In Bayern kommt es zu einer Messerattacke im Zug – der Täter ist Syrer, die Linke ruft gebetsmühlenartig, das wäre ja nur ein Psychotiker, will heißen: Nur ein „Irrer“, die Politik trägt keine Schuld. Das ist schon allein deshalb so fadenscheinig, weil das die selben rufen, die Attacken wie Hanau ansonsten direkt auf einen geheimen Plan der Rechten zurückführen und finden, die AfD habe quasi mitgeschossen. Die Wahrheit ist aber: Genau wie der Täter jetzt aus dem Zug in Bayern, war der Täter von Hanau auch ein nur vordergründig ideologischer Psychotiker, der in keiner Weise mehr Realitätsbezug hat. Die Ursache dieses Realitätsverlustes ist nicht diese oder jene Ideologie, sie sitzt tiefer. An der zunehmenden Gewalt sind der Staat und die Linke aber keinesfalls unschuldig: Seit Jahren läuft eine Psychiatrie-Politik, die genau auf solche Katastrophen hinausläuft. Und das Problem ist auch nicht völlig von der Migrationsfrage zu trennen.
Norwegen: Zwei Fälle, zwei Deutungen
Zehn Jahre nachdem Anders Breivik in Oslo und auf der Insel Utoya ein Massaker an 77 mehrheitlich jungen Menschen anrichtete, wurde Norwegen erneut der schreckliche Schauplatz eines mutmaßlich extremistischen und ideologiegetriebenen Attentates. In Kongsberg schoss vor Kurzem der 37-jährige Espen B. mit Pfeil und Bogen um sich und tötete anschließend völlig willkürlich fünf Menschen mit einer Stichwaffe. Nachdem die Ermittler zunächst von einem islamistischen Tatmotiv ausgegangen sind, verdichten sich inzwischen die Hinweise darauf, dass der dänische Staatsbürger nicht radikalisiert, sondern in erster Linie psychotisch war. Auch wenn bislang keine Details zu seiner Krankheit veröffentlicht wurden, deutet alles darauf hin, dass der Mann an einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis litt – einer psychischen Krankheit, die mit einer deutlich erhöhten Kriminalitäts-, Gewalt- und sogar Mordrate einher geht. Ideologie und Fanatismus, ob rassistisch oder islamistisch, sind dabei kein Ausdruck von Radikalisierung, sondern die Wahninhalte eines von jeglichem Realitätssinn verlassenen Menschen.
In beiden Fällen hätten die Behörden es wissen können
Der befreundete Mann, der Bråthen nach eigenen Angaben seit seiner Kindheit kenne, schrieb daraufhin eine E-Mail an die Polizei, in der er mitteilte, dass der Inhalt zwar nicht illegal sei, Bråthen aber fachliche Hilfe bekommen solle, „bevor es zu spät sei“. Er glaube, dass sein Freund seit mehreren Jahren psychisch krank ist und beschrieb den 37-Jährigen als „einsamen Wolf“, der isoliert lebe und wahrscheinlich zu „fast allem“ bereit sei. Zuletzt schrieb er, dass er hoffe, dass die Polizei sein Anliegen ernst nehme und Espen B. nicht die Möglichkeit habe, etwas „absolut Schreckliches“ zu tun – sein Hoffen wurde aber anscheinend nicht erhört. Nach der Tat sagte der Mann gegenüber der VT, er musste sofort an Bråthen denken, als er von dem Anschlag hörte. Es „sei ein Kollektivversagen“, dass dieser nun eine solche Bluttat verübt habe.
Wie Bråthen war außerdem auch Tobias Rathjen lange vor seiner schrecklichen Tat bei den deutschen Behörden bekannt, war 2002 kurzzeitig wegen einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis untergebracht und veröffentlichte nur wenige Monate vor der Tat ein Manifest – die Behörden sahen sich aber nicht genötigt zu handeln und arbeiteten unter anderem aus Datenschutzgründen nicht zusammen, wodurch man den Mann weder unterbringen noch ihm seine Waffenlizenz entziehen konnte. Rathjen besaß seine Schusswaffen legal. Und auch Bråthen war im Besitz von Waffen: Neben dem legalen Besitz von Pfeil und Bogen soll der Mann nach Aussagen eines Nachbarn bei gutem Wetter in seinem Garten mit Schlagstöcken und Knüppeln das Kämpfen geübt haben.
Die neue Psychiatrie-Politik: Eingreifen, wenn es zu spät ist
Trotzdem geschah offenbar nichts. Die Untätigkeit der Behörden und Justiz in Bezug auf gewaltaffine Psychotiker ist zumindest in Deutschland leider kein Ausnahmefall. Das zeigte sich auch in Würzburg, bevor der 25-jährige Somalier Jibril Abdirahman mit einem Messer brutal und wahllos drei Frauen aus dem Leben riss und fünf weitere Menschen lebensgefährlich verletzte. Der wohl ebenfalls an einer Schizophrenie erkrankte Mann wurde seit seiner Ankunft in Deutschland 2015 immer wieder auffällig und stationär in die Psychiatrie eingewiesen, weil er andere Menschen mit einem Messer bedroht oder verletzt hatte. Er wurde nur kurz vor der Tat erneut in die Psychiatrie eingewiesen, weil er sich völlig lethargisch in das Auto eines fremden Mannes gesetzt hatte und sich weigerte, wieder zu gehen. Trotzdem wurde der Mann wieder entlassen. Am Tattag redete er laut Zeugen mit Vögeln, bevor er seinen „Dschihad“ beging – oder besser gesagt, seinem religiösen Wahn und den Stimmen in seinem Kopf nachgab.
In allen drei Fällen handelt es sich um die Taten psychisch schwer kranker Männer, die Realität und Wahn nicht mehr voneinander trennen konnten. Im Rahmen einer solchen Erkrankung begegnet man häufig Betroffenen mit religiösen oder ideologisierten Wahninhalten, sie glauben aber genauso an eine Verschwörung der CIA, der Stasi oder an Außerirdische. Bei meiner Arbeit für ein Berliner Betreuungsbüro habe ich schon Menschen gesehen, die sich selbst für Hitler hielten, andere, die von der Ermordung ihrer Angehörigen durch die Nazis berichteten, einer wurde von Allah persönlich zum Propheten auserkoren, wieder ein anderer von der Stasi abgehört, manche glaubten an Reptiloiden und wieder andere an Hexen und Vodoo-Zauber. Die Wahninhalte schizophrener Menschen sind sehr verschieden, es geht aber immer um Themen mit Bedrohungspotenzial. Gewalttätige Psychotiker eint außerdem zumeist der Gedanke, verfolgt, bedroht, gekränkt, verhöhnt und beeinflusst zu werden.
Migration spielt eine Rolle
Doch egal ob Migrant, Flüchtling oder Einheimischer: Die meisten psychisch kranken Menschen sind harmlos; es gibt aber trotzdem eine nicht unerhebliche Zahl schwerer, oft chronifizierter Psychotiker die im erheblichen Maß eigen- und fremdgefährdend sind – so wie Espen Bråthen, Tobias Rathjen und Jibril Abdirahman. Diese Menschen müssten zu ihrem eigenen Schutz und zum Schutz der Allgemeinheit in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht und wenn nötig, auch gegen ihren Willen medikamentös behandelt werden. Nur so können die Betroffenen vor Verwahrlosung, Eigengefährdung, selbstverletzendem Verhalten und Suizid bewahrt werden. Und nur so können so schreckliche Geschehnisse wie in Hanau, Würzburg, Frankfurt und Kongsberg verhindert werden.
Doch das ist politisch nicht gewollt. Im Zuge der Anti-Psychiatrie-Politik greift man in Deutschland – und anscheinend auch in Norwegen – erst ein, wenn es schon zu spät ist. Hätte man konsequent gehandelt, als das Bedrohungspotenzial der späteren Täter sichtbar wurde, könnten viele unschuldige Menschen heute noch leben.