwächter oder Pflegehelfer – für alle Dienstleistungen gibt es auch private Anbieter. Wenn sie trotz des Bedarfs hierzulande relativ wenig nachgefragt werden, dann liegt das häufig am Preis, den sich viele Bürger nicht leisten können oder wollen. Wenn in Zukunft die Kommunen derartige Dienste kostengünstig oder gar umsonst anbieten, wird die Nachfrage zweifellos steigen. Doch private Unternehmen verschwinden dann ganz vom Markt. Wenn nur noch der Staat als Anbieter auftritt, dann ist der Kunde nie König, sondern immer Bittsteller.“

Traurig, wenn der Vize einer Partei, deren Markenkern ein gesundes Misstrauen gegen zu viel Staat ist, ausgerechnet Gefallen an Müllers Vorschlag findet. Vielleicht träumt er ja schon von einer Koalition mit SPD und Grünen. Die FDP und insbesondere Christian Lindner hatten sich Respekt bei vielen Wählern verschafft, als sie die Jamaika-Gespräche abbrach. Doch seitdem ist sie dabei, viele Wähler zu enttäuschen. Die Kritik an der verfehlten „Flüchtlingspolitik“, ein wichtiges Motiv, warum viele die FDP gewählt hatten, überlässt man seitdem lieber der AfD und der CSU. Der letzte Vorschlag, mit dem die FDP vor einigen Tagen von sich Reden machte, war die Forderung nach schnellerer Cannabis-Freigabe. Sind das die Themen, die die Menschen bewegen und wofür die FDP gewählt wurde?

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