Eine Meldung zeigt das ganze Ausmaß der Realitätsverleugnung der Regierenden – ganz gleich in welchen politischen Farben sie firmieren. Laut einem Bericht der Rheinischen Post plant die Kommunalministerin von NRW, Ina Scharrenbach (CDU), den Kommunen zu gestatten, weiterhin die Corona-Kosten aus ihren Haushalten herauszurechnen, sie also aus der Bilanz zu nehmen, und genauso mit den Kosten des Ukraine-Krieges zu verfahren.
Was NRW für die Kommunen plant, ist nichts anderes als – freundlich formuliert – staatlich genehmigte Bilanztrickserei. Eines zeigt es aber auf jeden Fall: dass die grünen Regierungen mit Blick auf die Koalitionsverträge, ob im Bund oder hier in NRW, mögen sie sich Ampel oder Schwarz-Grün nennen, vollauf damit beschäftigt sind, die Folgen ihrer Politik, die Probleme, die sie erst schaffen, zu vertuschen.
Aufhorchen lässt ein Detail. Die Rheinische Post schreibt: „Die Landesregierung will den Kommunen im kommenden Jahr insgesamt Zuweisungen in Höhe von rund 15,35 Milliarden Euro und damit rund 1,3 Milliarden Euro mehr als im Jahr 2022 zuweisen. Laut den Kommunen reicht die aber bei weitem nicht, um die Krisenfolgen und Transformationserfordernisse zu bedienen.“ Von welchen „Transformationserfordernissen“ reden wir? Davon, dass die Energiepreise explodieren, die Firmen Insolvenz anmelden – oder laut Habeck einfach aufhören zu produzieren, weil NRW die „erste klimaneutrale Industrieregion“ werden möchte und die Landesregierung unter Hendrik Wüst stattdessen die erste industrieneutrale Klimaregion machen wird?
Selten waren Medien solidarischer – mit den Regierenden
Wenn die Regierung im Wolkenkuckucksheim ganz viel will, aber in der Wirklichkeit nicht die Folgen ihrer katastrophalen Politik im Griff hat – dann ist man in Deutschland. Katastrophale Politik deshalb, weil diese Politik in die Katastrophe führt. Es gibt ein Handlungsmuster deutscher Politiker, mit dem die Politik endlich brechen muss, nämlich den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen, die Probleme nicht politisch, sondern fiskalisch lösen zu wollen, also durch Umverteilung und Geldzuweisung, übrigens sowohl in Deutschland, als auch im Ausland. Deutsche Politiker leben politisch immer noch prächtig von der Geldbörse ihrer Bürger, obwohl das die Bilanzen längst nicht mehr hergeben. Womit wir wieder konkret in NRW sind. Wenn die Bilanzen es nicht mehr hergeben, muss nicht das Verhalten geändert werden, sondern die Bilanzen. Schlimm für die Wirklichkeit, wenn sie nicht zu den Utopien passt. Wie utopisch die Utopie der Regierenden ist, kann jeder an seiner Energierechnung und können die Kommunen an ihren echten Bilanzen ablesen.
Der Deutsche Städtetag zeigt sich alarmiert, dass immer mehr Bundesländer, immer mehr Kommunen, laut Welt sich gegen die Zuweisung von Flüchtlingen aus der Ukraine sperren, obwohl zu Beginn der kalten Jahreszeit mit einer Zunahme von Flüchtlingen aus der Ukraine zu rechnen ist. Dadurch würde die Verteilung der Flüchtlinge nicht mehr funktionieren. Außerdem wird es wohl dazu kommen, dass auch immer mehr Flüchtlinge, die vorübergehend in privaten Haushalten untergekommen sind, nun staatliche Unterkünfte und Hilfen benötigen. Der Städtetag warnt davor, dass die Plätze in den Kitas und in den Schulen für ukrainische Kinder und Jugendliche nicht ausreichen werden. Der Präsident des Deutschen Städtetages, der Oberbürgermeister von Münster Markus Lewe (CDU), sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Im kommenden Winter werden etliche Städte Geflüchtete wieder in Hotels, Turnhallen oder anderen Einrichtungen unterbringen müssen.“ Parallel dazu wächst die Zahl von Migranten aus anderen Herkunftsländern. Letzteres ist politisch gewünscht. Die Massenmigration hat nicht aufgehört, es wird nur nicht mehr über sie berichtet. Selten waren Medien solidarischer – mit den Regierenden.
Die Politik des großen deutschen Portemonnaies ist am Ende
Die Misere lässt sich an dieser kleinen Meldung erkennen: Um die Große Transformation oder den Great Reset zur klimaneutralen Gesellschaft zur ersten und wohl auch einzigen „klimaneutralen Industrieregion“ voranzutreiben und die „Transformationserfordernisse zu bedienen“, muss man die Bilanzen verändern oder sogar fälschen. Denn eine Bilanz, aus der wichtige Bilanzpositionen künstlich herausgerechnet werden, als würden sie dadurch auch in der Wirklichkeit verschwinden, diese Form von Vogel-Strauss-Politik, ist bei Lichte gesehen keine Bilanz mehr.
Der kommunalpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Justus Moor, brachte es auf den Punkt: „Echte finanzielle Probleme werden in den kommunalen Bilanzen in einem Schattenhaushalt geparkt, und die Bilanz so frisiert. Echtes Geld für die echten Probleme bekommen die Kommunen dadurch aber nicht … Was Frau Scharrenbach macht, ist nichts anderes, als die Kommunen in eine neue Altschuldenkrise zu stürzen – mit Ansage und sehenden Auges. Es braucht echtes Geld vom Land und keine haushaltstechnische Beruhigungspille.“ Doch echtes Geld ist nicht da. Der Bürgermeister von Soest, Eckhard Ruthemeyer (CDU), kommentierte: „Einerseits können sie [die Kommunen] über diesen Mechanismus ihre Handlungsfähigkeit erhalten. Andererseits häufen sie Schulden an und verlagern ihre Probleme nur in die Zukunft. Es bleibt dabei: Wenn von Bund und Land nicht mehr kommt, wird es düster für die Kommunen in NRW.“ Die Schulden werden in die Zukunft geschoben; was aus den Bilanzen genommen wurde, kehrt später nämlich wieder in sie zurück.
Nebenbei ruinieren sie durch diese unseriöse Politik den Staat. In diesen Tagen erfahren wir, dass das berühmte Böckenförde-Diktum nicht vollständig ist. Der Staatsrechtler Ernst-Wolfgang Böckenförde schrieb: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist. Als freiheitlicher Staat kann er einerseits nur bestehen, wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen her, aus der moralischen Substanz des einzelnen und der Homogenität der Gesellschaft, reguliert. Anderseits kann er diese inneren Regulierungskräfte nicht von sich aus, das heißt mit den Mitteln des Rechtszwanges und autoritativen Gebots zu garantieren suchen, ohne seine Freiheitlichkeit aufzugeben und – auf säkularisierter Ebene – in jenen Totalitätsanspruch zurückzufallen, aus dem er in den konfessionellen Bürgerkriegen herausgeführt hat.“
Kann der „freiheitliche, säkularisierte Staat“ seine Voraussetzungen einerseits zwar nicht garantieren, so hat er anderseits alles zu unterlassen, was diese Voraussetzungen gefährdet oder außer Kraft setzt, in dem er die Ordnungsprinzipien des Staates – also seiner selbst – auflöst oder relativiert. Die Ordnungsprinzipien sind praktisch als Recht formuliert, als Bürgerrechte, als Vertragsrecht, als Wirtschaftsrecht. Denn, so Augustinus von Hippo: „Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande.“ Der Staat, der sich zum einen Ausnahmen vom Recht genehmigt und sich zum anderen dem großen Wagnis stellt, „das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist“, würde zu einer „großen Räuberbande“; er würde „in jenen Totalitätsanspruch zurückfallen, „aus dem er in den konfessionellen Bürgerkriegen herausgeführt hat“.