Volker Becks rasche Wiederauferstehung nebst Auftritt bei Sandra Maischberger beschäftigt die Medien. War Beck zu rasch back? Darf man das als Besitzer illegaler Drogen und nach eingestellten Verfahren (ohne Verurteilung bei Leistung einer Geldstrafe von 7.000 Euro) – so als wäre nichts gewesen? Aber wie leistet man eine rundum befriedigende Abbitte? Schauen wir mal, was die Gesellschaft erwarten darf von einem Politiker und MdB mit relevanten Parteiämtern und einer medienwirksamen Stimme und Haltung.
Erpressbarkeit Tür und Tor geöffnet
Bevor man diese Fragen debattiert, hier noch ein Aspekt, der bisher noch nicht ausreichend beleuchtet wurde: die Erpressbarkeit. So darf man annehmen, dass es für den 55-Jährigen Politiker der Grünen auch ein Moment der Erleichterung gewesen sien könnte, als seine Drogeneinkäufe – ab wann man hier von Sucht sprechen kann, können nur Fachleute beurteilen – bekannt wurden, als der Fall aus der Illegalität an die Öffentlichkeit und vor Gericht kam. Für irgendwelche inländischen oder ausländischen Dienste und Geheimdienste ist das Potenzial damit abgeschöpft und Volker Becks Drogenkonsum nicht mehr erpressbar. Was nicht heißt, dass bisher jemand auf die Idee gekommen wäre. Aber wer will heutzutage ausschließen, dass man sich dieses Wissen nicht zu Nutze gemacht oder irgendwann zu Nutze hätte machen können, je nach zukünftigem politischen Amt des Volker Beck? Liegt bereits hier die Notwendigkeit eines ebenso moralisch integren wie gesetzestreuen Lebenswandels von Politikern?
Wie ist aber nun Abbitte zu leisten für einen Politiker, der noch dazu Verfechter einer liberaleren Drogenpolitik ist? War hier etwa der Konsum Vater des Gedankens? Soll man ihn verdammen, weil er Bundestagsabgeordneter geblieben ist, weil er so dumm war, sich erwischen zu lassen mutmaßlich bei einer Beschaffungstour, wo andere wahrscheinlich schlauer sind und sich ihre Drogen von einem Gast ins Haus bringen lassen, also nichts besitzen, sondern nur straffrei „verkosten“? Wir erinnern uns, der Besitz von Cannabis beispielsweise ist strafbar, nicht aber der Konsum. Einer dehnbaren Auslegung ist hier natürlich Tür und Tor geöffnet. Und wenn einer wie Becks Grünen-Kollege Cem Özdemir Cannabis auf seinem Balkon züchtet, wenn in der Biografie des Grünen Ex-Außen Joschka Fischer die Zucht von Drogenpilzen zu finden ist, dann besteht ein gesellschaftlicher Gesprächsbedarf möglicherweise hin zu einer neuen Gesetzeslage.
Koksparty auf der Bundestagstoilette
Sie erinnern sich vielleicht: Vor einigen Jahren machte der TV-Sender Sat 1 den Test und untersuchte 28 Toiletten im deutschen Bundestag. Der Sender behauptete anschließend, dass man auf 22 MdB-Klos Spuren von Kokain gefunden hätte. Gab es ein sofortiges Dementi? Im Gegenteil, der Unionspolitiker Hubert Hüppe erklärte damals der Berliner Tageszeitung im Volker-Beck-Sound-2016:
„Wir im Bundestag sind auch keine besseren oder schlechteren Menschen als alle anderen. Wer glaubt, dass von den 650 Abgeordneten nicht der eine oder andere auch mal dazu kommt, Drogen zu nehmen, ist naiv.“ Für Hüppe seien die Parlamentarier sogar besonders gefährdet, die müssten ja ständig fit sein und seien meistens weg von zu Hause.
Wir können also schon mal nüchtern feststellen, dass, was für verbeamtete Polizisten, offensichtlich nicht für Bundestagsabgeordnete gilt. Und für Becks Partei stellt sich die Causa Beck so dar: „Bei harten Drogen wie Crystal Meth steht eine Freigabe für uns nicht zur Debatte. Wir nehmen die Gefahren dieser Droge sehr ernst. Sie macht sehr schnell abhängig. Das Gesundheitsrisiko ist extrem hoch. Drogen- und Suchtprävention sind wichtig, um Bürgerinnen und Bürger über die Gefahren des Konsums aufzuklären. Wenn Konsumierende eine Abhängigkeit entwickeln, brauchen sie vorrangig therapeutische Hilfs- und Unterstützungsangebote.“
Spätestens hier allerdings hätte nun die Öffentlichkeit das Recht, die Frage zu stellen, wie es mit einem Therapieansatz bei Volker Beck aussieht. Wie hoch ist die Rückfallquote, wo doch der Politiker seine Sucht zur Privatsache erklärt und augenscheinlich therapeutische Hilfs- und Unterstützungsangebote nicht in Anspruch zu nehmen glaubt? Oder nimmt er doch, aber betrachtet auch das als „reine Privatsache“? Welchen Nachteil hätte Beck davon, wenn er eine Therapie öffentlich machen würde? Sein guter Ruf bleibt natürlich Becks Angelegenheit, das soll uns nichts angehen. Oder sagen wir es optimistisch wie Udo Lindenberg: „Es ist nie zu spät, um noch mal durchzustarten, weil hinter all den schwarzen Wolken wider gute Zeiten warten. Wieder geile Zeiten warten.“
Na, hoffentlich nicht allzu geil. Sonst kommt wieder der Streifenwagen. Und dann dürfte es eng werden für diesen so ambivalenten Subkulturfreak der Grünen.
Um abschließend noch etwas Versöhnliches zu sagen: Man muss Volker Becks politischer Agenda nicht folgen, sollte man vielleicht auch nicht. Aber diese Drogengeschichte darf denen nichts taugen, die den Mann liebend gerne politisch meucheln würden. Da gibt es etliche deutsche Politiker mehr mit einwandfreiem Leumund, mit einer geradezu galaktischen Distanz zu allem, was irgendwie nach Subkultur muffelt. Unnachgiebige Charaktere. Fingerzeiger. Menschen, die so überzeugt sind von der Richtigkeit ihrer tadellosen, von jedem Experiment befreiten Geisteshaltung, dass man hier keine Hoffnung erwarten darf für den großen Konsens, kein vermittelnder Gedanke, kein Mitgefühl, keine Idee von einem Zusammenleben einer im positivsten Sinne multikulturellen deutschen Gemeinschaft – eben dem friedlichen Nebeneinander individueller Lebensvorstellungen. Drogen sind dabei sicher die düstere Seite einer fehlgeleiteten Sinnsuche. Aber sie sind noch lange kein Ausschlussverfahren für irgendjemanden. Auch nicht für Volker Beck.